Die Fed ermöglicht Überrenditen
Rund um die Zinsentscheidungen der US-Notenbank sind häufig starke Bewegungen an den Aktienmärkten zu beobachten. Welche Ursachen dies haben könnte und wie Anleger dies ausnutzen können, dazu äußert sich im Gespräch mit der Börsen-Zeitung Michael Weber, Associate Professor für Finance an der Booth Business School der Universität Chicago.Von Stefan Schaaf, FrankfurtGeld verdienen kann so einfach sein. Achtmal im Jahr nach der Fed-Sitzung einen Future oder ETF auf den S & P 500 handeln, für alle Fälle einen Stop Loss setzen und eine Rendite von 2,5 bzw. 4,5 % auf Sicht von 45 Tagen erzielen. Um es gleich zu sagen, so einfach ist es natürlich nicht. Aber die Arbeit von Professor Michael Weber gibt einen Hinweis darauf, dass rund um die Zinsentscheidungen der US-Notenbank Federal Reserve Überrenditen erzielbar sind. Im Gespräch mit der Börsen-Zeitung erläuterte der Associate Professor für Finance an der Booth Business School der Universität Chicago den Ansatzpunkt seiner Forschung und zu welchen Ergebnissen er gekommen ist. Der akademische Weg des im Odenwald aufgewachsenen Weber führte über die Universitäten Mannheim und Berkeley.Es gilt als Allgemeinplatz, dass eine restriktive geldpolitische Entscheidung (bzw. Überraschung) die Aktienmärkte belastet und dass diese von expansiven Signalen der Notenbank profitieren. Mit dem Thema befasste sich um Jahr 2005 auch der damalige US-Notenbank-Präsident Ben Bernanke. Er postulierte eine Aktienmarktreaktion im Zeitfenster von 10 Minuten vor und 20 Minuten nach der Bekanntgabe des Zinsentscheids. Als im Jahr 2015 die beiden Ökonomen David Lucca (Federal Reserve Bank New York) und Emmanuel Mönch (Deutsche Bundesbank) ein Papier zum gleichen Thema publizierten, schlug dies Weber zufolge ein wie eine Bombe. Der Grund: Die Autoren legten dar, dass seit dem Jahr 1994 60 bis 80 % der Mehrerträge am Aktienmarkt bereits in den 24 Stunden vor dem Fed-Zinsentscheid aufliefen – und zwar unabhängig davon, ob die Zinsentscheidung restriktiv oder expansiv ausfällt. “Mit der Standardtheorie ist diese Beobachtung schwierig zu erklären”, sagt Weber.Weber und sein Co-Autor Andreas Neuhierl, Professor für Finance an der Universität Notre Dame (US-Bundesstaat Indiana), haben an dieser und ähnlichen Arbeiten für ihr 2018 vom National Bureau of Economic Research veröffentlichtes Working Paper “Monetary Momentum” angesetzt. Sie haben das “Event-Fenster” auf 20 Tage vor und nach dem Fed-Zinsentscheid angesetzt. Der Zeitraum habe sich daraus ergeben, dass sich auf diese Weise Überlappungen zwischen zwei Zinsentscheiden verhindern lassen. Das Ergebnis nach Webers Worten: “Bei einer expansiven Geldpolitik driften die Aktienmärkte 20 bis 25 Tage nach oben – und umgekehrt bei restriktiver Geldpolitik nach unten. Die Drift ist konträr zu Effizienzmarkthypothese.”Die Effizienzmarkthypothese geht auf Eugene Fama zurück, an den im Jahr 2013 der von der schwedischen Notenbank vergebene Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften (quasi der Wirtschaftsnobelpreis) verliehen wurde. Sie besagt, dass alle Informationen in den Marktpreisen enthalten sind und daher keine Überrenditen über den Markt hinaus – sogenanntes Alpha – zu erzielen sind. Einer der stärksten Kritiker dieser Hypothese ist Famas Co-Preisträger Robert Shiller, der durch das Buch “Irrationaler Überschwang” bekannt wurde.Weber und Neuhierl fassen die Ergebnisse ihrer Arbeit wie folgt zusammen: “Wir dokumentieren eine große Drift rund um die geldpolitische Ankündigung des Offenmarktausschusses. Aktienerträge beginnen 25 Tage vor einer expansiven geldpolitischen Überraschung sich zu bewegen, wohingegen sie bei einer restriktiven Überraschung sinken.” Und weiter: “Die kumulative Renditedifferenz zwischen expansiven und kontraktiven politischen Entscheidungen beträgt 2,5 % bis zum Tag der geldpolitischen Entscheidung und steigt weiter auf mehr als 4,5 % 15 Tage nach der Entscheidung.” Der Wert von 2,5 % gilt für restriktive, der von 4,5 % für expansive Überraschungen. Auch der Dax betroffenDieser Effekt bleibt übrigens nicht auf die US-Aktienmärkte beschränkt, sondern sei auch bei anderen wichtigen Aktienindizes wie dem Dax zu beobachten. “Offenbar liegt das daran, dass die US-Geldpolitik auf den Rest der Welt überschwappt”, sagt Weber. Hinzu komme, dass Fondsmanager, wenn sie bullish oder bearish für Aktien sind, dies global in ihrer Allokation umsetzen. Wenn sie US-Aktien kaufen oder verkaufen, dann oft auch solche aus Europa.Für diesen Trend hat Weber zwei mögliche Erklärungen parat. “Die Akteure am Aktienmarkt schauen sich die gleichen öffentlich zugänglichen Konjunkturdaten wie die Federal Reserve an und kommen auf dieser Basis zu gleichen Einschätzungen wie die Notenbank”, lautet sein erster Erkläransatz. Der zweite dreht sich um die am Finanzmarkt immer wieder diskutierte Frage, ob es undichte Stellen in der Fed gibt und durch dieses Leck Informationen auf den Markt strömen. “Es gibt offenbar einen informellen Austausch mit Marktteilnehmern, um Disruptionen oder Schocks im Moment der Bekanntgabe des Zinsentscheides zu verhindern”, sagt Weber.Und wie lässt sich dies nun in eine Anlagestrategie umsetzen? Zunächst benötige ein Anleger natürlich eine Einschätzung darüber, ob ein Zinsentscheid restriktiv oder expansiv wirkt. Dementsprechend müsste er dann eine Long- oder eine Short-Position auf den Aktienmarkt nehmen, beispielsweise durch den Future oder einen ETF auf den wichtigsten US-Aktienindex S & P 500. Anleger würden damit eine Art Momentum- oder Trendfolge-Strategie einschlagen, erläutert Weber. Im Working Paper heißt es dazu: “Eine einfache Market-Timing-Strategie, die die monetäre Momentumstrategie wie von uns dargestellt nutzt, verbessert die Sharpe-Ratio eines Buy-and-Hold-Investors um den Faktor 4, und Investoren können die Strategie in Echtzeit umsetzen.” Die Sharpe-Ratio gibt die Überrendite gegenüber dem risikofreien Zinssatz an, im Fall der US-Aktienmärkte also der von US-Staatsanleihen.Allerdings schließt die Arbeit, wie es sich für ein akademisches Werk gehört, damit, dass weitere Forschungen in Zukunft nötig seien.