IM GESPRÄCH: GUNNAR FRIEDE, DWS

"ESG-Faktoren über die Zeit stabil"

Der Portfoliomanager über den Nachweis von besserer Performance sozial verantwortlicher Unternehmen

"ESG-Faktoren über die Zeit stabil"

Die Auswertung wissenschaftlicher Studien ergibt laut Gunnar Friede, Portfoliomanager bei DWS, dass sich sozial verantwortliches Handeln von Unternehmen auch für Investoren auszahlen dürfte. Er kritisiert aber, dass Unternehmen keine Sanktionen befürchten müssen, wenn sie in ihren Berichten darüber schummeln.Von Dietegen Müller, Frankfurt”Basierend auf den Ergebnissen von über 2 000 Studien lässt sich sicher sagen, dass der Einbezug von ESG-Faktoren keine schlechtere Performance als der breite Markt erwarten lässt”, sagt Gunnar Friede, Portfoliomanager beim Vermögensverwalter DWS, der zur Deutschen Bank gehört. “Die Aussage des US-Nobelpreisträgers Milton Friedman vor etwa 50 Jahren, wonach sozial verantwortliches Handeln eines Unternehmens nachteilig für die Anteilseigner ist, lässt sich empirisch nicht aufrechterhalten.”Eine von Friede im Rahmen einer Doktorarbeit an der Uni Hamburg angelegte Untersuchung von Meta-Studien zum Einfluss von ESG-Kriterien auf die Performance von Unternehmen oder verschiedene Assetklassen zeige, dass es eine Beziehung zwischen der finanziellen Entwicklung eines Unternehmens gibt. Mit ESG werden Faktoren aus den Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung bezeichnet. Der Zusammenhang sei “signifikant positiv, robust und wechselseitig wirksam”.Dies bedeutet, dass die Performance eines Unternehmens durch ein besseres Abschneiden bei ESG-Faktoren positiv beeinflusst werden kann, genauso wie aber auch umgekehrt eine bessere finanzielle Entwicklung eines Unternehmens zu einem höheren ESG-Rating führen kann. Daher sei eine wechselweise Beziehung – Friede spricht von einem positiven Kreislauf – feststellbar. “Insbesondere in jüngeren Studien ist der positive Effekt – Performance folgt der ESG-Leistung – noch besser feststellbar”, ergänzt Friede.Aufgrund der positiven Wechselwirkung ist für den Anlagespezialisten klar, dass die Integration von ESG-Kriterien in die Asset Allocation Sinn macht. “Dass ESG-Faktoren über die Zeit hinweg stabil sind, zeigen die ausgewerteten Studien, aber auch zum Beispiel die Überrendite des MSCI World SRI Index gegenüber dem breiten MSCI World Index.” Der MSCI-Index konzentriert sich auf sozial verantwortlich handelnde (socially responsible, SRI) große und mittelgroße Unternehmen aus 23 entwickelten Ländern (vgl. Chart).Friede sieht die Möglichkeit, ein “ESG-Alpha” zu erzielen, indem in ein Portfolio investiert wird, das bereinigt um Sektor-, Regional- und Währungseffekte in die “besten” ESG-Faktoren investiere. Er hält aber auch fest, dass es noch unklar ist, “über welche Zeiträume verschiedene ESG-Effekte eigentlich am besten wirken”. Da es nach wie vor an standardisierten und damit verlässlich vergleichbaren Daten mangle, sei es sehr schwierig, festzustellen, wie schnell sich ESG-Themen auf die finanzielle Entwicklung eines Unternehmens auswirken. Je nach ESG-Hintergrund kann es sich um Tage, Monate oder Jahre handeln.Zugrunde liegen der von Friede mit verfassten Untersuchungen, die vom Global-Research-Institute von DWS herausgegeben wurde, 35 Vote-Count- und 25 Meta-Studien, die ihrerseits rund 150 Studien zwischen 1970 bis 2015 einbeziehen, die ESG-Effekte in Portfolien untersuchen, sowie rund 2 000 Studien von 1970 bis 2015, die ebensolche Effekte in Einzeltiteln analysieren. Vote-Count-Studien zählen nur positive und negative Studien, ohne die Qualität oder Größe zu berücksichtigen.In der nach wie vor fehlenden oder unzureichenden Datenlage von ESG-Faktoren sieht Portfoliomanager Friede eines der Hauptschwierigkeiten, dass sich ESG-Themen rascher am Markt durchsetzen können. Da inzwischen weltweit rund 70 Bill. Dollar verwaltete Vermögen nach Prinzipien für verantwortungsvolles Investieren (PRI) angelegt sind, stellt sich die Frage, wie die Qualität in der Berichterstattung von ESG-Faktoren verbessert werden kann. Anreiz für BeschönigungInitiativen wie jene des Sustainable Accounting Standards Board, der Task Force on Climate Related Disclosure oder der Europäischen Union seine vielversprechend. Friede weist dabei auf die bisher fehlenden Haftungsverpflichtungen für Unternehmen hin. “Die europäische CSR-Richtlinie legt beispielsweise keine genaue Verpflichtung fest, wie und was Unternehmen in ihrer Berichterstattung veröffentlichen müssen. Dies setzt Anreize, zunächst eher positive ESG-Faktoren zu berichten oder auch beschönigende Angaben zu machen”. Anders als in den Bilanzierungsstandards der finanziellen Berichterstattung sei in der “extrafinanziellen Berichterstattung bisher keine Sanktion vorgesehen, wenn Unternehmen fehlerhafte Daten berichten”.Der zertifizierte Finanzanalyst Friede managt selbst den DWS ESG Multi Asset Dynamic, der gemäß Morningstar ein Volumen von rund 200 Mill. Euro und ein Fünfsternerating aufweist. Zu den Top-Positionen zählen Samsung Electronics, Linde, die Google-Mutter Alphabet sowie Taiwan Semiconductor Manufacturing Company. “TSMC gehört zu den führenden Unternehmen in den Entwicklungsmärkten in Bezug auf ESG”, sagt Friede. Auch die im deutschen Blue-Chip-Index Dax gelisteten Titel seien im Schnitt und weltweit gesehen “überdurchschnittlich”. Friede nutzt dabei in der Titelauswahl Daten von sieben verschiedenen Anbietern, die ESG-bezogene Informationen liefern.Kleinere und mittelgroße Unternehmen würden sich dabei etwas schwerer in ESG-Ratings tun, was aber daran liege, dass diese noch weniger häufig darüber berichten. “Die Small und Mid Caps, die ESG-Berichte vorlegen, schneiden aber in der Regel gut und auch über längere Zeiträume konsistent ab.”Auffälligerweise haben laut der Untersuchung gerade auf ESG spezialisierte Fonds keine Überrendite gegenüber dem breiten Markt gezeigt. Dieses Phänomen sei erklärbar, sagt Friede. So seien verschiedene ESG-Portfolien aggregiert betrachtet worden, wodurch sie einem Marktportfolio wieder recht nahe kommen. Hinzu kämen andere Faktoren, welche ESG-Faktoren in diesen Portfolien überlagern können. Auf der Habenseite stehe die Erkenntnis, dass die untersuchten ESG-Portfolios zumindest “im schlechtesten Fall nicht schlechter als vergleichbare Nicht-ESG-Fonds abschneiden – bei einem emotionalen und gesellschaftlichen Zusatznutzen”.