Die jungen Wilden der Fondsbranche

Wie Investmentboutiquen durch das Umfeld aus Niedrigzins und Aktienrekorden navigieren

Die jungen Wilden der Fondsbranche

Investmentboutiquen können meistens freier agieren als die großen Assetmanagement-Konzerne. Drei noch vergleichsweise kleine Firmen stellten ihre Ansätze vor, angesichts der Herausforderungen der Aktien- und Anleihenmärkte für die Anleger attraktive Renditen bei moderatem Risiko zu erzielen. Von Wolf Brandes, FrankfurtVor 20 Jahren hat Henrik Muhle bei DJE Kapital ein Praktikum gemacht und ist so in die Branche hineingekommen. Mentor Jens Ehrhardt verfolgt Muhles Boutique Gané (Vermögen: 4 Mrd. Euro) mit Wohlwollen. Das Prinzip, das beide eint: Weniger verlieren, wenn es abwärtsgeht und mit dabei sein, wenn es nach oben geht. Die Bande zwischen den alten und den jungen Profis ist dabei erstaunlich eng. Marc Profitlich von der Profitlich Schmidlin AG (300 Mill. Euro) hat ein Praktikum bei der Flossbach von Storch gemacht, die heute bei der Boutique mit 10 % beteiligt ist. Drei Firmen am StartAnlegen in Niedrigzinsphase bei Rekordniveaus am Aktienmarkt ist das Thema einer Veranstaltung von drei Investmentfirmen am Mittwoch ins Frankfurt. Neben Muhle und Profitlich ist die Loys AG (1,5 Mrd. Euro) als dritter Anbieter bei der Präsentation vor Vertriebsleuten und Finanzexperten am Start. Organisiert hat die Veranstaltung Hauck & Aufhäuser. Es geht darum, in schwierigen Marktsituationen eine Nische zu finden und auf fundamentaler Basis attraktive Einzeltitel auszuwählen.Im Detail unterscheiden sich die Ansätze durchaus. Muhle sieht besorgt auf den Börsenzyklus, der befeuert werde durch niedrige Zinsen, und fragt sich, wie teuer Aktien eigentlich werden können. Bei der Analyse der Kennzahlen ist seinem Haus aufgefallen, dass der freie Cashflow, aus Gané-Sicht die wichtigste Kennziffer, noch vergleichsweise günstig aussieht. Von anderen Kennzahlen wieder Dividendenrendite hält der Anlagefachmann wenig. Muhle beklagte auch, dass viel Venture Capital in das Risikosegment geflossen, in “wacklige Wachstumsstorys”. Wagniskapital ohne Innovation sei auf Dauer nicht tragfähig, den Eigenkapitalmarkt hält er für “verrückt”. Niedrige Zinsen und hohe Bewertungen – aus Sicht der drei Portfoliomanager ändert das nichts daran, dass fundamentale Titelauswahl die Wahl der Stunde ist. Fangnetz für Aktien Für ein gemischtes Portfolio gehören Anleihen mit dazu, doch hier sei die Auswahl noch anspruchsvoller. Bei Gané setzt man auf Titel in norwegischer Krone. Die Währung hätte 40 % abgewertet, während die Wirtschaft gesund sei und das Land positive Zinsen biete. Muhle hält das Rückschlagpotenzial für gering und sieht eher die Chancen, wenn es wieder zu einer Euro-Krise kommt.Marc Profitlich hat in seinem Portfolio ebenfalls Anleihen allokiert. Es geht dabei weniger um klassische Anleihen, sondern Papiere in Sondersituation. Beispielsweise Staatsanleihen, die in Fremdwährung notieren und die bei ihren Klauseln bestimmte Kündigungs- und Rückzahlungsrechte vorsehen, die von der Masse der Investoren übersehen werden. Anleihen aus Sondersituationen seien nicht zinssensitiv, d. h., sie würden bei steigenden Zinsen nicht fallen. Um solche Titel zu finden, arbeiten sich Profitlich und sein Kollege durch die Prospekte und gehen Klausel für Klausel durch.Sondersituationen sind auch das Thema von Profitlich bei der Aktienallokation. Neben einem fundamentalen Basisportfolio setzt er zu 25 % auf Titel, die von Übernahmen profitieren und bei denen das deutsche Übernahmerecht einen gewissen Schutzmechanismus bietet. Dabei geht es um die Kompensation, die unter Umständen zu zahlen ist und die zusätzliche Sicherung darstellt. Der Abfindungspreis sei ein “Fangnetz” für seine Investments und damit erreiche er die gewünschte asymmetrische Risiko-Rendite-Verteilung. Zu den größten Positionen im Portfolio zählen Axel Springer, aber auch Stada und Linde sind Titel, in die er investiert ist. Solche Positionen seinen eher anleiheähnlich und hätten nicht das Profil eines Aktieninvestments.Angesichts der Aktienrekorde ist auch Ufuk Boydak von Loys skeptisch gestimmt und bezweifelt, dass der seit März 2009 andauernde Aufschwung von Dauer ist. Unterschiedliche Faktoren macht er für Entwicklung verantwortlich. Dabei steht für ihn an erster Stelle eine zunehmende Dominanz des Aktienhandels durch Derivate und passive Investments wie ETFs. Diese würden ihren Siegeszug weiter fortsetzen und in zwei bis drei Jahren das aktiv gemanagte Geld überholen. Ungeachtet der Risiken durch diese Entwicklung wird man auch bei Loys fündig auf der Suche nach attraktiven Titeln. Value in der SinnkriseLoys stellt fest, dass das Value-Investment in der schwersten Sinnkrise steckt, die es je gehabt hat. Bei der Selektion sei es daher noch wichtiger, darauf zu achten, wie Unternehmen im Kerngeschäft aufgestellt sind, dass es eine marktführende Stellung habe und in einem wachsenden Markt tätig sei. Positiv sei außerdem ein eingeschränkter Wettbewerb. Dazu passt aus seiner Sicht der Value-Titel Nestlé nicht mehr, da zu hoch bewertet – trotz aller Kontinuität der Zahlen. Investiert ist das Haus dagegen in den Fährenbetreiber DFDS und in den französischen Immobilienentwickler Nexity.Die drei unabhängigen Vermögensverwalter spielen auf demselben Platz wie Ehrhardt, Flossbach von Storch & Co. Sie setzen die Tradition fort – und haben die Hoffnung, einmal so groß zu werden. Doch bis dahin ist noch ein weiter Weg.