Erste Chancen bei Asiens Währungen

Absturz der Schwellenländer-Devisen scheint vorerst gestoppt - Stärkere Kapitalabflüsse als 2008

Erste Chancen bei Asiens Währungen

Schwellenländerwährungen stehen seit Wochen unter einem extremen Druck und leiden unter der Risikoaversion der Investoren. In der Coronakrise sind die meisten Notierungen gegenüber dem Dollar zweistellig gefallen. Parallel leiden die Länder unter beispiellosen Kapitalabflüssen.wbr Frankfurt – Seit Anfang des Jahres fielen die Kurse des mexikanischen Peso gegenüber dem Dollar um 26 %, des brasilianischen Real um 29 % und des russischen Rubel um 20 %. Zwischenzeitlich hatten die Verluste sogar deutlich mehr als 30 % betragen. Auch andere Währungen gerieten unter Druck: Die türkische Lira verlor seit Jahresbeginn 16 % und notiert damit aktuell annähernd auf Rekordtief. “Am Markt wird nicht mehr differenziert zwischen einzelnen Ländern, weil die Ansteckungsgefahr untereinander hoch ist. Schwellenländerwährungen sind ein unsicheres Gewässer geworden”, kommentiert Ulrich Leuchtmann, Leiter Währungsresearch der Commerzbank, die Verluste. Mittlerweile haben sich die meisten Währungen etwas erholt, zumindest der weitere Absturz scheint gestoppt. Carry Trades zurückgefahrenFür Investoren hat der Verfall dramatische Folgen, die Anlagen in Währungen wurden zurückgefahren. In der Vergangenheit hat insbesondere das Carry-Argument die Kurse der Schwellenländerwährungen angetrieben. Bei einer niedrigen Volatilität konnten Anleger an den Zinsdifferenzen verdienen. Aufgrund der Coronakrise sahen sich aber fast alle Volkswirtschaften gezwungen, die Zinsen zu senken, um die Wirtschaft zu stabilisieren. “Deshalb sind die Zeiten, in denen Carry-Argumente die Investitionsentscheidungen in den Schwellenländern primär getrieben haben, vorbei. Durch die gestiegene Volatilität sind die risikoadjustierten Erträge bei weitem nicht mehr so attraktiv”, sagt Stefanie Holtze-Jen, die bei der Fondsgesellschaft DWS die Währungsstrategie leitet.Aus Sicht der DWS kommt es jetzt auf die Fundamentaldaten an. “Die Frage ist, welche der Länder sich am schnellsten von der Krise erholen”, so Holtze-Jen. Dazu gehört, mit welchen Maßnahmen der Covid-19- Gefahr begegnet werde, wie die geldpolitischen und fiskalischen Maßnahmen in Antwort auf die wirtschaftlichen Auswirkungen der Coronakrise ausfielen und wie diese vor dem Hintergrund der Schäden, die das Virus im Schwellenland hinterlassen hat, zu bewerten seien. “Hier unterscheiden sich die Schwellenländer maßgeblich voneinander. Das beginnt damit, dass viele Regionen in Asien schon viel früher der Covid-19-Gefahr ausgesetzt waren und wir deshalb zeitlich voraus und besser in der Lage sind, die getroffenen Maßnahmen zu qualifizieren.” Markt weiter liquideDer Devisenmarkt ist mit einem Tagesumsatz – laut Bank für internationalen Zahlungsausgleich – von rund 6,6 Bill. Dollar im Jahr 2019 der größte Finanzmarkt der Welt. Die Kurse gelten als schwer prognostizierbar, doch die Märkte sind auch in der Coronakrise liquide geblieben. Das allein nützt Investoren wie Andreas Neumann wenig. Der Leiter Aktives Asset Management bei Lyxor in Deutschland hat im März in seinem Währungsfonds praktisch alle seine Positionen aufgelöst, schrieb er seinen Anlegern. “Generell sehen wir uns nun in vielerlei Hinsicht mit einer neuen Situation am Kapitalmarkt konfrontiert”, so Neumann und stellte fest: “Bei den Währungen mit klassischerweise hohem Bezug zu Rohstoffpreisen sind unsere Risikomodelle klar aus dem Markt.” Damit sind Brasilien, Russland und Mexiko gemeint.Für Ulrich Leuchtmann ist die Lage vergleichbar mit 2008: Solange die Währungen so stark schwanken wie jetzt, könne man die Carry-Strategie nicht vernünftig einsetzen. Er bestätigt, dass die Investoren ihre Positionen inzwischen alle geschlossen haben dürften.Laut Daten des Institute of International Finance (IIF), einer internationalen Bankenorganisation, haben Investoren im März Mittel in Höhe von 83,3 Mrd. Dollar aus den Schwellenländern abgezogen. “Dieser Rekordabfluss von Kapital ist deutlich größer als während der Finanzkrise 2008”, hat das IIF festgestellt. Für die Anfälligkeit der Schwellenländer in der aktuellen Krise sieht das IIF mehrere Gründe: Ein klassisches Problem sei, dass sich in Ländern wie Brasilien, Mexiko, Südafrika oder der Türkei viele Unternehmen und zum Teil auch der Staat in fremder Währung verschuldet haben, vor allem in Dollar. Wenn dann die heimische Währung gegenüber dem Dollar an Wert verliert, steigt die Last der Schulden.Der Verfall der Emerging-Markets-Währungen trifft in erster Linie die Schulden in Hartwährung. “Typischerweise schwächt eine solche Situation aber auch die eigene Währung. Viele Schulden in Landeswährung müssen dieses Jahr gerollt werden. Da sieht es für die Türkei, Brasilien und Indien schlecht aus”, meint Leuchtmann. “Auch die Leistungsbilanzdefizite sind sehr hoch.”Mit dem Ausbruch der Coronakrise in Europa hat der Dollar an Wert gewonnen, weil Investoren nach sicheren Häfen suchten. “Dies führte zu einer unerwarteten Austrocknung der ausländischen Finanzierung in den Schwellenländern”, analysiert Pablo Duarte von Flossbach von Storch. Hinzu kommt, dass die Exporte der Länder stark einbrechen dürften. “Damit stellt sich die Frage, wie die Importe bezahlt werden. Wie weit es gelingt, durch den Einsatz von Reserven die Lage zu stabilisieren, ist fraglich”, so Commerzbank-Analyst Leuchtmann. Er ist auch nicht sicher, ob ein Schuldenmoratorium für die Ärmsten der Armen ausreicht. “Schon mehr als 90 Länder haben beim IWF angeklopft.” Erste Positionen aufgebautDie Anfälligkeit der einzelnen Länder hängt nicht nur an Verschuldung und Reserven. Unter anderem leidet der Rubel unter dem schwachen Ölpreis. “Langfristig orientierte Investoren werden abwarten wollen, wie es um die globale Wirtschaftstätigkeit und damit die Nachfrage nach Öl zukünftig bestellt ist, bevor sie sich wieder engagieren. In Ländern wie Brasilien kommt hinzu, dass die Pandemie lange kleingeredet wurde. Der Real wird den Vertrauensverlust so schnell nicht aufholen”, meint Holtze-Jen von der DWS. Für sie sind am ehesten asiatische Währungen interessant. Ländern wie China, Singapur, Hongkong, Südkorea und Taiwan sei es zuzutrauen, diese schwierige Lage unter Kontrolle zu bringen.”Generell erscheint es mir zu früh, um wieder in den Devisenmarkt einzusteigen”, sagt die DWS-Expertin. Etwas optimistischer ist Andreas Neumann von Lyxor, der für seinen Währungsfonds mittlerweile bei einigen asiatischen Währungen wieder Exposure aufgebaut hat.