DEVISENWOCHE

Enteilt der chinesische Yuan?

Von Matthias Krieger *) Börsen-Zeitung, 22.12.2020 Der chinesische Yuan tendierte in der zweiten Jahreshälfte 2020 vor allem gegenüber dem US-Dollar ausgesprochen fest. Der Dollar fiel von rund 7,10 am 1. Juni 2020 auf zuletzt knapp 6,50 Yuan. Der...

Enteilt der chinesische Yuan?

Von Matthias Krieger *)Der chinesische Yuan tendierte in der zweiten Jahreshälfte 2020 vor allem gegenüber dem US-Dollar ausgesprochen fest. Der Dollar fiel von rund 7,10 am 1. Juni 2020 auf zuletzt knapp 6,50 Yuan. Der Euro konnte sich in diesem Zeitraum aufgrund seiner ausgeprägten Stärke gegenüber dem Greenback zum Yuan unterm Strich zwar behaupten. Es gab aber auch hier länger andauernde Schwächephasen. Wo-her nimmt der Yuan seine Stärke? Virus unter KontrolleChina war das erste Land, dessen Wirtschaft unter dem Coronavirus in die Knie ging. Es ist aber auch das erste, das eine weitreichende konjunkturelle Erholung bzw. Normalisierung vermelden konnte. Nach anfänglich erschreckend fahrlässiger Handhabung des Infektionsgeschehens konnte das Virus dann dank teilweise brachialer Eindämmungsmaßnahmen unter Kontrolle gebracht werden. Die Zahl der täglichen Neuinfektionen ist schon seit vielen Monaten vernachlässigbar. Dies war die Grundvoraussetzung dafür, dass es die Volksrepublik geschafft hat, eine mustergültige V-förmige wirtschaftliche Erholung in die Wege zu leiten. Da Chinas Konjunktur derzeit wesentlich besser läuft als die in den meisten anderen Industriestaaten, ist auch der Yuan derzeit eine attraktive Währung. Höhere ZinsenZudem sind die Zinsen in China deutlich höher als beispielsweise in den Vereinigten Staaten oder in Europa. Gerade die US-Zinsen und -Renditen sind im Zuge der Pandemie stark gefallen.Darüber hinaus profitiert Chinas Leistungsbilanz derzeit von Produktionsausfällen in anderen Staaten, was zudem mit einer aktuell besonders hohen weltweiten Nachfrage nach Produkten einhergeht, die gerade China im Angebot führt – medizinische Schutzausrüstung, Elektronikprodukte zum Ausbau der Digitalisierung und zur Unterhaltung und anderes. Und auch der Einbruch des Tourismus erhöht den Leistungsbilanzüberschuss Chinas. Denn die Chinesen sind zu eifrigen Weltreisenden geworden, können nun aber kaum mehr Geld im Ausland für touristische Zwecke ausgeben. Dies senkt das traditionelle Defizit Chinas beim Handel mit Dienstleistungen. Und nicht zuletzt steigen inzwischen auch wieder die Direktinvestitionen ausländischer Unternehmen in China an, was aus chinesischer Sicht zu einem Kapitalzufluss und damit einer erhöhten Nachfrage nach Yuan führt. Die chinesische Valuta ist aber auch immer ein politisches Instrument der Regierung. Einerseits nutzt Beijing den starken Yuan, um die Stärke Chinas inmitten der weltweiten Krise zu demonstrieren und sich so als das “erfolgreichere System” zu präsentieren. Andererseits stünde eine administrierte Schwächung des Yuan gerade dem Land, aus dem das Virus stammt, schlecht zu Gesicht. Würde das Ausgangsland der Pandemie nun auch noch seine Währung künstlich schwach halten, um sich Wettbewerbsvorteile auf Kosten anderer, noch stark leidender Staaten zu verschaffen, wäre das im Ausland kaum zu vermitteln und somit ein immenser politischer Schaden. Die derzeitige Stärke des Yuan ist also auch einem politischen Kalkül geschuldet, denn Chinas Währung wird staatlich kontrolliert. Der Wind dürfte drehenWir gehen aber nicht davon aus, dass sich die Yuan-Stärke so fortsetzen wird. Denn der aktuelle Aufschwung in China wird teuer erkauft. Er basiert derzeit vor allem auf massiven staatlichen Hilfen, und hier insbesondere auf der Ausweitung der Investitionstätigkeit staatlicher Unternehmen. Diese wiesen aber schon vor Corona eine teilweise exorbitante Verschuldung auf, die nun weiter ansteigt. Die Möglichkeiten dieser Unternehmen, die Konjunktur dauerhaft am Laufen zu halten, engen sich immer weiter ein. Um die enorm verschuldeten Staatsunternehmen zu entlasten, ist es nun wohl an China, die Zinsen weiter zu senken und den Renditevorteil von Yuan-Anlagen damit zu verringern. Suche nach neuen TreibernDa die Staatsunternehmen an die Grenze ihrer Finanzierungsmöglichkeiten kommen, wird man zudem nach neuen Wachstumstreibern suchen müssen. Die Exportwirtschaft wäre da ein vielversprechender Kandidat, wenn sich die Weltwirtschaft wie allgemein erwartet 2021 signifikant erholen sollte. Der Wettbewerbsdruck auf chinesische Unternehmen wird aber steigen, wenn sich auch andere Länder im Zuge zu erwartender Impfkampagnen von der Pandemie erholt haben. Für den Export wäre eine starke Währung dann zunehmend hinderlich.Und da Joe Biden ohnehin die Zölle auf chinesische Einfuhren in die USA bis auf Weiteres aufrecht-erhalten will, dürfte man sich in China wenig darum kümmern, sollte man von den Vereinigten Staaten wieder als “Währungsmanipulator” gebrandmarkt werden, sobald man erneut damit beginnen würde, den Yuan administrativ zu schwächen. Korrektur im neuen JahrUnd auch Möglichkeiten, den Yuan ohne direkte Eingriffe am Devisenmarkt unter Druck zu bringen, gäbe es genug. China müsste nur die Restriktionen für Auslandsengagements lockern, um die Nach-frage chinesischer Investoren nach Dollar oder Euro zu erhöhen. Nach der starken Aufwertung zum Dollar rechnen wir im kommenden Jahr daher mit einer Korrektur derselben, was dazu führen sollte, dass auch der Euro zum Yuan fester tendieren sollte. *) Matthias Krieger ist Senior Economist bei der Landesbank Baden-Württemberg.