Entwarnung für den Bondmarkt
ku Frankfurt
Die Analysten der Nord/LB sind davon überzeugt, dass sich die Leitzinsanhebung durch die Europäische Zentralbank um 75 Basispunkte „nicht besonders negativ“ auf die Refinanzierungsbedingungen von Supranationals, Bundesländern und der KfW auswirken wird. Supranationale Bondemittenten agierten zwar nicht im luftleeren Raum, allerdings in einem dank der EU erheblich wachsenden Subsegment mit mehrfach überzeichneten Orderbüchern. Die deutschen Bundesländer übten sich derzeit ohnehin in Zurückhaltung, so die Analysten, da sie die Sommerpause für einen Kassensturz genutzt hätten und in der zweiten Jahreshälfte seltener am Primärmarkt vorzufinden seien als noch vor wenigen Monaten erwartet. „Die Kreditermächtigungen für dieses Jahr scheinen folglich üppig bemessen zu sein“, konstatieren Frederik Kunze und Norman Rudschuck in einer Studie.
Ob die veritable Energiekrise und der Krieg für ein erneutes Aussetzen der Schuldenbremse im Jahr 2023 taugten, werde sich im vierten Quartal abzeichnen. Sollte die Volkswirtschaft auf eine Rezession zusteuern, werde das Aussetzen der Schuldenbremse für das vierte Jahr in Folge ohnehin unausweichlich. Die KfW wiederum habe in ihrer kürzlich angepassten Planung gewusst, welche Zinsschritte grob anstehen, und habe sich dennoch für eine Erhöhung ihres Funding-Ziels von 80 bis 90 Mrd. Euro auf 95 Mrd. Euro entschieden. „Dies hätten die Frankfurter für das zweite Halbjahr nicht avisiert, wenn sie glauben würden, dass sie diesen Bedarf nicht an den internationalen Märkten mit ihrem Funding-Mix decken könnten“, sind die Analysten überzeugt.
Allerdings wirke der zweite große Zinsschritt der EZB auf andere europäische Regionen möglicherweise anders, betonen sie. So sei bei manch einem Emittenten das Steueraufkommen gegebenenfalls nicht so üppig, und wiederum andere hätten einen engeren Budgetrahmen als deutsche Länder.
Nach oben angepasst
Was den Markt für Covered Bonds betrifft, so weisen die Analysten darauf hin, dass sie jüngst ihre Angebotsprognose für das Benchmark-Segment im Euro deutlich nach oben angepasst hätten und nun für 2022 mit 184,3 Mrd. Euro rechneten. „Unsere Erwartung, nach der die EZB-Sitzung keinen direkten Einfluss auf das Emissionsverhalten im Covered-Bond-Segment geltend machen würde, hat sich damit durchaus bestätigt“, betonen die beiden Experten. Dies heiße aber nicht, dass an der Assetklasse der eisige Wind der Zinserhöhungen bzw. der konjunkturell frostige Winter unbeachtet vorüberziehen werde, warnen sie: „Es sollte in der Folge im Zuge der Neuausrichtung der Geldpolitik weiter ein Repricing auch im Covered-Bond-Segment zu beobachten sein.“ Als Mittel der Refinanzierung würden die gedeckten Anleihen dessen unbeschadet weiter gefragt sein – nach Meinung der Analysten auch, um durch die aktuelle Phase der Unsicherheit zu kommen. Allein aus Gründen der Markttechnik spreche dies für anziehende Spreads, und es könne auch zu Lasten von Senior Unsecured Bonds gehen.
In der Vorausschau bleibe auch für die Geschäftsbanken des gemeinsamen Währungsraums die Geopolitik ein großer Unsicherheitsfaktor. Bei einer Verschärfung werde es dem EZB-Rat nicht besonders schwer fallen, eine Argumentationslinie zu finden, die zum Wohl des geldpolitischen Transmissionsmechanismus neuerliche Refinanzierungsgeschäfte der Notenbank adäquat begründet.