Digitale Geldbörse auf dem Vormarsch

UBS: Kontaktloses Zahlen wird zum Massengeschäft - Analysten favorisieren Wincor Nixdorf und Monitise - Von Gemalto wird abgeraten

Digitale Geldbörse auf dem Vormarsch

amb Frankfurt – Die digitale Geldbörse kommt: Mit dem iPhone 6 inklusive Apple Pay bekommt das kontaktlose Bezahlen ohne PIN-Eingabe und Giro- oder Kreditkarte nach Einschätzung von Marktbeobachtern einen gewaltigen Schub. Möglich wird das Bezahlen per Smartphone durch die sogenannte Nahfunktechnik, kurz NFC (Near Field Communication). Pionier ist Apple hier nicht, Samsung und Nokia bieten bereits Geräte mit NFC an. Durchsetzen konnte sich die Technik bislang aber noch nicht. Katalysator Apple PayDas wird sich nach Einschätzung vieler Analysten jetzt aber ändern. “Apple Pay wird wahrscheinlich zum Katalysator für die Akzeptanz des mobilen Bezahlens”, erklären die Analysten in einer Studie. Der Grund: die enorme Popularität von Apple. Allein in den ersten drei Tagen soll das Unternehmen 10 Millionen iPhones der neuesten Generation verkauft haben. Das Schweizer Institut hat die Markteinführung des iPhone 6 daher zum Anlass genommen, die im Bereich elektronischer Zahlungsverkehr tätigen europäischen Adressen, kurz: Financial-Technology-Unternehmen, genauer unter die Lupe zu nehmen – und kommt zu zum Teil überraschenden Ergebnissen: Empfohlen werden das in Paderborn ansässige Unternehmen Wincor Nixdorf und der britische Mobile-Money-Spezialist Monitise. Auf “Neutral” wird der französische Anbieter von Zahlungsverkehrslösungen Ingenico gesetzt. Beim niederländischen Unternehmen Gemalto, nach eigenen Aussagen weltweit führend in Sachen digitaler Sicherheit, wird hingegen zum Verkauf geraten. NFC-Technik setzt sich durchDie UBS-Analysten erwarten, dass sich die NFC-Technik durchsetzen wird. Damit würde die Giro- oder Kreditkarte lediglich durch das Smartphone ersetzt, die Infrastruktur bliebe unverändert. Revolutionärere Alternativen, vor allem die etwa von Starbucks angebotenen sogenannten unternehmensspezifischen “Wallet”-Systeme, bei denen der Nutzer eine Smartphone-App startet und sich automatisch mit dem Bezahl-Terminal im Geschäft, Restaurant oder Café verbindet, würden ins Hintertreffen geraten, aber durchaus weiter existieren. Völlig unterbewertetVoraussetzung für die Anwendung von NFC ist, wie die Bank erläutert, zum einen die Integration der Technik in Smartphones. Hier sei der Markt schon sehr weit, die UBS schätzt, dass mittlerweile rund 30 % der Smartphones NFC-fähig sind. Zum anderen müssten auch neuartige Kassensysteme, die mobiles Bezahlen möglich machten, installiert werden. Dazu komme die Sicherheitstechnik zur Authentifizierung des Käufers, etwa mittels SIM-Karte oder Fingerabdruck. Nicht zuletzt müssten sich auch Banken auf neue Formen des Bezahlens einstellen und entsprechende Technik integrieren. Nutznießer des Trends sind laut Studie Monitise und Wincor Nixdorf. Für völlig unterbewertet halten die Analysten Monitise; die Aktie wird erstmals beurteilt und auf “Buy” gesetzt, als Kursziel werden 80 Pence genannt, weit oberhalb der aktuellen Notierung von 27,05 Pence. Das Unternehmen werde indirekt von der Entwicklung hin zur digitalen Geldbörse profitieren, und zwar als Anbieter von Technologie für Banken. “Gut positioniert”Die Aktionäre von Monitise sitzen in diesem Jahr allerdings auf Verlusten: Während sich der Kurs in der zweiten Jahreshälfte 2013 noch fast verdoppelt hatte und Anfang 2014 auf über 82 Pence geklettert war, brach er danach ein. Zuletzt hatten Überlegungen des Kartenanbieters Visa, sich von seiner Beteiligung an Monitise zu trennen, für einen Kursrutsch gesorgt. Ebenfalls auf der Empfehlungsliste (“Buy”) der UBS steht Wincor Nixdorf, das Kursziel wird hier bei 52 Euro veranschlagt (aktuell 39,06 Euro). Das Unternehmen, bekannt vor allem als Hersteller von Geldautomaten und Kassensystemen, werde – anders als vielfach erwartet – unter dem neuen Trend nicht leiden. Zum einen habe der Geldautomat noch keineswegs ausgedient. Unter anderem aufgrund von Sorgen um die Sicherheit des bargeld- und kartenlosen Bezahlens werden nach Ansicht der Analysten nämlich für viele Jahre noch unterschiedliche Formen des Bezahlens nebeneinander existieren. Zum anderen müssten die Kassensysteme an die vielfältigen neuen Bezahlmethoden angepasst werden, Banken und Einzelhändler stünden somit vor großen Investitionen. “Was die Nachfrage nach Soft- und Hardware angeht, ist Wincor Nixdorf gut positioniert.” Russland belastetDie Wincor-Nixdorf-Aktie, die 2013 um 39 % gestiegen war, gehört in diesem Jahr zu den großen Verlierern an der Börse. Der MDax-Wert, der Ende 2013 noch bei 50,63 Euro gehandelt wurde und im Februar auf 58 Euro gestiegen war, kostete im August zwischenzeitlich nur noch 35,26 Euro. Vor allem das Russland-Geschäft läuft schlechter als erwartet, zudem belastet der Verfall von Währungen zahlreicher anderer Schwellenländer. Ingenico fair bewertetDer französische Spezialist für bargeldlose Transaktions- und Zahlungssysteme Ingenico wird, ebenfalls in einer Erstbeurteilung, auf “Neutral” gesetzt. Hier liegt das Kursziel bei 80 Euro (aktuell 80,15 Euro). Dem Unternehmen werde der Trend zum kontaktlosen Bezahlen in jedem Fall zugutekommen, heißt es, vor allem aufgrund der steigenden Nachfrage nach entsprechenden Terminals. Zum Ingenico-Produktsortiment gehören nämlich elektronische Terminals, E-Payment-Lösungen für Online-Shops, Signature Pads zum digitalen Erfassen von Unterschriften sowie Bezahlmodule für Smartphones.Allerdings wird die Aktie laut UBS bereits zu einem Aufschlag gehandelt, sowohl im historischen Vergleich als auch im Vergleich zur Peergroup. Die guten Wachstumsaussichten spiegelten sich ausreichend in der Bewertung wider. Mit Ingenico-Aktien lagen Anleger in den vergangenen Jahren genau richtig: Seit Anfang 2010 hat sich der Kurs verfünffacht, allein in diesem Jahr kletterte er um 33 % nach oben.Abgeraten wird von Gemalto, das Kursziel liegt hier bei 65 Euro und damit deutlich unter dem aktuellen Kurs von 70,66 Euro. Das Unternehmen werde vom Trend hin zum mobilen Bezahlen nicht profitieren. Die Analysten gehen nämlich davon aus, dass sich die von Gemalto angebotene Hub-Service-Technik für das Bezahlen per Smartphone nicht durchsetzen wird. Der Aktienkurs hatte sich zwischen Anfang 2012 und Ende 2013 mehr als verdoppelt, in diesem Jahr sind allerdings Verluste von rund 10 % zu verzeichnen. Auf dem richtigen WegAuch andere Analysten halten die Wincor-Nixdorf-Aktie im Übrigen für zu billig: Die Berenberg Bank hat vor kurzem die “Buy”-Einstufung für das Unternehmen mit einem Kursziel von 46 Euro bestätigt. Die stärkere Ausrichtung auf Software sei der richtige Weg, heißt es. Warburg Research rät ebenfalls zum Kauf (“Buy”), als Kursziel werden ebenso 46 Euro genannt. Auch den Warburg-Analysten zufolge könnte Apple Pay zu einem entscheidender Motor für die Durchsetzung von mobilen Bezahlmöglichkeiten werden. Die zunehmende Komplexität und die Vielzahl der Bezahlmöglichkeiten erforderten steigende Investitionen des Einzelhandels in entsprechende Hard- und Software.Equinet stuft Wincor Nixdorf auf “Accumulate” mit einem Kursziel von 43 Euro. Apple werde wohl kein Interesse haben, bei Apple Pay exklusiv mit dem Wincor-Rivalen NCR zusammenzuarbeiten, Wincor werde diesen Dienst voraussichtlich ebenfalls in ihre Kassensysteme integrieren. Für das Geschäft mit Bankautomaten bedeute diese Form des bargeldlosen Zahlens allerdings zusätzlichen Druck. iWatch überzeugt AnalystenBei Aktienanalysten kamen das neue iPhone und die iWatch unterdessen sehr gut an: Nach der Vorstellung der neuen Produkte stuften etwa Morgan Stanley und RBC Capital Apple auf “Overweight” (Kursziele 110 und 114 US-Dollar), die australische Investmentbank Macquarie votierte mit “Outperform” (Kursziel 104 US-Dollar). Independent Research hob das Kursziel von 110 auf 118 US-Dollar an und bestätigte die “Kaufen”-Einstufung. Aktuell wird die Aktie zu 99,65 US-Dollar gehandelt.