Ausblick

Energiepreise dürften steigen

Die Preise der Energieträger Öl und Erdgas sind derzeit zumindest in der kurzfristigen Perspektive relativ niedrig, sie dürften jedoch schon bald wieder steigen.

Energiepreise dürften steigen

Von Dieter Kuckelkorn, Frankfurt

Der Preis der wichtigsten Sorte Brent Crude hatte sich vor wenigen Tagen schon wieder fast auf einem Niveau von 100 Dollar je Barrel befunden, dann sank er wieder bis rund 92 Dollar. Vor dem Wochenende wurde Brent schon wieder zu mehr als 96 Dollar gehandelt.

Der Rückgang bis auf rund 92 Dollar ist primär auf die Enttäuschung darüber zurückzuführen, dass es in China doch kein Ende der die Konjunktur dämpfenden Null-Covid-Politik geben dürfte. Die ganz aktuelle Erholung ist wiederum eine Reaktion auf die niedriger als erwartet ausgefallene Inflation in den USA, die der US-Notenbank Fed Spielraum lässt, es mit den Zinserhöhungen gemächlicher anzugehen. Allerdings wird der Ölpreisanstieg aktuell dadurch gedeckelt, dass, wie die Rohstoffanalysten der Commerzbank anmerken, Saudi-Arabien entgegen der eigentlich ab Anfang November geltenden Ankündigung der Produktionskürzung eine Reihe von Kunden weiter mit den höheren Mengen beliefert hat. Die Experten vermuten, dass Saudi-Arabien keine weiteren Marktanteile an Russland verlieren will, das nach dem Inkrafttreten des EU-Ölembargos am 5. Dezember versuchen werde, verstärkt nach Asien zu exportieren. Die Analysten der Commerzbank vermuten, dass Saudi-Arabien auf heimische Lagerbestände zurückgreift.

Dies könnte zumindest im November den Ölpreis unter 100 Dollar halten, danach sieht die Lage jedoch wieder gänzlich anders aus. Die meisten Marktbeobachter gehen davon aus, dass mit dem Wirksamwerden der neuen Ölsanktionen von EU und G7 mit einem deutlichen Anstieg des Ölpreises über die Marke von 100 Dollar zu rechnen ist.

Weiterhin auf einem relativ niedrigen Niveau befindet sich der europäische Gaspreis. Am niederländischen Übergabepunkt TTF wird die Megawattstunde Erdgas zur Lieferung im Januar mit 110 Euro gehandelt. In der langfristigen Betrachtung ist das zwar ein sehr hoher Preis, denn vor zwei Jahren ging der Monatskontrakt in der Größenordnung von 15 Euro um. Im Vergleich zu Ende August dieses Jahres, als der Monatskontrakt zu rund 350 Euro gehandelt wurde, handelt es sich jedoch im kürzerfristigen Vergleich um einen niedrigen Preis. Dazu hat beigetragen, dass es den westeuropäischen Ländern gelungen ist, vor allem mit russischem Gas, das noch lange verfügbar war, die Speicher praktisch vollständig zu füllen. Zwar ist dies insbesondere für den Fall eines kalten Winters keine Garantie, dass die westeuropäischen Länder den Winter ohne katastrophalen Energiemangel überstehen, bislang ist die Witterung in den europäischen Kernländern aber milde gewesen.

Allerdings ist damit zu rechnen, dass die Gaspreise in Europa wieder deutlich steigen. Vor den europäischen Küsten halten sich jedenfalls zahlreiche voll beladene LNG-Tanker auf, die nicht entladen werden, weil die Lieferanten auf wieder deutlich steigende Preise setzen. Die Anzahl dieser Tanker wird auf rund 60 geschätzt, was rund 10% der weltweiten Kapazität an LNG-Tankern entspricht. Zeitweise ergab sich wegen des hohen Füllstands der Speicher eine Situation, dass die Gasverbundnetze in Europa nur noch so viel Gas aufnehmen konnten, wie zeitgleich verbraucht wurde. Dies führte erstmals in der Geschichte des Gashandels an der ICE kurzzeitig dazu, dass es einen negativen Gaspreis gab.

Künstliche Verknappung

Die sich über den Winter entleerenden Gasspeicher sowie die in Zeiten rückläufiger Preise zu beobachtende künstliche Verknappung des Angebots an LNG-Flüssiggas wird wieder für deutlich steigende Gaspreise in Europa sorgen. Damit ist insbesondere in der längeren Perspektive zu rechnen, weil kein preisgünstiges russisches Gas mehr verfügbar ist, mit dem sich die Speicher für den Winter 2023/24 zu vertretbaren Preisen füllen ließen. Das gegenwärtige Preisniveau in Europa ist somit wohl nur ein kurzes Intermezzo der Entspannung.

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