DEVISENWOCHE

Der US-Dollar - schon überbewertet?

Von Holger Achnitz *) Börsen-Zeitung, 17.3.2015 Am Devisenmarkt wird Geschichte geschrieben. Nie zuvor in den vergangenen 40 (!) Jahren hat der US-Dollar - gemäß dem handelsgewichteten Dollar-Index der Bank of England - so rasant an Wert gewonnen...

Der US-Dollar - schon überbewertet?

Von Holger Achnitz *)Am Devisenmarkt wird Geschichte geschrieben. Nie zuvor in den vergangenen 40 (!) Jahren hat der US-Dollar – gemäß dem handelsgewichteten Dollar-Index der Bank of England – so rasant an Wert gewonnen wie in den zurückliegenden acht Monaten. Die Kursgewinne entsprechen inzwischen zwei Dritteln der Dollar-Aufwertungsperiode der Jahre 1995 bis 2002. Doch damals hat es drei Jahre gedauert, um das jetzige Niveau zu erreichen. Angesichts der Geschwindigkeit und des inzwischen erreichten Dollar-Levels mag die bisher geringe Zahl an kritischen Wortmeldungen von Zentralbanken und Regierungen verwundern – doch nur auf den ersten Blick. USA bleiben gelassenDenn zumindest der Rückgang des Euro gegenüber dem Dollar war ja durchaus gewollt. Marktbeobachter sind bereits seit einigen Monaten der Meinung, dass ein niedriger Euro das eigentliche Ziel der am vergangenen Montag begonnenen quantitativen Lockerung und der effektivste Transmissionsriemen ist, um Exporte und damit Kreditnachfrage und letztendlich Wachstum in der Eurozone wieder anzutreiben. Auch in den USA ist – abgesehen von den Klagen großer Unternehmen über die schlechtere Translation im Ausland erwirtschafteter Gewinne im Rahmen der Berichterstattung über das letzte Quartal 2014 – bisher wenig Widerstand gegen den wiedererstarkten Dollar festzustellen. Die fehlenden Reaktionen lassen sich auch dadurch begründen, dass der Wechselkurs sich bislang nicht negativ auf die Beschäftigungslage in den Vereinigten Staaten auswirkt; die Arbeitsmarktberichte für Januar und Februar fielen deutlich besser aus als jeweils von den Auguren erwartet worden war. Ein vom Export vergleichsweise gering abhängender Wirtschaftsraum wie die USA hat eine höhere Toleranz für die Aufwertung der eigenen Währung, dies kommt zur Zeit deutlich zum Ausdruck. Fed vor einer ZinserhöhungTrotzdem dürfte zumindest die Geschwindigkeit der Kurssteigerung langsam zu einer unwillkommenen Komplikation für die Geldpolitik der Fed werden. Sowohl die jüngste Aussage von deren Präsidentin Janet Yellen vor den Finanzausschüssen von Senat und Repräsentantenhaus wie auch das Protokoll der vergangenen FOMC-Sitzung und jüngste Kommentare von Fed-Governor Richard Fisher haben die Erwartung einer ersten Erhöhung der Fed Funds nach der globalen Finanzkrise für den Zeitraum Juni bis September steigen lassen. Die Fed hat mit der planmäßigen erfolgreichen Beendigung der QE-Maßnahmen Ende 2014 erheblich an Glaubwürdigkeit gewonnen – es wird ihr und insbesondere der Notenbankchefin daran gelegen sein, diese weiter auszubauen. Daher kommt dem Treffen des Offenmarktausschusses besondere Bedeutung bei: Auch wenn für den Mittwoch noch niemand mit einer Zinserhöhung rechnet, so wird doch mit einer Änderung des Statements gerechnet, die hierfür zu einem späteren Zeitpunkt den Boden bereitet. Allerdings würde ein bedingungs- und ersatzloses Streichen des kurzen Wortes “patient” (“geduldig”, mit Bezug auf die Normalisierung der Geldpolitik) sehr wahrscheinlich zu einem noch stärkeren Dollar führen. Auch wenn dies wie beschrieben in den USA selbst auch auf dem jetzigen Niveau verkraftbar erscheint, so ist sich die Fed auch ihrer globalen Verantwortung bewusst. Vorstellbar erscheint daher ein gleichzeitiger Verweis auf gegebenenfalls negative Implikationen für die USA durch die Entwicklung in den Auslandmärkten; dies dürfte den Rückenwind für den Dollar zumindest temporär schwächen.Langfristig bleiben jedoch die Zinsdifferentiale entscheidend. Der Weg scheint hier klar: Allein die Ankündigung von Staatsanleihekäufen durch die EZB hat über das gesamte Laufzeitenspektrum zu dramatisch fallenden Renditen in allen Anleihemärkten der Eurozone geführt – mit Ausnahme Griechenlands, aus hinlänglich bekannten und publizierten Gründen. Gerade US-Unternehmen nutzen die Kombination aus Wechselkurs und Zinsniveau verstärkt für die Emission in Euro denominierter Schuldtitel. Insofern wird es trotz einer am Mittwoch vermutlich bremsenden Fed nur eine Frage der Zeit sein, bis der Dollar die Parität zum Euro erreicht. Weitere AufwertungKeineswegs unverständlich wird angesichts der Geschwindigkeit der Dollar-Aufwertung daher wieder häufiger die Frage gestellt, ob der dieser bereits überbewertetes Territorium erreicht hat. So ist er nach dem Modell zur Bestimmung von Wechselkursgleichgewichten der Citigroup gegenüber dem Euro inzwischen um satte 30 % überbewertet. (In Ergänzung zur Kaufkraftparität berücksichtigt dieses Modell u.a. auch die Forderungen und Verbindlichkeiten der Währungsräume untereinander.) In der Vergangenheit haben Über- bzw. Unterbewertungen des Dollar von 20 % und mehr über einen Zeitraum von zwei bis drei Jahren zu einer Korrektur zurück zum Gleichgewichtskurs geführt. Andere Modelle kommen zu grundsätzlich ähnlichen, wenn auch im Ausmaß geringeren Schlussfolgerungen. Allen ist aber eines gemeinsam: Ihre Aussagekraft beruht auf Zeitreihen, die zum großen Teil auf eine Historie blicken, in denen Zentralbanken weitaus weniger massiv in die Märkte eingegriffen haben als zuletzt. Daher mögen durchaus Trendmodelle und Zinsparitäten im Moment die besseren Ratgeber sein. Folgt man diesen, hat der Dollar seine besten Tage noch vor sich.—-*) Holger Achnitz ist Leiter Devisenhandel bei Citi Deutschland.