Siegfried Ruhl

EU-Bonds als Alternative für Staatsanleihen

Die EU-Anleihen werden zur Alternative für Staatsbonds. Das stellt Siegfried Ruhl, Funding-Verantwortlicher bei der EU, in Aussicht. Er zeigt Investoren auf, wohin die Reise geht mit Sure- und NGEU-Bonds, dem künftigen Bill-Programm und den neuen Green Bonds der EU.

EU-Bonds als Alternative für Staatsanleihen

Kai Johannsen.

Herr Ruhl, mit einem Paukenschlag hat die Kommission im Oktober 2020 am Bondmarkt aufgewartet: 233 Mrd. Euro Nachfrage für zwei Sure-Bonds, mit denen die EU die Kurzarbeiterprogramme finanziert – sogenannt: Support to Mitigate Unemployment Risks in Emergency. Das war Rekord für den Deal und auch ein Meilenstein auf Einzelbondebene. Hatten Sie damit gerechnet?

Das war zweifellos ein starker Beginn. Wir hatten eine starke Nachfrage erwartet, zumal sich im Vorfeld bereits großes Investoreninteresse abzeichnete. Das Ergebnis – mit 17 Mrd. Euro zu dem Zeitpunkt das höchste Emissionsvolumen eines Supranationals in einer Transaktion, basierend auf dem größten Orderbuch im Markt für Anleihen staatlicher und supranationaler Emittenten – konnte in dieser Form aber niemand erwarten. Das war nicht nur eine Folge der Marktsituation, in der es viel Liquidität und Anlagebedarf gab und gibt. Das starke Ergebnis spiegelt auch das Vertrauen in Europa und seine Institutionen wider, welches das schnelle gemeinsame Handeln der europäischen Staaten zu Beginn der Pandemie bei den Anlegern geschaffen hat.

Über eine mangelnde Nachfrage konnten Sie sich auch in den Folgemonaten nicht gerade be­schweren. Platzierungsschwierigkeiten sehen anders aus. Wie hat sich das Investorensentiment entwickelt, und wo stehen Sie diesbezüglich heute?

Über alle Laufzeiten hinweg konnten wir in den folgenden Transaktionen sehr starkes Investoreninteresse se­hen. Selbst in etwas volatileren Marktphasen wie bei der siebten Su­re-Transaktion konnten wir ein Or­derbuch von fast 90 Mrd. Euro verzeichnen und erfolgreich 14 Mrd. in acht- und 25-jährigen Bonds platzieren. Die erfolgreiche Platzierung der großvolumigen, liquiden Sure-Emissionen und deren gute Performance im Sekundärmarkt haben zu­sätzlich das Interesse neuer Anleger, auch im internationalen Umfeld, ge­weckt. Zum Beispiel hatte unser In­vestor Relations Team zahlreiche Ge­spräche mit Zentralbanken außerhalb der EU, die bisher nicht in EU-Anleihen investierten, da diese nicht die erforderliche Liquidität im Sekundärmarkt aufwiesen. Durch die großvolumigen Sure-Anleihen und in Er­wartung der Emissionen für NGEU haben diese Investoren nun entsprechende Linien eingerichtet und EU-Anleihen in ihre Investmentstrategie aufgenommen.

Und andere Accounts?

Insgesamt ist bemerkenswert, dass die großen Orderbücher sehr deutlich auf einer starken Nachfrage sogenannter Real-Money-Investoren basieren. In der Zuteilung führt das oft zu schwierigen Entscheidungen und zu Repartierungen, die diese Investoren nicht gewöhnt sind. Wir haben im Durchschnitt circa 95% der für das Sure-Instrument begebenen Anleihen an diese Real-Money-Investoren zugeteilt.

Welche Investorentypen sind insgesamt mit von der Partie, und aus welchen Regionen kommen sie?

Unsere Real-Money-Investoren sind insbesondere Zentralbanken und öffentliche Institutionen, Pensionskassen und Versicherer sowie Fonds und Bank-Treasuries. Ihr Anteil an den einzelnen Emissionen ist von der Laufzeit abhängig. Pensionskassen und Versicherer sind tendenziell in den längeren Laufzeiten stärker vertreten, genauso wie Fonds, die Gelder von Versicherern und Pensionskassen verwalten. Zentralbanken bevorzugen eher mittlere Laufzeiten, hier liegt ihr Anteil teilweise über 40%. Wir haben traditionell eine sehr starke europäische Investorenbasis. Circa 90% der Sure-Emissionen gingen an europäische Investoren. Von den verbleibenden 10% wurde der größte Teil von asiatischen Investoren gekauft. Aber das internationale Interesse an EU-Anleihen steigt, das merken wir an den Investorenanfragen.

Vor der Sommerpause ist das Funding für Next Generation EU – kurz NGEU – angelaufen. Wie beurteilen Sie den Start?

Auf diesen Moment haben viele intensiv über Monate hingearbeitet. Das Team der Kommission, verstärkt durch Kolleginnen und Kollegen von internationalen Einrichtungen und nationalen Schuldenagenturen – unter anderem auch von der Deutschen Finanzagentur – hat die Erstemission für NGEU akribisch vorbereitet und ist froh, dass wir dank unserer Investoren weitere Rekorde aufstellen konnten. Die zehnjährige NGEU-Anleihe über 20 Mrd. Euro stellt die größte jemals an institutionelle Investoren platzierte Einzelemission dar, damit auch die größte jemals von einem supranationalen Emittenten im Markt platzierte Emission und natürlich auch die größte jemals begebene Anleihe der EU. Mehr als 600 Investoren haben das Orderbuch auf über 142 Mrd. Euro gebracht. Es folgten zwei weitere beeindruckende Transaktionen: eine Dual-Tranche mit fünf und 30 Jahren Laufzeit über insgesamt 15 Mrd. Euro Volumen mit einem Orderbuch von 170 Mrd. Euro. Mit einer 10 Mrd. Euro schweren 20-jährige Anleihe gingen wir mit der größten jemals von einem supranationalen Emittenten ausgegebenen 20-Jährigen in die Sommerpause.

Wie geht es nach der Pause weiter?

Pause gab es aber nur auf der Emissionsseite. Im Hintergrund haben insbesondere die Kolleginnen und Kollegen in Funding und IT die Finanzierungsaktivitäten für das zweite Halbjahr vorbereitet. Dabei wollen wir unseren Marktauftritt und unsere Finanzierungsmöglichkeiten weiterhin verbessern. Konkret bedeutet das: Jetzt im September werden wir unser EU-Bill-Programm starten und auch Auktionen zur Begebung unserer Emissionen nutzen. Unser Green Bond Team hat die Veröffentlichung des Green Bond Frameworks vorbereitet, um im Oktober die erste grüne Anleihe der EU ausgeben zu können.

Wie ordnet sich das Geldmarktprogramm in die EU-Funding-Strategie ein?

Das EU-Bill-Programm bildet die zweite Säule der diversifizierten Finanzierungsstrategie, die wir für die Finanzierung von NGEU aufbauen. Es ergänzt die regelmäßige Emission von liquiden Benchmark Bonds. Durch die EU-Bills können wir auf effiziente Weise unsere Liquidität steuern. Auszahlungen können vorübergehend mit Liquidität aus dem EU-Bill-Programm finanziert werden. Damit vermeiden wir eine Konzentration von Bond-Emissionen und können besser die Marktsituation und die Investorennachfrage berücksichtigen. Das EU-Bill-Programm gibt uns Zugang zum Geldmarkt, der sehr liquide ist. Damit können wir auch neue Investoren oder weitere Portfolios unserer bestehenden Investoren ansprechen. Mit den EU-Bills haben Anleger zum ersten Mal die Möglichkeit, in kurzen Laufzeiten liquide EU-Papiere zu kaufen. Das kann auch die internationale Rolle des Euro stärken.

Welches Laufzeitenspektrum bieten Sie hier an, und welche Volumina wollen Sie jährlich hierüber realisieren? Auf welchen Horizont ist das Programm ausgelegt?

Grundsätzlich können wir unter dem EU-Bill-Programm Laufzeiten bis zu einem Jahr begeben. Wir werden mit Drei- und Sechs-Monats-Bills beginnen. Das Volumen des Bill-Programms hängt natürlich von unserem Liquiditätsbedarf ab; grundsätzlich streben wir ein ausstehendes Volumen von 4 bis 5 Mrd. Euro pro Emission an.

Über welches Verfahren und in welchem Rhythmus sollen die Geldmarktinstrumente platziert werden?

Die EU-Bills werden im Auktionsverfahren begeben. Wir werden jeden ersten und dritten Mittwoch eines Monats Bill-Auktionen durchführen. Am ersten Mittwoch werden wir je einen neuen Drei- und Sechs-Monats-Bill ausgeben, am dritten Mittwoch werden diese Emissionen aufgestockt, um die Sekundärmarktliquidität zu erhöhen. Für den Beginn des EU-Bill-Programms haben wir eine kleine Abweichung: Die erste Bill-Auktion wird am 15. September erfolgen, die Aufstockung dieser Linien dann am 22. September, danach werden wir dem beschriebenen Rhythmus folgen.

Blicken wir auf Ihre Bond-Seite: Welche Emissionen sind nun im zweiten Halbjahr in puncto Volumina und Laufzeiten geplant? Was wird die längste Laufzeit sein, auf die sich Anleger von der EU in Sachen Sure und NGEU einstellen können?

Mit den Transaktionen im Juni und Juli haben wir bereits eine liquide Kurve für NGEU-Bonds aufgebaut. Wir haben Emissionen mit Laufzeiten von fünf, zehn, 20 und 30 Jahren ausstehen. Wir werden das zweite Halbjahr nutzen, um diese Kurve durch weitere Neuemissionen zu ergänzen. Zusätzlich werden wir die bestehenden Emissionen aufstocken, um die Sekundärmarktliquidität der Papiere zu erhöhen. Dazu werden wir auch Auktionen nutzen. Bei den Laufzeiten werden wir nicht über das 30-jährige Segment hinausgehen. Für das zweite Halbjahr sind derzeit keine Emissionen für das Sure-Instrument vorgesehen. Von den 100 Mrd. Euro, die für Sure vorgesehen sind, sind bereits circa 95 Mrd. Euro realisiert und ausgezahlt. Der verbleibende Betrag wird gegebenenfalls 2022 emittiert werden.

Sie planen auch weiterhin mit syndizierten Anleihetransaktionen: warum? Wie viele werden es bis zum Jahresende, wie sieht das Timing aus?

Wir werden künftig NGEU-Bonds sowohl im syndizierten Verfahren als auch über Auktionen begeben. Syndizierte Begebungen ermöglichen uns, große Volumina direkt bei den End­investoren zu platzieren. Das Emissionsrisiko für den Emittenten ist dabei begrenzt. Für den Rest des Jahres sind drei syndizierte Begebungen vorgesehen, jeweils eine in den Monaten September, Oktober und November. Die genauen Emissionswochen für syndizierte Emissionen haben wir im Finanzierungsplan kommuniziert. Das ist Teil unserer verbesserten, transparenteren Kommunikation mit den Marktteilnehmern, die sich somit besser auf das zu erwartende Angebot einstellen können. Wir werden auch künftig unsere Finanzierungspläne jeweils für sechs Monate im Voraus kommunizieren, die Vorausschau für 2022 wird rechtzeitig Ende des Jahres veröffentlicht werden.

Sie wollen auch Auktionen für Bonds einführen: Was ist der Grund, und wie ist der aktuelle Stand?

Wir werden am 27. September die erste Bond-Auktion durchführen. Auktionen sind für uns ein sehr effizienter und kostengünstiger Weg, Anleihen zu begeben. Gleichzeitig fördern sie die Sekundärmarktliquidität unserer Anleihen. Unsere Primary Dealer kaufen die Anleihen in der Auktion, um sie anschließend bei den Investoren zu platzieren. Dazu bieten sie den Anlegern oft Tauschgeschäfte gegen andere Anleihen an, so dass eine Vielzahl von Folgegeschäften generiert wird.

Was erwarten oder erhoffen Sie sich aus dem Zusammenspiel von syndizierten Emissionen und Auktionen von Anleihen?

Beide Begebungsverfahren haben Vorteile für Investoren und Anleger. Syndizierte Emissionen erlauben dem Emittenten höhere Volumina bei geringerem Exekutionsrisiko. Anleger können ihre Aufträge direkt platzieren. Auktionen haben für den Emittenten einen geringeren Arbeits- und Kostenaufwand, unterstützen den Sekundärmarkt, allerdings sind die Volumina in der Regel niedriger. Die Kombination beider Verfahren wird uns ermöglichen, die Vorteile beider Begebungen entsprechend der Marktsituation und unseres Liquiditätsbedarfs zu nutzen, um dadurch das bestmögliche Ergebnis sowohl für die EU-Mitgliedstaaten als auch für unsere Anleger zu erzielen. Die Einführung von Bond-Auktionen, ebenso wie die transparentere Kommunikation über unsere geplanten Finanzierungsaktivitäten, ist gleichzeitig Teil unserer Strategie, NGEU-Bonds näher an das Segment der Staatsanleihen zu bringen.

Das ist allerdings ein sehr liquides Segment: Mit welchen Volumina werden Sie in den kommenden Jahren agieren?

Insgesamt werden wir bis zu rund 800 Mrd. Euro über einen Zeitraum von circa 5,5 Jahren bis Ende 2026 finanzieren, das entspricht einem durchschnittlichen jährlichen Emissionsvolumen von etwa 150 Mrd. Euro. Auch wenn die EU rechtlich ein supranationaler Emittent ist, begibt sie sich damit in das Marktumfeld der liquiden Staatsanleihen und stellt für die Investoren in diesem Markt eine Alternative dar. Wir wollen diesen Investoren diese Alternative bieten und ihnen die Möglichkeit geben, im Rahmen der Standards dieses Marktes in sichere und liquide Papiere der EU zu investieren.

Welche Auktionstage für Anleihen auch in Koordination mit den staatlichen Emittenten soll es geben? Werden diese Auktionstage langfristig vorab festgelegt, ähnlich wie beim Bund?

Bond-Auktionen werden künftig immer am vierten Montag eines Monats stattfinden. Bei der Auswahl dieses Termins haben wir die bestehenden Auktionsdaten der staatlichen Emittenten berücksichtigt. Die Auktionstage stehen somit, so wie beim Bund, im Voraus fest. Anders als beim Bund werden wir allerdings erst in den Tagen vor einer Auktion in Konsultation mit unseren Primary Dealers festlegen, welche Papiere in welchem Volumen begeben werden. Wir erhalten uns damit die Flexibilität, auf die Bedürfnisse der Marktteilnehmer eingehen zu können. Damit ergänzen sie die syndizierten Begebungen. Wir streben an, in der Regel monatlich eine syndizierte Emission und eine Auktion durchzuführen.

Sie planen wie angesprochen ja auch die Emission von Green Bonds im Rahmen des EU-Green-Deals. Wie ist der aktuelle Stand hierzu?

Die Emission grüner Anleihen ist ein wichtiges Element unserer Bemühungen, eine modernere, nachhaltigere und krisenfestere Wirtschaft zu schaffen. Das ist ja auch das Besondere an diesem Aufbauinstrument. Es ist nicht darauf ausgerichtet, nur kurzfristig die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie abzumildern, sondern hat das Ziel, langfristig ein besseres Europa für unsere Kinder und deren Kinder zu schaffen.

Dafür haben Sie sich ja ein Rahmenwerk gegeben: Was sind zentrale Punkte?

Ja, wir haben jetzt das Green Bond Framework veröffentlicht, auf dessen Basis die NGEU Green Bonds begeben werden. Das Green Bond Framework ist darauf ausgerichtet, dass die vorgeschriebenen 37% der Ausgaben im Rahmen der Aufbau- und Resilienzfazilität zugunsten der Klimaziele fließen. Gleichzeitig müssen sich sämtliche Investitionen und Reformen der Mitgliedstaaten am Grundsatz der „Vermeidung erheblicher Beeinträchtigungen“ – do no significant harm – orientieren. Dadurch stellen wir sicher, dass wir nur wirklich grüne Investments über grüne Anleihen finanzieren. Das Green Bond Framework entspricht dem aktuellen Marktstandard, was uns auch durch eine Second Party Option bestätigt wurde. Wir geben unseren Investoren nun Zeit, dieses Green Bond Framework näher zu analysieren, und stehen in dieser Zeit natürlich im Dialog mit ihnen. Die Erstemission eines NGEU Green Bonds wird dann im Oktober erfolgen.

Welche Projektionen können Sie in Sachen Anzahl, Laufzeiten, Kurvenaufbau, Volumina für die Green Bonds in den nächsten ein bis zwei Jahren abgeben? Wie sehen Sie die EU in diesem Marktsegment als Player?

Es ist vorgesehen, 30% der gesamten Finanzierung für NGEU über die Emission von Green Bonds durchzuführen. Das entspricht circa 250 Mrd. Euro bis Ende 2026 oder durchschnittlich 40 bis 50 Mrd. Euro jährlich. Dadurch wird die EU voraussichtlich zum größten Emittenten grüner Anleihen. Dies wird den europäischen Kapitalmarkt, der derzeit in diesem Bereich weltweit führend ist, weiter stärken. Im Zeitablauf werden wir dabei in verschiedenen Laufzeiten bis 30 Jahre emittieren.

Sind auch noch andere zweckgebundene Anleihen wie weitere Social Bonds, Sustainability Bonds oder Sustainability-Linked Bonds geplant?

Nein, wir werden uns auf die Emission von grünen Anleihen für NGEU beschränken. Mit den verbleibenden Emissionen für das Sure-Instrument werden wir den Markt für Sozialanleihen weiter unterstützen. Darüber hinaus sind derzeit keine weiteren zweckgebundenen Anleihen geplant.

Das Interview führte

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