Der unheimliche Crash
Am 19. Oktober 1987 hat ein Crash an der Wall Street die Welt geschockt. Ohne ersichtlichen Anlass sackte der Dow Jones Industrial Average um 22,6 % ab, sein mit Abstand stärkster prozentualer Tageseinbruch. Die Ursachen des als Schwarzer Montag bekannt gewordenen Crashs sind bis heute nicht restlos geklärt.Von Christopher Kalbhenn, FrankfurtHeute jährt sich mit dem Schwarzen Montag eine der größten Börsenkatastrophen der Geschichte zum 30. Mal. Aus heiterem Himmel, ohne dass es auch nur ansatzweise einen entsprechenden Anlass gab, brachen die Notierungen in New York und rund um den Globus in einem Ausmaß ein, das seit dem Krieg nicht mehr gesehen worden war. Der Dow Jones Industrial Average brach um 22,6 % auf 1 739 Punkte ein. RekordtagesverlustFür den Index war dies der stärkste prozentuale Tagesverlust seiner Geschichte – und zwar mit Abstand. So belief sich etwa der stärkste Tageseinbruch nach dem Lehman-Kollaps auf 7,9 %. Selbst die heftigsten Tagesabstürze des Crashs von 1929 (12,8 % am 28. und 11,7 % am 29. Oktober) wurden deutlich übertroffen. Wenig verwunderlich machte sich umgehend die Befürchtung breit, dass den Aktienmärkten und insbesondere der Weltwirtschaft nun Ähnliches bevorstehen würde wie Ende der 20er und Anfang der 30er Jahre, als sich die Verluste des Dow insgesamt auf nahezu 90 % summierten und die Große Depression mit katastrophalen politischen Auswirkungen folgte.Angesichts des Schocks durch den unheimlichen, schwer erklärbaren Crash ist nachvollziehbar, dass solchen Befürchtungen geglaubt wurde. Ganz gewiss hätte in der zweiten Hälfte des Oktober 1987 kaum jemand sich vorstellen können, was tatsächlich geschah. Wer damals prognostiziert hätte, dass der Dow 30 Jahre später bei 23 000 Punkten, dem Zehnfachen seines letzten Stands vor dem Schwarzen Montag liegen würde, wäre wohl für nicht ganz vernünftig erklärt worden. Episode im BörsenboomRückblickend wissen wir, dass der Schwarze Montag letztlich nur eine vorübergehende, wenn auch sehr heftige, Episode innerhalb eines globalen Börsenbooms ist, der Anfang der 80er Jahre begann und – mit Unterbrechungen wie etwa auch dem Dotcom- und dem Lehman-Crash – bis heute anhält. Blickt man auf den langfristigen, von 1980 bis heute reichenden Chart des Dow, ist der Einbruch von 1987 kaum noch zu erkennen.Den Schwarzen Montag als für heute irrelevant zu erklären, wäre dennoch verfehlt. Als einer der Hauptauslöser bzw. -verstärker wurde seinerzeit die damals gerade begonnene Computerisierung des Börsenhandels bzw. automatisch generierte Verkaufsorders ausgemacht. Der automatisierte Handel ist zwar möglicherweise nicht allein für den Crash verantwortlich. Fakt ist aber, dass der heutige Börsenhandel in weit stärkerem Ausmaß computerisiert und automatisiert ist als vor 30 Jahren, und die Risiken, die davon ausgehen können, sind damals erstmals zutage getreten – und leider auch nicht zum letzten Mal. Denn in den zurückliegenden Jahren haben sich sogenannte Flash Crashs, d.h. sehr heftige Kursschwankungen gehäuft, nicht nur an den Aktien-, sondern etwa auch an den Devisen- und Anleihemärkten. Der bekannteste Vorfall ereignete sich am 6. Mai 2010, als der US-Aktienindex S & P 500 innerhalb von nur sechs Minuten nahezu 6 % und der Dow bis zu 9 % einbüßte. Spektakulär war zuletzt am 7. Oktober 2016 ein Einbruch des britischen Pfunds um 10 % innerhalb von wenigen Minuten. Gegenstand von Sorgen über einen drohenden Börsenunfall, die auch die Börsenaufsichten umtreiben, sind unter anderem der algorithmische bzw. der Hochfrequenzhandel. Zu 27 Prozent vollautomatisch”Der Schwarze Montag war der erste Börsen-Crash, der von vollautomatisierten, auf Algorithmen basierenden, Handelssystemen losgetreten wurde”, so Fidelity. Programmhändler hätten sich ganz auf ihre Modelle verlassen: Als die Aktienkurse gefallen seien, hätten sie verkauft, um die Verluste für ihre Portfolios einzudämmen. Schließlich aber hätten auch alle anderen Marktteilnehmer Aktien abgestoßen und damit den Abwärtssog verstärkt. Seit 1987 habe sich der Anteil der mit vollautomatisierten Handelsmodellen durchgeführten Transaktionen am amerikanischen Aktienmarkt von 13 % auf heute 27 % mehr als verdoppelt. Damit steige auch die Gefahr eines von Computerprogrammen ausgelösten Markt-Crashs.