SERIE AKTIEN-RESEARCH (7): KLEINERE ANALYSEHÄUSER

Die Nische wird nicht verschwinden

Mifid II führt zu Verlagerung von Sellside- zu Buyside-Angebot - Flexibilität und neue Modelle gefragt

Die Nische wird nicht verschwinden

Welche Folgen hat die Finanzmarktrichtlinie Mifid II auf das Aktien-Research kleinerer Adressen? Auch wenn die Details noch offen sind, der Trend dürfte in Richtung eines spezialisierteren Buyside-Researchs gehen – was kleinere Anbieter unter Druck setzt, aber auch Chancen für sie bedeutet.Von Dietegen Müller, FrankfurtEuropaweit zählen die Großbanken Morgan Stanley, BNP Paribas, Bank of America Merrill Lynch, UBS und J.P. Morgan laut der aktuellen Umfrage des Datendienstes Extel zu den führenden Aktienanalysehäusern. Die deutschen Adressen auf den vorderen Rängen sind die Deutsche Bank (6) vor Berenberg (16) und Mainfirst (22). Kleinere Häuser oder sogenannte unabhängige Anbieter, die ihre Produkte nicht vornehmlich auf Basis von Brokerage-Gebühren finanzieren, sind damit untervertreten.Durch Mifid II erwarten Marktbeobachter nun die Herausbildung eines regionalen Preises für Research und eine Verlagerung vom Sellside-Research hin zu spezialisiertem Buyside-Research, wie sie im Gespräch mit der Börsen-Zeitung erklärten. Hans-Peter Fliegel, Geschäftsführer des Researchhaus LFG Value, erwartet etwa, dass sich “der Preis für Research europaweit über die nächsten Jahre einpendeln” wird. Kein neuer TrendIm Markt wird davon ausgegangen, dass es zu einem Verdrängungskampf unter mittelgroßen Adressen kommen dürfte und große Buyside-Häuser selbst Research-Teams aufbauen oder auf Kooperationspartner setzen. Schätzungen zufolge sind die Fixkosten im Research hoch und werden auf bis 50 000 Euro oder 100 000 Euro oder mehr je gecovertem Unternehmen veranschlagt.Neu ist die Konsolidierung aber nicht. Schon nach dem Zusammenbruch des Neuen Markts sei die Research-Branche ziemlich umgepflügt worden, erinnert sich Pierre Drach von Independent Research. Etliche Teams seien damals in größere Häuser eingegliedert worden. Sein Haus ist mit derzeit 15 Analysten der größte Anbieter von sogenanntem White-Label-Research, also von Studien, die im Auftrag Dritter erstellt und unter deren Namen vertrieben werden.Zum Kundenstamm gehören die WGZ Bank – die gerade mit der DZ Bank zusammengeht -, BayernLB, Helaba, Bethmann und die National-Bank. Wenn Research separat bezahlt werden muss, sei “Mehrwert” notwendig, wie etwa der exklusive Zugang für Investoren zum Management von Unternehmen. “Ich glaube, dafür sind Institutionelle bereit, zu zahlen”, so Drach.Er selbst sieht dabei sein Haus gut positioniert, da es nicht von Brokerage-Fees lebt. Eine weitere Einnahmequelle sind zudem die Emittenten selbst. “Es geht hier auch um eine andere Einstellung: Ratingagenturen werden von den Unternehmen, die sie bewerten, auch bezahlt. Warum sollte das im Research verwerflich sein? Es wird ja die Analyse bezahlt, und nicht die Bewertung. Das muss strikt getrennt werden”, sagt Drach.Wie Research künftig bezahlt werden dürfte, ist noch offen, da die Europäische Wertpapieraufsicht ESMA am Feinschliff der entsprechenden delegierten Richtlinie (vgl. Text im Kasten) arbeitet. Kai Jordan von der Wertpapierhandelsbank MWB Fairtrade meint, es gebe gemäß des “Delegated Act” zwei Wege, wie Research von Buyside-Adressen künftig bezahlt werden dürfte: entweder über die Gewinn-und-Verlust-Rechnung der Kapitalanlagegesellschaft oder über ein separates Budget, das aus Kundengeldern finanziert wird. Zwar sehe die Regulierung einen Split von Kommissionen zwischen Execution und Research vor, aber das ändere nichts an den Regeln, “da der Research-Anteil letztlich dem Budget zugeordnet werde”. Über das Budget bestehe eine Deckelung für Research-Ausgaben. Emittenten müssen zahlenJordan glaubt, ein Teil der Research-Kosten sei künftig von Emittenten zu tragen. “Gerade kleinere und mittelgroße Unternehmen müssen sich eine Abdeckung durch Research schaffen”, sagt der frühere Steubing-Chef. Dies biete eine Chance für kleinere Research- und Investor-Relations-Spezialisten. Mifid II werde das Sellside-Research “weiter zunehmend am meisten treffen”. Jordan zufolge plant MWB Fairtrade ihrerseits Kooperationen in den deutschsprachigen Ländern “mit unabhängigen Research-Anbietern”.Hans-Peter Fliegel, Geschäftsführer von LFG Value, sagt, viele kleinere und mittelgroße Kapitalsammelstellen hätten sich noch nicht eingehend mit den Folgen von Mifid II auseinandergesetzt. Sein Haus, das eng mit dem französischen Research-Anbieter Alpha Value zusammenarbeitet, werde nicht von den Emittenten, sondern größtenteils weiter über Wertpapieraufträge von den Investoren für den Zugang zum Alpha Value Research bezahlt – also von Buyside-Adressen. Research auf AboFliegel erwartet, dass Research zukünftig nur noch auf Rechnung respektive Abonnements an interessierte institutionelle Investoren verschickt wird. Durch die zusätzlich anfallende Umsatzsteuer werde das Research aber zumindest kurzfristig 19 % teurer in Deutschland. Das bedeute, der finanzielle Spielraum für Research-Dienstleistungen schrumpfe. Auf jeden Fall würden große Kapitalmarktsammelstellen, die ein eigenes Buyside-Research betreiben können, gegenüber kleineren Assetmanagement-Gesellschaften von Mifid II profitieren, so Fliegel. Research kann mit Ordervergabe bezahlt werden, aber das muss transparent gemacht werden.Nicht alle Adressen äußern sich auf Anfrage zum Thema, so etwa hält sich Mainfirst bedeckt. Demgegenüber erklärt Klaus Schlote, einer von zwei Leitern des Research der Wertpapierhandelsbank Solventis, dass Flexibilität zähle, und die habe die Mainzer Bank. “Wir sind Preisnehmer und passen uns an.” Solventis verkaufe heute schon bestimmte Research-Produkte direkt an Investoren und Emittenten. Er beobachte auch mehr Anfragen, wie hoch der Anteil des Research an der Handelsmarge sei, so Schlote. Er sieht in der Nische aber keinen härteren Wettbewerb durch Mifid II: “Hier ändert sich nicht viel.” Sein Haus lasse sich vertraglich Unabhängigkeit vom Auftraggeber zusichern, und es mache Sinn, nach einer Emission das Unternehmen auch langfristig zu begleiten, etwa im Bereich der Unternehmensberichterstattung.Auch für Anlageberater stellt sich die Frage der Research-Kosten. Sie haben keine Möglichkeiten, per Scheck die Broker für ihr Research direkt zu bezahlen. Ein unabhängiger Vermögensverwalter erklärt etwa, er nutze primär Eigenresearch mit Hilfe der Datenbanken von Capital IQ und Bloomberg. Solche Datendienstleister können sich deshalb ebenfalls als Gewinner sehen.—-Zuletzt erschienen:- Ansichtssache Ralf Frank, DVFA: Es ist an der Zeit, Research neu zu denken (12. August)- Bankhaus Metzler: “Wir wollen stets tief graben” (16. August)- LBBW steht zum Vollsortiment (23. August)