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Emerging Asia - keine Angst vor einem Zinsanstieg in den USA

Börsen-Zeitung, 18.10.2014 Zinsanhebungen in den USA machen Anlegern in Schwellenländern regelmäßig das Leben schwer. Nach der Drosselung der Anleihekäufe durch die US-Notenbank Fed steht eine Anhebung des Zinssatzes auf der Agenda. Sollte dies für...

Emerging Asia - keine Angst vor einem Zinsanstieg in den USA

Zinsanhebungen in den USA machen Anlegern in Schwellenländern regelmäßig das Leben schwer. Nach der Drosselung der Anleihekäufe durch die US-Notenbank Fed steht eine Anhebung des Zinssatzes auf der Agenda. Sollte dies für Asienanleger ein Anlass sein, sich zu fürchten?Nicht unbedingt, denn erstens bleibt abzuwarten, ob in den USA mit steigenden Leitzinsen auch die Renditen der langlaufenden US-Staatsanleihen steigen.Zweitens dürfte das US-Wirtschaftswachstum zumindest kurzfristig nur schwerlich das Vorkrisenniveau erreichen, was das Potenzial für einen substanziellen Zinsanstieg in jedem Laufzeitenbereich begrenzt. Und drittens: Andere Notenbanken könnten für die Fed in die Bresche springen. Die Bank of Japan fährt weiterhin eine ultralockere Geldpolitik mittels “Quantitative Easing”, und auch verstärkte Anleihekäufe der Europäischen Zentralbank (EZB) erscheinen nicht mehr unwahrscheinlich. Kauf von Spread-ProduktenMaßnahmen, die bisher schon von Anlegern ergriffen wurden, um sich gegen die mutmaßlich von einer restriktiveren Fed ausgelösten Zinsänderungsrisiken zu schützen, sahen vor allem den Kauf von Spread-Produkten vor. Dabei wurden und werden Papiere mit Zinsaufschlägen gekauft, wie zum Beispiel Unternehmensanleihen oder US-Dollar-denominierte Staatsanleihen der Schwellenländer. Aber auch das Segment der Schwellenländeranleihen in lokalen Währungen wurde beachtet und könnte interessant bleiben. Anleger schauen in diesem Kontext vermehrt nach Emerging Asia und beobachten die dortigen Anlagemärkte. Dies ist auch naheliegend, denn Asien steht sehr stark unter dem Einfluss der Liquiditätsspritzen der Bank of Japan (BoJ). Diese hat bereits im Mai vergangenen Jahres damit begonnen, Geld in einem noch nie dagewesenen Umfang in die Märkte zu pumpen und diese damit zu stützen. Das Ergebnis: Die japanischen Geschäftsbanken halten nun 12 % ihrer Aktiva in Form von “Excess Cash”; eine Quote, die bis zum Jahresende wohl auf 16 % ansteigen dürfte. Kein Ende der Flut in SichtGeparkt werden diese Bestände bei der Zentralbank, die “stolze” 0,1 % Zinsen dafür bezahlt. Da es noch lange dauern könnte, bis das Ziel einer nachhaltigen Inflation von 2 % erreicht sein wird, ist derzeit auch kein Ende dieser Liquiditätsflut abzusehen. Was tun mit all dem Geld? Flucht ins AuslandIm Inland selbst bieten sich den japanischen Anlegern wenige Möglichkeiten. Der Kreditbedarf der Unternehmen ist gering, angesichts von Kassereserven, die mittlerweile 60 % des japanischen Bruttoinlandsprodukts (BIP) ausmachen und auf Jahre hinaus ausreichen werden, um Investitionen zu finanzieren. Konsumenten könnten zwar anfangen, sich zu verschulden, aber das ist nicht wahrscheinlich. Schließlich sitzen auch die privaten Haushalte weiterhin auf Bergen von Vermögen. Die Banken treten daher die Flucht ins Ausland an. Die Kreditvergabe japanischer Banken – vor allem an Schuldner in den Asean-Staaten Brunei, Kambodscha, Indonesien, Laos, Malaysia, Myanmar, Philippinen, Singapur, Thailand und Vietnam – eilt schon seit letztem Jahr von Rekord zu Rekord. Anlagerichtlinien gelockertIn der Region Asien ex Japan stieg das Volumen von Krediten, die Nippons Banken an Kreditnehmer in anderen asiatischen Ländern vergaben, auf rund 450 Mrd. US-Dollar. Selbst wenn man die Finanzplätze Hongkong und Singapur ausklammert, bleibt immer noch ein Kreditvolumen von 300 Mrd. US-Dollar. Auch die Unternehmen haben sich dort ebenso zunehmend durch Investitionen und Akquisitionen engagiert. Auch bei den Wertpapieranlagen dürfte der “Home Bias” der großen japanischen Pensionskassen und Lebensversicherer aufweichen. Die Anlagerichtlinien für die Pensionsfonds der Staatsbediensteten und der Lebensversicherer wurden bereits gelockert und erlauben zukünftig mehr Investitionen in ausländische Bonds. Die größte dieser Institutionen, deren Anlagevolumen zurzeit rund 1 Bill. Euro umfasst, reduzierte die Quote, die in japanischen Staatsanleihen gehalten wird, bereits von über 60 % auf 52 %. Sollte der Fonds die Geschwindigkeit der Reduzierung beibehalten, könnte die Quote schon übernächstes Jahr bei nur noch 40 % liegen. Massive ReaktionSeit April haben japanische Institutionen fast 40 Mrd. Euro außerhalb Japans angelegt, wobei die Hauptprofiteure zwar US-Treasuries und französische, spanische und italienische Staatsanleihen waren. Eine steigende Nachfrage verzeichneten aber auch die lokalen Emerging-Market-Staatsanleihen mit soliden Ratings, allen voran Thailand und Malaysia. Ferner könnten auch Indonesien oder die Philippinen auf dem Einkaufszettel stehen. Kommen wir noch einmal zurück auf die Frage, wie die asiatischen Märkte reagieren werden, wenn die Fed die Zinssätze anhebt. Hier lohnt sich ein Blick in die Vergangenheit, in der die japanische Zentralbank zumindest temporär die Auswirkungen einer Zinsanhebung in den USA auf Asien ausgleichen konnte. Im Februar 1994 begann die Fed mit Zinsanhebungen, nachdem sie diese zuvor angesichts einer Rezession in den USA auf ein sehr niedriges Niveau geschleust hatten. Innerhalb eines Jahres stieg die Fed Funds Rate um 250 Basispunkte auf 5,5 %. Die Anleihemärkte reagierten prompt und massiv mit Renditeanstiegen.Zu dieser Zeit hatte Japan noch mit den Auswirkungen der geplatzten Immobilienblase zu kämpfen, und die BoJ schlug die Gegenrichtung ein. Mangels inländischer Anlageopportunitäten trugen die japanischen Banken ihr Geld in der Folge ins Ausland und verlängerten damit den Boom der asiatischen Tigerstaaten. Auch im Anhebungszyklus von 2004 bis Mitte 2006, als die Fed die Zinszügel um 425 Basispunkte anzog, konnte dies “Emerging Asia” nichts anhaben. Was können wir nun daraus für die Zukunft schließen?Ein scharfer Zinsanstieg in den USA, also über das von Anlegern zurzeit erwartete Niveau hinaus, würde die Finanzmärkte der Region – wie auch alle anderen – sicher in Aufruhr versetzen. Auch die Liquidität, die die BoJ zur Verfügung stellt, würde in einem solchen Fall nur für begrenzte Zeit als Puffer dienen können. Außerdem weisen die Länder der Region sehr unterschiedliche Entwicklungen und Voraussetzungen auf, so dass die Reaktionen unterschiedlich heftig ausfallen dürften. Sollte die Fed jedoch ihre Anhebungsrunde moderat gestalten und zudem die Märkte durch ihre Kommunikationspolitik gut vorbereiten, rechnen wir für mindestens ein Jahr mit keinen unmittelbaren Verwerfungen. BoJ kauft ZeitDas Beste, was die Bank of Japan sich und Asien mit ihrem Geld also kaufen kann, ist Zeit. Zeit, in der es gilt, Ungleichgewichte abzubauen. Zum Beispiel die Leistungsbilanzdefizite in Indien oder Indonesien. Dies ist umso wichtiger, als die aktuellen Defizite in der Leistungsbilanz eine Abhängigkeit von ausländischen Investitionen mit sich bringen. Die attraktiven Zinsniveaus der Anleihen der asiatischen Staaten machen dies zurzeit möglich. Sofern diesen Emerging-Market-Bonds aber Konkurrenz in Form höher verzinslicher US-Treasuries erwächst, könnten auch die strukturellen Defizite der Region wieder in den Vordergrund treten. Das Jahr 2013 und die Entwicklung der Anleihen und Währungen der sogenannten Fragile-Five-Staaten – Brasilien, Indien, Indonesien, Südafrika und die Türkei – gaben diesbezüglich einen Vorgeschmack. Am Ende werden die Staaten ihre Hausaufgaben machen müssen, um ihre Widerstandsfähigkeit gegen Zinsschocks zu verbessern.—-Markus Ackermann, Spezialist für Emerging Markets bei HSBC Global Asset Management (Deutschland) GmbH