IM INTERVIEW: BEAT THOMA, FISCH ASSET MANAGEMENT

"Der Schaden ist angerichtet"

Chefanlagestratege des Vermögensverwalters zur Lage in der Eurozone nach der Regierungsbildung in Italien und warum US-Aktien nicht teuer sind

"Der Schaden ist angerichtet"

Die Krise am italienischen Anleihemarkt hat sich zwar etwas beruhigt, das Land wird aber für aggressive antieuropäische Rhetorik seiner populistischen Regierung noch eine Weile höhere Risikoaufschläge zahlen müssen. Diese Ansicht vertritt im Interview der Börsen-Zeitung Beat Thoma, Chefanlagestratege des Schweizer Vermögensverwalters Fisch Asset Management. Darin erklärt er auch, warum sein Haus bei Aktien zuversichtlich gestimmt ist und US-Werte nicht als zu teuer betrachtet.- Herr Thoma, jüngst mehrten sich die Stimmen, die vor einer Abkühlung der Weltwirtschaft warnten, unter anderem wegen der US-Handelspolitik. Beobachten Sie dies auch?Nun, eine größere Abkühlung der Weltkonjunktur sehen wir eigentlich noch nicht. Im Gegenteil: In den USA gibt es “GDP Now” als Schätzung für das aktuelle Wachstum auf Basis der regelmäßig einlaufenden Konjunkturzahlen wie Auftragseingänge und Lagerveränderungen. Die Schätzung für das zweite Quartal liegt jetzt bei annualisiert 4,6 %. Wenn es dabei bleibt, wäre dies eine Beschleunigung des Wachstums. China kühlt sich etwas stärker ab. Die Lage ist aber unter Kontrolle. Die Abkühlung war zudem hausgemacht, weil sie etwas Luft aus den Kreditmärkten herauslassen haben und diese beruhigen wollten. Das ist sehr gesund und bislang gut gelungen. Damit sind die beiden größten Volkswirtschaften gut unterwegs. In Europa haben wir jüngst etwas schwächere Daten wie den ZEW-Index für Deutschland gesehen, aber das genügt nicht, um wirklich von einer Konjunkturabschwächung zu sprechen. Insgesamt ist die Weltkonjunktur noch gut unterwegs.- Das spricht für global steigende Zinsen?Ja, aber nur moderat. Die jüngsten Aussagen der US-Notenbank waren eher so, dass Wachstum und Inflation anziehen. Die USA sind also in einem reflationären Trend, der aber nicht stark genug ist für eine massive Verschärfung der geldpolitischen Straffung. Für die Aktienmärkte wäre mehr Wachstum positiv, höhere Zinsen negativ, das würde sich in der Summe neutralisieren.- US-Aktien werden inzwischen häufig als sehr teuer bezeichnet. Das Wirtschaftswachstum genüge nicht mehr, um die Erwartung an steigende Unternehmensgewinne zu erfüllen. Bei einer Wachstumserwartung von 4,6 % und angesichts der Steuersenkungen, von denen Unternehmen stark profitieren, könnte sich das Bild ändern?Die US-Aktienmärkte sind nicht teuer, das muss man ganz klar sagen. Wenn Sie aktuell Ihr Geld in US-Aktien investieren, bekommen Sie einen höheren Ertrag als aus Zinsprodukten. Die Aktienmärkte sind nicht billig, aber sie sind im neutralen Bereich. In den vergangenen Monaten sind die Märkte im Vergleich zum Gewinnwachstum sogar eher noch billiger geworden. Man hat also ein gewisses Potenzial, um höhere Zinsen abzufangen. Die US-Zinsen könnten im zehnjährigen Bereich sogar um mehr als einen halben Prozentpunkt ansteigen – und das wäre durch das Gewinnwachstum noch immer abgefedert. Derzeit liegt allerdings schon bei 3,2 bis 3,3 % für die Zinsen auf 10-jährigen US-Staatsanleihen eine technisch recht hohe Hürde. Die Federal Reserve ist nicht hinter der Kurve, sondern genau darauf, der Leitzins liegt in der Nähe des natürlichen Zinssatzes. Außerdem verkauft sie jeden Monat für 30 Mrd. Dollar Bonds vom Buch, ab Juli sogar 40 Mrd. im Monat. Das ist eine massive restriktiv wirkende geldpolitische Maßnahme. Von hier kommt also kein Druck auf Inflation und Wachstum, so dass eine Explosion des Zehnjahreszinses sehr unwahrscheinlich ist. Ein Satz von 3,5 % wäre also schon mal recht sportlich.- Zugleich sind die zweijährigen US-Zinsen recht hoch, die Zinsstrukturkurve also recht flach. Was bedeutet das?Richtig, die Differenz zwischen dem Zweijahres- und Zehnjahreszins ist unter ein halbes Prozent gefallen. Damit ist die Zinskurve recht flach. Viele Marktteilnehmer schauen meist auf die Zweijährigen gegen die Zehnjährigen, die Fed hingegen betrachtet Einjährige gegen Zehnjährige. In diesem Vergleich ist die Zinskurve noch recht steil. In den vergangenen 70 Jahren musste sich dieser Spread auf null abflachen, damit es zu einer Rezession kommt, wie eine aktuelle Studie der Fed von San Francisco zeigt. Davon sind wir noch weit entfernt. Die Fed schaut natürlich auch auf die Zinskurve und wird alles tun, ein weiteres Abflachen zu verhindern. Möglich wäre sogar eine Reduzierung der Anleiheverkäufe. Es gibt aber auch Stimmen in der Fed, die ein zu starkes Abbremsen befürchten. Eine Kappung der Verkäufe würde das Wachstum fördern und die Zinskurve steiler werden lassen.- Welche Auswirkungen werden Einfuhrzölle der USA auf die Inflation und damit die Geldpolitik haben?In den USA hat der Außenhandel etwa eine Bedeutung von 10 % für die Wirtschaftsleistung. Und für das gesamte Preisniveau ist dieser Handel irrelevant, zumal nur ganz wenige Produkte von Zöllen betroffen sind bislang. Das ist also mehr Rhetorik, die schlecht ist für die Psychologie der Investoren, und das kann mittelfristig das Investitionsverhalten und die Aktienmarkterwartungen negativ beeinflussen. Aber von der Sache her kann man den direkten Einfluss auf die Inflationsrate eigentlich vernachlässigen.- Dann hat die These, dass Zölle über steigende Zinsen den Dollar stärken, keine Grundlage?Es kann einen starken Dollar geben, weil die Leute dies auf Grund dieser Diskussion erwarten. Bis man allerdings den Einfluss der Zölle auf die Inflation spüren wird, dauert es noch sehr lange. Und ich glaube noch immer, dass man sich einigen wird. US-Präsident Donald Trump hat mit einigen Punkten Recht, mit einigen nicht. Die Chinesen sind pragmatisch, sie werden Türen öffnen. Aber: Die Verunsicherung drumherum kann das Wachstum verlangsamen, das wäre dann sogar deflationär.- Würde das dann den Dollar schwächen?Beim Dollar gibt es zwei übergeordnete Punkte. Erstens die Kaufkraftparität, der Dollar liegt gemessen an dieser etwa 10 % zu hoch. Historisch betrachtet war es immer so, dass der Dollar bei solch einer Überbewertung sich zur fairen Bewertung zurückbewegt und sogar unterschossen hat. Wir sind jetzt in diesem Trend. Der zweite Punkt ist: Wenn die Federal Reserve in der Vergangenheit die Zinsen angehoben hat, dann war der Dollar schwach. Das klingt komisch, aber es ist so. Diese beiden Punkte sprechen also gegen den Dollar, ob der Einfluss des Handelskrieges positiv oder negativ ist, das ist schwierig festzulegen.- Währungskurse haben ja immer zwei Seiten, in diesem Fall also auch das Verhalten der Europäischen Zentralbank. Mit welchem mittelfristigen Trend rechnen Sie in deren Geldpolitik?Wenn der Ausstieg der EZB aus der quantitativen Lockerung die Zinsen hochtreibt und dies auf die Wirtschaft wirkt, dann ist der Einfluss auf die Währung unklar. An der jüngsten EZB-Sitzung wurde zwar das Ende der quantitativen Lockerung beschlossen. Die Geldpolitik bleibt aber noch sehr locker. Das müsste mittelfristig die Konjunktur beflügeln und den Euro stärken. – Während der Regierungsbildung in Italien wurde über die Rückkehr der Krise diskutiert. Welche Rolle spielen politische Unsicherheiten für den Euro? Im Moment keine. Der italienische Europaminister Pablo Savone, der zuvor immer den Euro-Exit propagierte, erklärte nun in der Regierung, der Euro sei absolut zentral für Italien. Angesichts dessen, was jetzt in Italien kommuniziert wird, sollte bis auf Weiteres Ruhe herrschen. Die Italiener haben sich nun aber den Schaden eingebrockt und werden rund 1,5 Prozentpunkte mehr als die Deutschen zahlen müssen. Aber auf die gesamte Europäische Union hat das während der nächsten Woche und Monate wohl keinen Einfluss.- Das Thema hatte sich ja zwischenzeitlich auch auf Spanien ausgeweitet, aber der Euro wurde kaum getroffen. Woran liegt das?Derzeit ist kein Übergreifen von Italien auf Spanien und Portugal gegeben. Der neue spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez ist klar proeuropäisch eingestellt. Und er wird versöhnlicher mit der Katalanen sein, das wird den Druck zum Separatismus abschwächen. Und Portugal hat gewisse Fortschritte gemacht. – Sind Anleihen aus Spanien und Portugal nach dem jüngsten Kursrückgang attraktiv?Nun ja. Auch wenn die italienischen Renditen zuletzt wieder zurückgekommen sind, ich glaube nicht, dass sie wieder auf das Niveau fallen, das wir noch vor drei bis vier Monaten sahen. Der Schaden ist angerichtet. Die Diskussion um diese Länder bleibt im Spiel. Sie haben zwar eine höhere Rendite als bei Bundesanleihen, aber ich zweifele an der Chance auf Kursgewinne. In größerem Stil würde ich da nicht einsteigen.- Rechnen Sie mit steigenden Bund-Renditen wegen des allgemein ansteigenden Zinsniveaus?Ja, denn das globale Wachstumsszenario ist in Takt, die Inflationsrate – auch in Europa – steigt stetig, wenn auch nicht dramatisch an. Bei 50 Basispunkten mehr Wachstum und 30 bis 40 Basispunkten mehr Inflation sind wir schnell mal bei 1 %.- Ist Ihr optimistischer Ausblick für die Wirtschaft verbunden mit der Erwartung weiter steigender Aktienkurse?Wir sind generell für Aktien in Europa und weltweit positiv gestimmt. Mit unserem Modell messen wir Strömungen, aber berechnen keine Ziele für das Jahresende. Der Trend für Europa ist noch gut. Allerdings beginnen sich die Werte abzuschwächen. Bis sich dabei aber konkrete Warnsignale ergeben, sind wir auch für Europa auf grün.—-Das Interview führte Stefan Schaaf.