DEVISENWOCHE

Die Politik der Fed unterstützt den Dollar

Von Ulrich Leuchtmann *) Börsen-Zeitung, 4.11.2014 Die US-Notenbank Fed ist in einer im Vergleich zu anderen Notenbanken außergewöhnlich komfortablen Situation: Sie kann mit der Performance der US-Wirtschaft einigermaßen zufrieden sein. Das...

Die Politik der Fed unterstützt den Dollar

Von Ulrich Leuchtmann *)Die US-Notenbank Fed ist in einer im Vergleich zu anderen Notenbanken außergewöhnlich komfortablen Situation: Sie kann mit der Performance der US-Wirtschaft einigermaßen zufrieden sein. Das ermöglicht ihr eine Geldpolitik, die sich immer deutlicher von denen anderer Notenbanken unterscheiden dürfte. Und dieser Unterschied ist ein starkes Argument für den Dollar. In den Jahren unmittelbar nach der Großen Rezession 2008/09 dominierten im Offenmarktausschuss (FOMC) der Fed die Stimmen, die der “klassischen” Auffassung von Konjunkturzyklen das Wort redeten: Die US-Wirtschaft müsse lange Zeit deutlich über Potenzialgeschwindigkeit wachsen, damit eine angebliche “Output-Lücke” geschlossen werde. Nur so seien Überkapazitäten am Arbeitsmarkt abzubauen, d.h. nur so sei die unakzeptabel hohe Arbeitslosenquote schnell in akzeptable Bereiche zurückzuführen. Die Falken haben rechtDie Minderheit der Falken im FOMC stammt überwiegend aus einer anderen konjunkturtheoretischen Schule. Sie halten die Effekte von Rezessionen typischerweise für dauerhaft. In ihrer Vorstellung wächst eine Wirtschaft nach einer Rezession wieder mit Potenzialgeschwindigkeit, aber eben nicht schneller. Eine “Output-Lücke” existiert in ihrer Vorstellungswelt nicht. Höhere Arbeitslosigkeit ist nach ihrer Vorstellung vor allem Anpassungsarbeitslosigkeit, die daraus resultiert, dass die Art und Weise, wie eine Volkswirtschaft arbeitet, durch eine Rezession geändert wird. So zerstörte die Große Rezession vor allem US-Jobs im Bau und im verarbeitenden Gewerbe; in den Jahren danach wurden Jobs vor allem im Gesundheits- und Bildungswesen geschaffen. Die Anpassung des Arbeitskräftepotenzials an die neue Struktur dauert. Nicht Geldpolitik, sondern klassische arbeitsmarktpolitische Instrumente (Fortbildung, Flexibilisierung des Arbeitsmarktes etc.) können demnach den Anpassungsprozess beschleunigen. Die Entwicklung seit Ende der Großen Rezession gibt den FOMC-Falken recht: Die Arbeitslosenquote sinkt im Trend deutlich, obwohl die US-Wirtschaft seit Ende der Rezession im Schnitt “nur” mir 2,3 % p. a. wächst – also mit kaum mehr als Potenzialgeschwindigkeit. Lange war die FOMC-Mehrheit vom Wachstum enttäuscht, aber von der Performance des US-Arbeitsmarktes positiv überrascht. Mit größerem zeitlichem Abstand von der Großen Rezession lässt die Dringlichkeit, mit der die FOMC-Mehrheit auf ein Schließen einer angeblichen “Output-Lücke” dringt, nach. Das Argument wird im Zeitablauf einfach immer absurder und damit weniger gewichtig. Unabhängig von den Schwankungen seitdem ist das das stärkste Argument dafür, dass die Fed ihre Geldpolitik normalisiert. Nach Beendigung des Wertpapierkaufprogramms dürfte die Normalisierung (d. h. Anhebung) des Leitzinses bald folgen.Damit fällt für Währungen, die bislang noch einigermaßen attraktive Zinsen boten (z. B. australischer und neuseeländischer Dollar, aber auch Währungen von Schwellenländern) das Argument des Zinsvorteils gegenüber dem Dollar fort, wird zumindest deutlich geringer. Und somit wird sich die Spreu vom Weizen trennen: Währungen, für die jahrelang nichts anderes als das Zinsargument sprach, dürften unter die Räder kommen. Für Australiens und Neuseelands Währung gilt das momentan insbesondere, denn es droht Ungemach von Seiten der Konjunktur Chinas. Der Export beider Länder ist mittlerweile so sehr auf das Reich der Mitte konzentriert (Australien: 35 %, Neuseeland: 20 %), dass nachhaltige Wachstumsschwäche dort die Währungen beider Länder überproportional belasten würde. Zumal die Zentralbanken beider Länder dann nicht – wie üblich – der Fed-Zinspolitik folgen könnten, wenn ihre Exportsektoren unter einem Einbruch der Ausfuhren nach China leiden würden. Der Zinsvorteil von australischem und neuseeländischem Dollar könnte sich in solch einem Szenario also nachhaltiger verringern, als das üblicherweise in US-Zinserhöhungszyklen der Fall ist.Noch schlimmer sieht es für Euro und Yen aus. Denn sowohl die Europäische Zentralbank als auch die Bank of Japan (BoJ) werden noch lange, lange Zeit zu expansiven Geldpolitiken verdammt sein. In Japan steht der Erfolg der Abenomics – insbesondere das Erreichen des 2-Prozent-Inflationsziels – auf dem Spiel. Die Steuererhöhung vom Frühjahr konnte nur notdürftig die Tatsache verschleiern, dass Japans Inflation keine Anzeichen zeigt, langfristig in die Nähe der 2-Prozent-Marke zu gelangen. Insbesondere die Oktober-Preisdaten aus Tokio waren eine herbe Enttäuschung. Und Währungsschwäche ist nun einmal ein geeignetes Mittel, Inflation auch dann noch anzukurbeln, wenn klassische geldpolitische Instrumente schon lange versagen. BoJ und Japans Regierung sind somit zu einer Geldpolitik gezwungen, die den Yen schwächt. Letzte Woche war der Entschluss der BoJ, die Wertpapierkäufe auszudehnen, ein Schritt in diese Richtung. US-Zinserhöhungen können den Druck zu weiteren Schritten mildern. Letztendlich wird aber Japans Geldpolitik von der der USA immer mehr abweichen.Ähnlich sieht es im Euroraum aus. Über eine Normalisierung der Zinsen wird man hier sicherlich in den nächsten Jahren nicht nachdenken können. Im Gegenteil lautet die Frage auch hier eher, ob die EZB noch expansiver werden muss, ob sie ihr Wertpapierkaufprogramm noch ausweiten muss zu einem vollen “QE”-Programm, das Staatsanleihenkäufe beinhaltet.Selbst wenn es dazu nicht kommen sollte, bliebe es doch dabei: Mit wenigen Ausnahmen (Bank of England) ist die Fed die einzige der großen Zentralbanken, die ihre Geldpolitik in absehbarer Zeit normalisieren dürfte. Das ist der qualitative Unterschied der Fed-Politik, der mittelfristig zu einem stärkeren US-Dollar führen dürfte. Timing und Geschwindigkeit der Fed-Zinserhöhungen dürften über Timing und Ausmaß der Dollar-Aufwertung entscheiden. Und übertriebene Positionierungen können natürlich stets Rückschläge erzeugen. Wer genug Geduld mitbringt, solche Phasen auszusitzen, dürfte mittelfristig belohnt werden.—-*) Ulrich Leuchtmann ist Leiter des Devisen-Research der Commerzbank.