IM INTERVIEW: ALEXANDER MOZER, ÖKOWORLD

"Emerging Markets haben noch viel Aufwärtspotenzial"

CIO: KGV-Abschlag zu Industrieländern deutlich über dem historischen Durchschnitt - Healthcare, erneuerbare Energien und Digitalisierung im Fokus

"Emerging Markets haben noch viel Aufwärtspotenzial"

Auch wenn große Schwellenländer wie Brasilien und Indien besonders schwer von der Pandemie getroffen werden, ist die “Investment Story” der Emerging Markets nach Überzeugung von Alexander Mozer intakt. Die Aktienmärkte der Schwellenländer überraschen in der Coronakrise sogar mit einer im Vergleich zu den Industrieländern niedrigeren Volatilität, so der Chief Investment Officer von Ökoworld, für den es entscheidend auf Stock Picking ankommt. Herr Mozer, hätten Sie gedacht, dass sich die Aktienmärkte nach dem Corona-Crash so stark erholen würden?Wenn man sich die Entwicklung der zurückliegenden Wochen anschaut, kann es einem schon etwas schwindelig werden. Auch wenn Börsen in die Zukunft schauen, ist doch festzustellen, dass hier eine extrem prosperierende Zukunft angenommen zu werden scheint. Ein entscheidender Treiber ist sicherlich die unlimitierte Unterstützung seitens der Notenbanken. Die Zinsen sind nach wie vor auf extrem niedrigem Niveau, die Alternativlosigkeit zu Aktien hat sich noch mal weiter verschärft. Haben sich die Aktienmärkte denn nicht völlig von den realwirtschaftlichen Gegebenheiten abgekoppelt?Es gibt unterschiedliche Erklärungsansätze beziehungsweise Herangehensweisen. Wenn man die Berichtssaison anschaut, kann man ganz klar feststellen, dass die Anleger den Einbruch durch den Lockdown, den es bei den Unternehmen gegeben hat, als einmaliges Ereignis ansehen. Eine unangenehmere Betrachtung wäre, dass Aktien vor dem Hintergrund der Geldflut als Sachwerte beziehungsweise Fluchtwährung betrachtet werden. Insofern müsste man die Hausse eher als Versuch, Geld in Sachwerten zu sichern, ansehen denn als Entkoppelung von der Wirklichkeit. Welche Betrachtung richtig ist, wird sich erst in einigen Monaten zeigen. So wird wohl einiges durch den Aufschub der Insolvenzanmeldung überdeckt. Es wird ein wichtiger Wegweiser sein, wenn man in einigen Monaten sehen kann, welcher Kollateralschaden entstanden ist. Dann wird man auch wieder eine sinnvolle fundamentale Bewertung vornehmen können. Vieles hängt doch auch davon ab, wie es mit der Pandemie weitergeht.Das ist die große Unbekannte. Meiner Einschätzung nach ist schwer vorstellbar, dass es noch einmal zu einem umfassenden Lockdown kommen wird. Ich halte situative beziehungsweise regional begrenzte Maßnahmen für wesentlich wahrscheinlicher. Hinzu kommen die weltweit immensen Forschungskapazitäten, die in der Entwicklung von Impfstoffen engagiert sind. Hier gibt es massive Fortschritte, das schreitet deutlich schneller voran, als erwartet worden ist. Der Markt eskomptiert auch diese Fortschritte, mit der Folge, dass sich die Wahrnehmung der Pandemierisiken abschwächt. Schwellenländeraktien gelten als krisenanfälliger. Wie schlagen sie sich in der aktuellen Krise?Anders, als dies viele erwarten würden, bewegen sie sich im Mittelfeld der internationalen Aktienmärkte. Der MSCI Emerging Markets hat in diesem Jahr bislang um 4,4 % nachgegeben. Der Stoxx Europe 600 hat 8,4 % verloren, der S&P 500 ist gegenüber Ende 2019 kaum verändert. Zu bedenken ist, dass die Schwellenländer keine homogene Gruppe sind. Es gibt signifikante Unterschiede in einzelnen Ländern. China wurde zuerst von der Epidemie getroffen, dann Europa. Später folgten Länder wie Indien und Brasilien, die es sehr schwer getroffen hat. In der inhaltlichen Auseinandersetzung mit Corona gibt es deutliche Unterscheide. Zu vermuten, dass einzelne Maßnahmen allen Ländern in gleicher Weise helfen, wäre zu kurz gegriffen. In Deutschland haben viele Menschen durch Kurzarbeitergeld und Ersparnisse zumindest für einige Zeit eine recht gute Grundlage. Für eine indische Haushaltshilfe, die keine Arbeit mehr hat, sieht das ganz anders aus. Mangels sozialer Absicherung hat sie große Schwierigkeiten, an Nahrung für ihre Kinder zu kommen. Wie sieht es in puncto Schwankungsanfälligkeit und Bewertungen aus?Das, was man den Emerging Markets nachsagt, eine relativ hohe Volatilität, ist in dieser Krise nicht eingetreten. Der S&P 500 ist in diesem Jahr mit Abstand der volatilste Index, gefolgt vom Stoxx Europe 600. Erst dahinter folgt der MSCI Emerging Markets. Unser Schwellenländerfonds ist nochmals weniger volatil und hat in diesem Jahr dennoch eine Performance von über 8 % erzielt. Die Emerging Markets haben bewertungsbedingt noch viel Aufwärtspotenzial. Der KGV-Abschlag zu den Aktienmärkten der Industrieländer beträgt derzeit 6 Punkte. Im Durchschnitt hat der Abstand in der Vergangenheit zwischen 3 und 4 KGV-Punkten gelegen. Nun ist die Frage, ob sich die KGVs von oben nach unten oder von unten nach oben angleichen. In jedem Fall ist der Bewertungsabstand aber ein absoluter beziehungsweise zumindest ein relativer Vorteil für die Emerging Markets. Welche Probleme beziehungsweise Risiken sehen Sie noch in den Schwellenländern?Derzeit stehen die Spannungen zwischen den USA und Peking über die Kontrolle vermeintlicher Spionagetechnologie des chinesischen Konzerns Huawei und den Schutz der bürgerlichen Freiheitsrechte in Hongkong einer V-förmigen Aktienkurserholung in dem Ausmaß, wie sie in den Vereinigten Staaten zu sehen war, im Wege. Die von den USA jetzt geforderte Schließung des chinesischen Konsulats in Houston ist sicherlich keine Hilfe. Hinzu kommt, wie gesagt, in einigen Ländern ein nach wie vor starker Anstieg der Corona-Infektionen. Es gab zuletzt aber auch positive Entwicklungen. So überraschte China mit einem Wachstum des Bruttoinlandsprodukts im zweiten Quartal von 3,2 %. Bis vor kurzem glaubten die meisten Marktteilnehmer, dass China seine Wirtschaft nur durch schwerwiegende Finanzpakete und wirtschaftliche Anreize ankurbeln könnte. Positive Datenpunkte der Industrieproduktion und erfreuliche Managementkommentare international agierender Unternehmen deuten jedoch darauf hin, dass eine wirtschaftliche Erholung mit einer geringeren Schuldenaufnahme als anfangs befürchtet gestemmt werden kann. Was ist die Basis für die Outperformance Ihres Fonds?Wir setzen zum einen schon immer auf ein risikoreduziertes Fondsmanagement. Wichtig ist aber vor allem die Konzentration auf ein professionelles Stock Picking ohne den Fokus auf makroökonomische Daten. Einige Themen, auf die wir schon immer gesetzt haben, wie Healthcare und Digitalisierung, haben durch die Pandemie einen massiven Schub erhalten. Ein weiterer Schwerpunkt sind die erneuerbaren Energien. Dieser Sektor hat die Krise unbeschadet überstanden. Erneuerbare Energien spielen in den angedachten volkswirtschaftlichen Restrukturierungsüberlegungen eine zentrale Rolle. Das sieht man etwa in Deutschland in den Bemühungen, grünen Wasserstoff über erneuerbare Energien zu erzeugen. Die EU spricht von einem klimaneutralen Europa, China hat klar gesagt, dass der Energiemix auch in ländlichen Regionen stark in Richtung Solarenergie verschoben werden soll. Das ist mit erheblichen Subventionen verbunden. Spannend ist auch die jüngste Entwicklung in Südkorea. Der Präsident Moon Jae-in plant, in Anlehnung an den amerikanischen New Deal 1,9 Millionen Arbeitsplätze zu schaffen. Fokus ist eine umweltfreundliche, nicht mehr auf fossilen Brennstoffen basierende Wirtschaft, außerdem Investitionen in die 5G-Technologien. Wir sind mit unserem Fonds in vielen solcher Themen unterwegs. Können Sie ein Beispiel für einen interessanten chinesischen Titel im Bereich erneuerbare Energien nennen?Wir sind in Xinyi Solar investiert, ein Unternehmen mit einem umfangreichen Produktangebot im Solarbereich. Dieser Titel ist im Corona-Crash mit unter die Räder geraten. Seither hat er sich im Wert verdoppelt und auch ein Allzeithoch erreicht. In Südkorea halten wir außerdem Doosan Fuel Cell. Das Thema Wasserstoff ist wie gesagt derzeit hoch im Kurs, die Brennstoffzelle des Unternehmens stößt auf großes Interesse. Der Kurs der im zurückliegenden Oktober an der Börse eingeführten Aktie ist um nahezu 270 % gestiegen. Welche weiteren Einzeltitel würden Sie hervorheben?Sehr gut hat sich AK Medical entwickelt. Das chinesische Unternehmen ist auf künstliche Knie- und Hüftgelenke spezialisiert, seine Aktie war von den Marktturbulenzen, die die Coronakrise ausgelöst hat, völlig unbeeindruckt. Das Unternehmen erfreut sich einer steigenden Nachfrage nach seinen Produkten. Im ersten Halbjahr hat die Aktie den lokalen Hang-Seng-Index um mehr als 190 % geschlagen. In Malaysia hat sich Hartalega sehr gut entwickelt. Durch die Pandemie läuft die Produktion dieses Herstellers von Latex-Handschuhen auf Hochtouren. Die Aktie hat den lokalen Aktienindex um mehr als 140 % geschlagen. Ebenfalls von der Pandemie stark profitiert hat die koreanische Seegene. Sie zählt zu den Firmen, die am schnellsten einen genbasierten Coronatest entwickelt haben. Die Aktie des Reagenzien- und Laborherstellers hat sich um mehr als 270 % besser entwickelt als der Kospi-Index. Das Interview führte Christopher Kalbhenn.