IM INTERVIEW: ALOIS WÖGERBAUER, 3 BANKEN-GENERALI INVEST

"Die Bewertung ist derzeit fair"

Fondsmanager rechnet mit moderatem Kursanstieg am österreichischen Aktienmarkt

"Die Bewertung ist derzeit fair"

Der österreichische Aktienindex ATX hat sich in den vergangenen eineinhalb Jahren überdurchschnittlich entwickelt. Alois Wögerbauer, Geschäftsführer der Investment-Gesellschaft 3 Banken-Generali, glaubt, dass das Ende dieser Dynamik bald erreicht ist. “Es wäre auch nicht gut, wenn Börsen in jedem Jahr 30 % machen würden”, sagt der Fondsmanager, der den 3 Banken Österreich-Fonds verwaltet.- Herr Wögerbauer, der österreichische Aktienindex ATX hat in diesem Jahr sehr stark zugelegt. Womit lässt sich diese überragende Performance erklären?Aus meiner Sicht sind das drei Punkte. Erstens handelt es sich bis zu einem gewissen Grad um einen Aufholprozess. Die Börse in Wien konnte in den letzten Jahren nicht ganz mithalten mit Dax und Co. – und hat jetzt mit einem Schlag sehr beeindruckend aufgeholt. Zweitens liegt Österreich zwischen den beiden Blöcken Westeuropa und Osteuropa. Hier hatten wir 2017 eine sehr schöne Synchronität: Die Konjunkturerwartungen in Osteuropa wurden nach oben revidiert. Wenn man sich Länder wie Tschechien ansieht, dann liegen dort die Erwartungen jenseits der 3 %-Wachstumsgrenze. Auch Polen wächst gut. Osteuropa hat sich gut entwickelt, und zeitgleich wurden auch die Konjunkturerwartungen von Westeuropa nach oben revidiert. Das hat dazu geführt, dass Österreich 2017 auf ein Wachstum von knapp 3 % kommen wird. Drittens kommen im Schnitt 70 % der Tagesumsätze an der Wiener Börse von Auslandsinvestoren aus Europa und Übersee. Diese sind aufgrund dieser guten Konjunktur und Ertragssituation zurückgekommen und haben dafür gesorgt, dass die Kurse – aus meiner Sicht sehr berechtigt – nach oben gegangen sind.- Welche Branchen haben zu diesem Aufschwung besonders beigetragen?Das waren natürlich die Banken. In den Vorjahren sind die beiden Großbanken – die Erste Group Bank und auch die Raiffeisengruppe – der Grund gewesen, dass die Wiener Börse sich nicht so gut entwickelt hat. Der österreichische Bankenmarkt war zeitweise in Europa nicht sonderlich beliebt und durchaus angeschlagen durch die Osteuropa-Thematik, die Hypo-Problematik. Das Image der österreichischen Banken war nicht sonderlich gut. Das hat sich gewandelt, weil die Erste Group Bank ihre Hausaufgaben sehr gut gemacht hat, da wurden die Altlasten sehr rasant bereinigt. Auch die Raiffeisenbank International ist dabei, ihre durchaus komplexe interne Struktur zu vereinfachen. In der Folge ist die Erste Group Bank 2017 um über 35 % gestiegen, und die Raiffeisen, die vor zwei Jahren noch bei 10 Euro lag, steht heute bei 30 Euro. Beide Banken zusammengezählt machen etwa 23 bis 24 % des Marktgewichts im ATX aus. Wenn die Kurse dieser beiden Banken steigen, ist auch für einen gewissen ATX-Anstieg gesorgt. Geholfen hat auch, dass sich die Gewinne in der breiten Industrie zurzeit gut entwickeln; so ist auch der Kurs des Stahlkonzerns Voestalpine stark gestiegen.- Wie sieht die Bewertung am österreichischen Markt aus, etwa die Kurs-Gewinn-Verhältnisse (KGV)?Bei diesen Zahlen bin ich ein bisschen vorsichtig. Man muss wissen, dass in Österreich sehr viele Unternehmen im Index sind, wie zum Beispiel Immobilienaktien, die man mit einem klassischen KGV nicht so gut erfassen kann. Wenn man es trotzdem tut, ist der Markt auf Basis der Gewinnsituation, die wir derzeit haben, mit einem KGV von etwa 13 bis 14 bewertet. Das ist leicht unter dem europäischen Schnitt und dort, wo in etwa der Dax ist. Wir haben hier also keinen Bewertungsabschlag mehr, sondern eine faire Bewertung. Auch eine sehr wichtige Kennzahl in der Entscheidungsfindung in Zeiten von Nullzins ist für mich die Dividende. Wenn Sie den Schnitt der im ATX enthaltenen Titel nehmen, kommt eine Dividendenrendite von 2,8 % heraus. Das finde ich in Ordnung. Die Bewertung ist derzeit fair, sicher nicht mehr unterbewertet, aber weit vom teuren Bereich entfernt.- Welches Potenzial ist Ihrer Meinung nach noch im Markt? Sehen Sie das Ende der Fahnenstange mittlerweile erreicht?Das sehe ich nicht erreicht. Allerdings sehe ich das Ende dieser Dynamik nahezu erreicht. Es wäre auch nicht gut, wenn Börsen in jedem Jahr 30 % zulegen würden. Ich gehe davon aus, dass es zu keiner Bewertungsveränderung kommt. Wenn die Wiener Börse unter diesen Voraussetzungen 2018 rund 6 bis 7 % machen würde, entspräche dies in etwa dem, was auch der unternehmerische Fortschritt auf Basis der Gewinne hergibt. Daher ist das unsere Prognose; wohl wissend, dass ein Jahr lang ist.- Wie entwickelt sich die wirtschaftliche Lage in den osteuropäischen Staaten und welche Impulse gehen davon für den österreichischen Aktienmarkt aus?Das ist ländermäßig sehr unterschiedlich. Für einige Werte, wie zum Beispiel Raiffeisen oder auch teilweise Immofinanz, ist Russland besonders wichtig. Für andere Werte wie die Erste Group Bank ist Tschechien der wichtigste Markt. Das ist sehr stark auf Einzeltitelebene zu besprechen. In Summe hat es in der Vergangenheit zwei Dinge gegeben, welche die Österreicher bewegt haben: Das eine ist Russland. Russland bleibt politisch kompliziert, scheint aber derzeit kein akuter Krisenherd zu sein; mit aller Vorsicht gesprochen. Das Zweite ist Ungarn, weil dieses Land ebenfalls politisch nicht einfach war. Aber selbst Ungarn hat wieder gute Wachstumsraten. Wir haben also momentan die Situation, dass dieser gesamte Block wächst. Momentan gibt es eigentlich keinen Krisenherd. Die Türkei ist sehr weit weg, was Österreich betrifft. Insofern ist das Bild sehr stimmig. Es scheint sich jetzt die alte These, wonach aufgrund von Aufholprozessen die Länder Osteuropas strukturell stärker wachsen, wieder zu festigen. Wenn Westeuropa heute um 2 % wächst, dann schaffen die osteuropäischen Länder 3,2 bis 3,5 % im Schnitt. Das sieht recht solide aus.- Welche Branchen und welche Einzelwerte finden Sie besonders interessant?Ich finde immer noch den Finanzsektor durchaus interessant, eben weil er sich eindeutig stabilisiert hat. Eine der größten Gewichtungen im 3 Banken Österreich-Fonds ist derzeit die Vienna Insurance Group, die führende Versicherung in Osteuropa. Bisher hat sie zwar vom Kurs her noch ein bisschen wenig gemacht, hat aber eine Dividendenrendite jenseits von 3 %. Das ist ein sehr solides, eher defensives Investment.- Wie beurteilen Sie Immobilienaktien?Ich halte die österreichischen Immobilienaktien immer noch für sehr interessant, weil sie unter ihren Buchwerten notieren. Zuletzt hat bekanntlich Vonovia ein Übernahmeangebot für die Buwog gelegt, was das Potenzial dieses Marktes zeigt. CA Immo ist in den Regionen tätig, wo es demografisch und strukturell einfach Sinn macht: Das sind klassisch Wien, Berlin, Frankfurt. Dann gibt es noch einige Industriewerte – und dafür steht Österreich ja -, die mich ebenfalls sehr überzeugen.- Welche?Etwa Palfinger, Weltmarktführer im Bereich Hebe- und Ladevorrichtungen. Dann zählt dazu auch Lenzing, ein führender Hersteller von Fasern für die Bekleidungsindustrie, der sehr stark wächst. Unter den weniger liquiden Titeln wäre Strabag zu erwähnen. Das Unternehmen hat auch in Deutschland eine ausgezeichnete Marktposition. Und wenn Deutschland beginnt, die Brücken und Autobahnen ein bisschen besser zu sanieren, dann wird für Strabag sehr viel Geschäft abfallen.- In welchen Werten sind Sie in Ihrem Fonds im Vergleich zum ATX untergewichtet, in welchen übergewichtet und warum?Untergewichtet bin ich im Prinzip bei den Versorgern. Dazu zähle ich etwa OMV, generell Öltitel oder auch Verbund. Das sind alles gute Unternehmen, aber die Überzeugung, dass dort vom Kurs her großes Aufwärtspotenzial besteht, ist nicht vorhanden. Die Werte sind aus meiner Sicht relativ teuer. Übergewichtet sind dann Einzeltitel wie die erwähnten Lenzing oder Palfinger. Deutlich übergewichtet ist Agrana.- Was gefällt Ihnen daran?Agrana hat über den Anteilseigner Südzucker ebenfalls eine Deutschland-Verbindung. Entsprechend wird Agrana immer sehr eng mit Zucker verbunden, was so nicht stimmt, denn Zucker macht nicht einmal 20 % der Erträge aus. Agrana ist aber einer der Weltmarktführer im Bereich Fruchtzubereitung. Wenn Sie einen Fruchtjoghurt essen, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass dieser Fruchtteil von Agrana kommt, relativ hoch. Bei Agrana gab es eine Kapitalerhöhung, durch die sich der Streubesitz erhöht hat, was positiv ist. In der Folge ist der Kurs nach oben geschossen auf 120 bis 125 Euro. Jetzt bewegen sich Agrana gerade wieder bei 100 Euro – aus meiner Sicht ein klarer Kauf. Die Dividende ist mit 4 % attraktiv.- Auch Lenzing hat in diesem Jahr deutlich nachgegeben. Wie beurteilen Sie diesen Titel?Das sehe ich ebenfalls als Kaufchance. Als Lenzings Kurs vor kurzem bei 160 Euro war, haben alle geschrieben: “Lenzing ist jetzt nicht mehr zyklisch, nicht mehr abhängig von der Entwicklung der Basispreise, sondern ein eher defensives Unternehmen.” Das habe ich in dieser Reduktion nicht geteilt. Als es dann hieß, es kommen jetzt wieder neue Kapazitäten auf den Weltmarkt, wodurch die Faserpreise gedrückt werden, ist Lenzing von 160 auf 100 Euro gefallen. Jetzt sagen wieder alle, Lenzing sei sehr zyklisch – das glaube ich auch nicht. Die Wahrheit liegt irgendwo in der Mitte. Lenzing investiert in den kommenden drei, vier, fünf Jahren massiv, aber eben nicht in Quantität, sondern vor allem in Qualität in Form von Spezialfasern. Das wird sich rechnen. Daher ist das auf Sicht von drei, vier Jahren meiner Meinung nach bei Kursen von 100 Euro ein Top-Investment. Agrana und auch Lenzing sind, was Marktstellung und Managementqualität betrifft, für die kommenden Jahre aus meiner Sicht ausgezeichnet am Weltmarkt positioniert.- Welche Folgen könnte die neue Koalitionsregierung für den österreichischen Aktienmarkt haben?Grundsätzlich profitieren österreichische Unternehmen vor allem von der internationalen Marktstellung und hängen damit eher an der Entwicklung der Weltwirtschaft; der Einfluss der regionalen Politik wird daher tendenziell überschätzt. Die neue Regierung wird aber wohl einen wirtschaftsfreundlicheren Weg gehen als die ehemalige große Koalition – dies wird die Stimmung an der Börse Wien daher tendenziell unterstützen.—-Das Interview führte Carina Iris Kautz.