IM INTERVIEW: KAREN SESIN, ALLIANCEBERNSTEIN

"Der US-Markt ist teuer"

Portfoliomanagerin: Dividendenstarke Aktien hoch bewertet - Facebook als Top-Position

"Der US-Markt ist teuer"

Zu den Sorgen, welche die Investoren derzeit am stärksten bewegen, zählt die Bewertungslage an den Aktienmärkten, vor allem am amerikanischen. Karen Sesin, Portfolio Manager US Growth Equities beim Assetmanager AllianceBernstein, ist der Auffassung, dass der Markt in der Tat teuer sei. Für ihren US-Wachstumsaktienfonds hält sie nach Unternehmen mit hoher und nachhaltiger Profitabilität Ausschau.- Frau Sesin, bereitet Ihnen die Bewertungslage des amerikanischen Aktienmarktes Sorgen?Der US-Markt ist mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis auf Basis der Gewinne der zurückliegenden zwölf Monate von 21,7 sowohl im Vergleich mit anderen Regionen wie Europa und Japan als auch im historischen Vergleich teuer. Aus amerikanischer Sicht ist allerdings zu beachten, dass Aktien sowie Häuser im Vergleich zu Anleihen nach wie vor relativ attraktiv sind. Das erklärt auch, warum der Aktienmarkt weiter gestiegen ist. Ein Grund ist auch, dass es weiterhin ein moderates Wirtschafts- und ein solides Gewinnwachstum gibt. Zu berücksichtigen ist zudem die unterschiedliche Komposition der europäischen und der amerikanischen Aktienmärkte. In den USA gibt es mehr Unternehmen mit hohem Wachstum, in Europa sind Branchen mit niedrigeren Kurs-Gewinn-Verhältnissen stärker vertreten.- In welchen Bereichen sind die Bewertungen besonders hoch?Es gab in der Vergangenheit mehrere Phasen, in denen bestimmte Segmente hoch bewertet waren und einen sehr hohen Anteil an der Gesamtmarktkapitalisierung hatten. Das waren 1980 Energieaktien, 2000 Technologiewerte und 2007 die Finanzbranchen mit Anteilen von 33, 34 und 22 %. In all diesen Fällen haben die Segmente in den darauf folgenden Jahren zwischen 33 und 48 % nachgegeben. Derzeit weisen Aktien mit hohen Dividendenrenditen hohe Bewertungen auf. Im Niedrigzinsumfeld haben Investoren Rendite gesucht und zu Aktien mit hohen Dividendenrenditen und zu Hochzinsanleihen gegriffen. Der Anteil solcher Aktien an der Gesamtmarktkapitalisierung ist auf 45 % gestiegen. Wir glauben, dass es hier aufgrund der Bewertungen Risiken gibt. Stützend wirkt allerdings, dass die Babyboomer älter werden und Aktien mit hohen Ausschüttungen bevorzugen. Zudem ist das Wachstum moderat und die Fed wird ihren Leitzins allmählich und im gemäßigten Maß anheben.- Nach welchen Grundsätzen verfahren Sie mit Ihrem American Growth-Fonds?Wir investieren in Wachstumswerte mit hoher Marktkapitalisierung und suchen Unternehmen, die eine sehr hohe und langfristig nachhaltige Profitabilität aufweisen. Weitere Kriterien sind eine gute Bilanzqualität beziehungsweise eine niedrige Verschuldung. Wir fahren einen aktiven Ansatz und haben in der Regel 40 bis 60 Titel in unserem Portfolio. Derzeit sind es ungefähr 50.- In welchen Branchen sind Sie aufgrund Ihres Ansatzes über- beziehungsweise untergewichtet?Wir sind vor allem in den Technologie- und Healthcare-Branchen übergewichtet. Untergewichtet sind wir vor allem im Konsumsektor. Die Unternehmen dieser Branche haben teilweise eine stärker schwankende Profitabilität. Gleichzeitig sind die Bewertungen sehr hoch und das Gewinnwachstum zumeist moderat. Entspricht eine Branche nicht unseren Profitabilitätskriterien, halten wir auch keine Werte daraus.- Ihr größter Einzelposten ist Facebook. Was gefällt Ihnen an dieser Aktie?Wir haben Facebook seit dem Jahr 2012 im Portfolio. Das Unternehmen betreibt ein globales soziales Netzwerk, das weiterhin expandiert. Das Geschäftsmodell ist im Kern ein Werbegeschäftsmodell. Der digitale Anteil des Werbekuchens expandiert weiterhin. Unternehmen, die nachhaltig profitabel sind, haben einen Wettbewerbsvorteil. Im Fall von Facebook ist es das wachsende globale Netzwerk. Mit diesem Vorteil konnte das Unternehmen Erlös, operatives Ergebnis und Reingewinn stärker steigern, als dies zum Zeitpunkt der Börseneinführung im Jahr 2012 erwartet wurde. Die Prognosen von BernsteinResearch aus dem Jahr 2012 für Erlös, Bruttogewinn und Ergebnis je Aktie im Jahr 2016 sind von Facebook im zurückliegenden Jahr um 144, 156 und 115 % übertroffen worden. Facebook zählt zu der Art von Unternehmen, die wir halten wollen.- Gehört deswegen auch Alphabet zu Ihren Top-Positionen?Ähnlich wie Facebook konnte Alphabet beziehungsweise Google Umsatz und Ergebnisse bei weitem stärker steigern, als dies ursprünglich für möglich gehalten wurde. Beide Unternehmen haben eine nachhaltig hohe Profitabilität und sind außerdem in der Lage, in Wachstumsmöglichkeiten für die Zukunft zu investieren. Sie haben weiterhin die Möglichkeit, die Erwartungen der Marktteilnehmer zu übertreffen. Im ersten Quartal hat Facebook die Erwartungen abermals übertroffen, genauso wie Alphabet.- Zu Ihren größten Posten gehören mit Biogen und Edwards Lifesciences zwei Healthcare-Werte. Was macht diese Aktien interessant?Biogen hat ein sehr erfolgreiches Multiple-Sklerose-Präparat auf den Markt gebracht und eine vielversprechende Produkt-Pipeline, darunter ein Alzheimer-Präparat. Das Unternehmen hat ebenfalls eine hohe nachhaltige Profitabilität an den Tag gelegt. Edwards Lifesciences ist Marktführer bei Herzklappen. Das Unternehmen hat eine neue innovative Herzklappe mit dem Namen “Sapien” entwickelt. Sie ermöglicht geringfügig invasive Eingriffe, die Sterblichkeit nach dem Eingriff ist deutlich reduziert.—-Das Interview führte Christopher Kalbhenn.