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Die Politik treibt die brasilianische Währung

Von Martin Marinov *) Börsen-Zeitung, 12.4.2016 Der brasilianische Real hat seit dem Start des Taperings der US-Notenbank hat ca. 50 % an Wert eingebüßt. Er zählt seither zu den schwächsten Währungen innerhalb der Emerging Markets. Die Reduktion...

Die Politik treibt die brasilianische Währung

Von Martin Marinov *)Der brasilianische Real hat seit dem Start des Taperings der US-Notenbank hat ca. 50 % an Wert eingebüßt. Er zählt seither zu den schwächsten Währungen innerhalb der Emerging Markets. Die Reduktion der Anleihekäufe durch die Fed und die erste US-Leitzinsanhebung im vergangenen Jahr waren aber nur zwei von vielen Faktoren, die ausschlaggebend dafür waren, dass der Real in eine Negativspirale geraten ist. Die meisten davon haben mit Politik zu tun – und zwar mit der der brasilianischen Regierung rund um Dilma Rousseff.Schon seit Monaten steckt das Land nicht nur in seiner schwersten Rezession seit nahezu 100 Jahren, sondern auch tief im politischen Sumpf. Regierungsgegner fordern regelmäßig den Rücktritt von Präsidentin Rousseff. Im letzten Dezember hat das Parlament ein Amtsenthebungsverfahren gegen Rousseff eingeleitet, in dem ihr Budgettricks vorgeworfen werden. Die Abstimmung im Parlament wird für Mitte April erwartet.Für eine Anklageerhebung sind zwei Drittel der Abgeordnetenstimmen notwendig, danach entscheidet der Senat über die Amtsenthebung. Darüber hinaus geht es unter anderem um gesetzeswidrige Finanzierung ihrer Wahlkampagne mit öffentlichen Mitteln bzw. Korruption bei Auftragsvergaben des halbstaatlichen Ölkonzerns Petrobras, dessen Aufsichtsratsvorsitzende sie von 2003 bis 2010 war. Eine Sonderkommission soll Klarheit darüber schaffen, was an den Vorwürfen stimmt. Amtsenthebung möglichMit der Nominierung von Ex-Präsident Luiz Inácio Lula da Silva als Kabinettschef (was diesen besser vor einer drohenden Untersuchungshaft geschützt hätte), war das Fass für den größten mitregierenden Koalitionspartner, die zentristische Partei der Demokratischen Bewegung (PMDB), endgültig voll. Ende März verkündete sie den sofortigen Austritt aus dem Bündnis mit Rousseffs linker Arbeiterpartei (PT). Mit dem Bruch der Koalition hat die politische Krise des Landes nochmals einen neuen Höhepunkt erreicht. Selten war eine Regierung Brasiliens auf derart breiter Basis so unpopulär wie die amtierende. Eine Amtsenthebung von Rousseff wird immer wahrscheinlicher und ein absehbares Ende der politischen Pattsituation mit einem Wechsel an der politischen Spitze rückt näher. Das sehen auch die Finanzmärkte so. Das antizipierte baldige Ende der Ära Rousseff hat dem brasilianischen Real im März Auftrieb gegeben. Der Real wertete um rund 10 % auf, die Politik war hier eindeutig ein wichtiger Treiber.Doch bleibt für Investoren Vorsicht geboten, denn die Nachhaltigkeit dieses Trends ist mehr als zweifelhaft und etwaige positive Veränderungen auf politischer Ebene sind vom Markt inzwischen eingepreist. Im Fall der baldigen Amtsenthebung Rousseffs würde Vizepräsident Michel Temer (PMDB) übernehmen; gegen ihn könnte aber auch ein Impeachment-Verfahren eingeleitet werden. Darüber hinaus hat Brasilien – ebenso wie viele andere rohstoffexportierenden Emerging Markets (wie beispielsweise Russland, Südafrika sowie die meisten Länder in Lateinamerika) – mit den negativen Folgen der niedrigen Rohstoffpreise und der globalen Sorge um die wirtschaftliche Weiterentwicklung Chinas zu kämpfen.Und die stark negative Verschuldungsdynamik – gekoppelt mit Inflationsproblemen, die sich aufgrund der schwachen Währung verstärkten – wirkt ebenfalls negativ auf den Gesamtzustand der brasilianischen Wirtschaft. Zinsen könnten sinkenIm Zuge der jüngsten Währungsaufwertung hat die brasilianische Zentralbank ihre Ausrichtung geändert und ihre Programme zur Unterstützung der Währung zurückgefahren. Sollte es zu einer nachhaltigen Stabilisierung kommen, könnte die Notenbank aufgrund des nachlassenden Inflationsdrucks als nächsten Schritt eine Zinssenkung in Erwägung ziehen, um so die Konjunktur anzukurbeln. Bemerkenswert ist auch, dass seit Dezember 2015 die Direktinvestitionen wieder deutlich anziehen. Ein klares Zeichen dafür, dass ausländische Investoren wieder Hoffnungen in das Land setzen. Auch Kapital- und Leistungsbilanz haben sich innerhalb von nur einem Jahr sehr stark verbessert. Ein gewichtiges Argument für viele Investoren, Brasilien wieder auf ihre Liste zu setzen.Zusammenfassend zählt Brasilien wohl zu den Ländern, die nach und nach wieder ins Interesse der Anleiheinvestoren rücken. Die Renditen zählen jedenfalls zu den attraktivsten innerhalb der Emerging Markets. Doch das Land braucht in erster Linie eine handlungsfähige Regierung mit breitem Konsens für umfassende strukturelle Reformen, um als stabiler Investitionsmarkt zu überzeugen. Doch Reformen brauchen Zeit, und die wird man auch einer neuen Regierung zugestehen müssen.—-*) Martin Marinov ist bei Raiffeisen Capital Management Fondsmanager in der Abteilung Anleihen mit den Schwerpunkten Zentral- und Osteuropa (CEE) sowie globale Schwellenländer.