VOLATILITÄTS-CHECK -- GASTBEITRAG

Die Marktteilnehmer blenden die Risiken aus

Börsen-Zeitung, 6.3.2019 In den ersten beiden Monaten des Börsenjahres 2019 kannten die Aktienmärkte nur eine Richtung: nach oben. In der Hoffnung auf schnelle Lösungen bei den großen politischen Themen, allen voran dem Handelskonflikt zwischen den...

Die Marktteilnehmer blenden die Risiken aus

In den ersten beiden Monaten des Börsenjahres 2019 kannten die Aktienmärkte nur eine Richtung: nach oben. In der Hoffnung auf schnelle Lösungen bei den großen politischen Themen, allen voran dem Handelskonflikt zwischen den USA und China, wurden Aktien gekauft.Chinesische Aktienindizes wie der CSI 300 notieren so hoch wie zuletzt im Mai letzten Jahres. Vom Dreijahrestief im Januar des aktuellen Jahres ist das ein Anstieg um beachtliche 32 %. In den Vereinigten Staaten ist der Russell 2000 von seinem Dezembertief um 26 % nach oben geklettert und wird bereits wieder so hoch gehandelt wie zuletzt zu Beginn des Kursverfalls im Oktober 2018. Da nimmt sich die Erholung des Dax um 14 % geradezu bescheiden aus. Ist diese Rally nachhaltig oder haben sich die Aktienmärkte (mal wieder) von der Realität abgekoppelt? Ein Scheitern der Handelsgespräche ist nach wie vor möglich. Die Erwartungskomponente des Ifo-Geschäftsklimaindex steht auf einem Siebenjahrestief. Die Gewinne der Unternehmen im Dax sowie im Hang Seng China Enterprise Index sind bereits zweistellig zurückgegangen. Ist all dies tatsächlich in den aktuellen Kursen eingepreist?Bei den Profianlegern macht sich bereits Misstrauen breit. Sichtbar wird das an einer zunehmenden Nachfrage nach Put-Optionen zur Absicherung. Mit dem Kursanstieg hat sich die Differenz zwischen ausstehenden Put- und Call-Optionen kontinuierlich ausgeweitet. Beim Euro Stoxx 50 ist der Vorsprung der Put-Optionen mittlerweile so hoch wie seit Dezember 2017 nicht mehr – damals ein zuverlässiger Frühindikator für die Turbulenzen Anfang 2018. Noch extremer ist die Situation bei den asiatischen Indizes. Beim Hang Seng China Enterprise Index übersteigen die ausstehenden Put-Optionen die ausstehenden Call-Optionen so stark wie nie in der 15-jährigen Datenhistorie. Auch beim exportabhängigen japanischen Nikkei 225 ist diese Differenz auf einem Extremwert angekommen (hier gehen die Daten sogar bis ins Jahr 2002 zurück). Für Profianleger ist die Sache also klar: Die politischen Themen – wie etwa der Handelskonflikt – sind mit gutem Willen von beiden Seiten lösbar. Einen wirtschaftlichen Abschwung und die damit verbundenen Kursrückgänge an der Börse wird das aber nicht verhindern.Auch die Entwicklung der impliziten Volatilität mahnt zur Vorsicht. Trotz Kursgewinnen steigt die implizite Volatilität des Hang Seng China Enterprise Index seit der zweiten Februarwoche wieder an. Vor gut einem Jahr kündigte ein beginnender Anstieg der impliziten Volatilität in einem Umfeld gleichzeitig steigender Aktienkurse den anschließenden Ausverkauf zuverlässig an. Stark überkauftDazu kommt, dass viele Aktienindizes technisch bereits stark überkauft sind. Besonders deutlich wird dies in China. Ähnlich stark überkauft wie aktuell war der CSI 300 zuletzt vor den beiden großen und schmerzhaften Verkaufswellen der Jahre 2015 und 2018. Auch US-Indizes wie der Russell 2000 und Euro-Indizes wie der Euro Stoxx 50 haben hier Niveaus erreicht, die als überkauft gelten.Open Interest, implizite Volatilität und die Markttechnik liefern dieselbe Prognose. Diese sollte als Warn- und Alarmsignal ernst genommen werden. Die Risikofaktoren sind in der Wahrnehmung zuletzt in den Hintergrund getreten. Sie sind aber unverändert präsent.—-Thomas Altmann, Leiter des Portfolio-Managements, QC Partners