GASTBEITRAG ZUR SERIE ANLAGETHEMA IM BRENNPUNKT (66)

Ende der Dollarstärke - Implikationen für die Finanzmärkte

Börsen-Zeitung, 13.4.2019 2018 gab es kaum eine Anlageklasse, die insgesamt eine positive Wertentwicklung aufwies. Eine Ausnahme war der US-Dollar, der sowohl handelsgewichtet als auch zum Euro entgegen der Erwartung der Marktteilnehmer aufwertete....

Ende der Dollarstärke - Implikationen für die Finanzmärkte

2018 gab es kaum eine Anlageklasse, die insgesamt eine positive Wertentwicklung aufwies. Eine Ausnahme war der US-Dollar, der sowohl handelsgewichtet als auch zum Euro entgegen der Erwartung der Marktteilnehmer aufwertete. Wesentliche Treiber dieser Stärke waren die boomende Konjunktur in den Vereinigten Staaten, der Zinserhöhungszyklus der US-Notenbank, die zahlreichen politischen Risiken sowie die höhere Volatilität an den Kapitalmärkten.Seit dem Jahreswechsel hat die US-Notenbank Fed in ihrer Kommunikation jedoch eine Kehrtwende hingelegt. Sie signalisierte, dass sie in ihrem Zinserhöhungszyklus eine Pause einlegen wird und die weitere Konjunktur- und Inflationsentwicklung abwarten wird. Der Dollar verliert damit an Unterstützung. Abnehmender ZinsvorteilDa insgesamt der relative Wachstums- und Zinsvorteil der USA abnehmen dürfte, mehren sich die Anzeichen für eine Abschwächung des Dollar, zumal er auf Basis vieler Bewertungsmodelle teuer erscheint. Auf handelsgewichteter Basis scheint er seit November 2018 seinen Höhepunkt hinter sich gelassen zu haben. Profiteure waren seitdem die Währungen der Schwellenländer und der japanische Yen, jedoch nicht der Euro, der unter politischen und wirtschaftlichen Problemen leidet.Was bedeutet ein Ende der Dollarstärke für die Finanzmärkte und wie können Anleger davon profitieren? Betrachten wir zunächst Rohstoffe. Eine Dollarabschwächung bedeutet für Abnehmer außerhalb des Dollarraums zunächst sinkende Rohstoffkosten, weil Rohstoffe traditionell in Dollar abgerechnet werden. In der Folge steigt die Nachfrage der internationalen Abnehmer, etwa weil der Anreiz, Ressourcen zu sparen, sinkt oder die Möglichkeit, die Rohstofflager zu niedrigeren Preisen aufzufüllen, ausgenutzt wird. Zugleich sinkt das Angebot, weil Produzenten wegen fallender Preise in ihrer Währung nicht mehr so viel produzieren. Das resultiert wiederum in höheren Rohstoffpreisen.Dieser Preisanstieg wird durch die Dollarabschwächung zum Großteil kompensiert. Die Dollarsensitivität von Rohstoffen liegt damit nahezu bei -1. Das heißt, dass Euroanleger mit Rohstoffen kein Geld verdienen können, wenn neben dem Wechselkurseffekt nicht auch das grundsätzliche makroökonomische Bild für fundamental höhere Preise spricht. Häufig ist dies jedoch der Fall, wenn der Dollar zur Schwäche neigt.Stark betroffen von Veränderungen des Dollarkurses sind Schwellenländer. Während produktionsorientierte Schwellenländer viele Rohstoffe importieren und bei fallendem Dollar Nutznießer von in Lokalwährung sinkenden Rohstoffpreisen sind, zählen rohstoffexportierende Länder eher zu den Verlierern. Zudem ist für Länder mit hohen Fremdwährungsschulden der Dollarkurs aufgrund der Finanzierungskosten bedeutend, denn meist sind diese Schulden in Dollar denominiert.Wertet der Dollar ab, sinkt der Schuldenstand des Landes in der jeweiligen Lokalwährung und es ist für das Land leichter, diese zu bedienen. Die verbesserte Schuldentragfähigkeit zeigt sich dann auch in sinkenden Risikoprämien und somit in steigenden Kursen von Anleihen des betreffenden Landes. Zugleich geht eine Dollarabschwächung tendenziell mit einer Aufwertung von Schwellenländerwährungen einher.Das bedeutet, dass Euroinvestoren bei Lokalwährungsschwellenländeranleihen doppelt von einer Dollarschwäche profitieren, nämlich über den Kursanstieg und die Währungsaufwertung. Hingegen profitieren Euroinvestoren bei Dollarschwellenländeranleihen zwar über den Kursanstieg der Anleihen, verlieren jedoch aufgrund der Abwertung des Dollar. Endet die Dollarstärke, sind somit Lokalwährungsanleihen der Schwellenländer vorzuziehen.Auch Aktieninvestments in Schwellenländern sind in diesem Umfeld attraktiv. Da Unternehmen der Schwellenländer von sinkenden Rohstoff- und Finanzierungskosten und somit höheren Gewinnen profitieren, sollte auch die Wertentwicklung der Schwellenländeraktienmärkte die der Industrieländer übertreffen (vgl. Grafik). Verzögerter Effekt Unmittelbare Auswirkungen hat ein Ende der Dollarstärke auf den US-Aktienmarkt. Realwirtschaftlich betrachtet werden US-Unternehmen erstens international wettbewerbsfähiger, und zweitens sind Auslandsgewinne in Dollar mehr wert (Translationseffekt). In der Regel sichern Unternehmen jedoch einen Großteil dieses Währungsrisikos ab, so dass dieser Effekt erst im Zeitablauf seine Wirkung entfaltet. Allerdings ist der Anteil der Umsätze, die US-Unternehmen außerhalb der Heimatwährung generieren, vergleichsweise gering. Damit kompensieren die steigenden Gewinne und Kurse tendenziell nicht die Währungsabwertung. Erwarten ausländische Investoren, dass der Dollar mittelfristig abwertet, verkaufen sie zudem Dollarinvestments, um das Geld in der eigenen Währung anzulegen. Dadurch bringen sie den Dollar weiter unter Druck.Sollte der Dollar also nachhaltig schwächeln, dürfte der “Flow”-Effekt die fundamentalen Effekte klar dominieren. Eine Abwertung des Dollar spricht damit zwar für fundamental steigende US-Aktien, aber im historischen Schnitt wird nur die Hälfte der Währungsverluste kompensiert.Auf der Anleiheseite ist zunächst die tendenziell positive Beziehung von US-Staatsanleihen und dem handelsgewichteten Dollar zu vermerken. In einem Risk-off-Umfeld sind häufig Dollar und US- Staatsanleihen als “sichere Häfen” gefragt. In einem Risk-on-Umfeld erscheinen US-Staatsanleihen für Euroinvestoren hingegen meistens nicht attraktiv, da Verluste über die Kursentwicklung und die Währungsseite drohen. Jedoch weisen US-Treasuries aktuell etwa gegenüber Bundesanleihen erheblich höhere Renditen auf. Ein fallender Dollar könnte diesen Vorteil mehr als ausgleichen. Auch eine Währungsabsicherung macht den Renditevorsprung zunichte. Trotzdem können US-Staatsanleihen aus Portfoliosicht zur Absicherung für ein Risk-off-Umfeld sinnvoll sein.Die Auswirkungen einer Abwertung des handelsgewichteten Dollar sind für die europäischen Aktienmärkte vielschichtig. Europäische Unternehmen profitieren zumindest temporär von niedrigeren Preisen für importierte Rohstoffe. Zudem dürften sie leicht steigende Umsätze und Gewinne von der durch günstigere Importe gestärkten Binnennachfrage erzielen, die jedoch durch den Translationseffekt und die abnehmende relative Wettbewerbsfähigkeit neutralisiert werden könnten. Kapitalflüsse wichtigerDer Effekt auf die Realwirtschaft und die Unternehmensgewinne dürfte somit je nach Abhängigkeit vom Außenhandel unterschiedlich stark ausfallen. Wichtiger für die Entwicklung der europäischen Aktienmärkte sind die internationalen Kapitalflüsse. Eine nachhaltige Abwertung des Dollar sollte durchaus positiv für europäische Aktien sein, denn Kapital dürfte aus Dollaranlagen in Euroanlagen fließen.Dafür müssten jedoch wie bei einer Euroerholung erst die (handels-)politischen Risiken gelöst sein, bevor internationale Investoren wieder Investitionschancen sehen. Dann haben die europäischen Aktienmärkte wie auch der Euro Erholungspotenzial. Bei der Aktienauswahl sind Unternehmen mit einer hohen Preissetzungsmacht zu bevorzugen, da diese Schwankungen bei Inputkosten und Wechselkursen am besten ausgleichen können.Zusammenfassend erscheinen bei einer Abschwächung des handelsgewichteten Dollar für Euroinvestoren Aktienanlagen in der Eurozone und Anlagen in den Schwellenländern sowie in Lokalwährungsanleihen der Schwellenländer am aussichtsreichsten. Auch Rohstoffinvestments bieten Chancen, wenn sich zugleich auch das Wirtschaftswachstum stabilisiert, insbesondere im rohstoffhungrigen China. Investments in Dollar haben jedoch aufgrund der US-Wirtschaftsdominanz und aus Diversifikationsgründen stets ihre Berechtigung im Portfolio.—-Zuvor erschienen:- Der Dax bewegt sich auf dünnem Eis (65), M.M. Warburg & Co.- Private Equity trifft Mittelstand (64), Bankhaus Lampe —-Guido Urban, Analyst Multi Asset Strategy & Research, Berenberg