Europäische Aktien im Höhenflug

Nach dem starken Anstieg der vergangenen Monate halten Stockpicker ihre Zeit für gekommen

Europäische Aktien im Höhenflug

Institutionelle Anleger wie J.P. Morgan Asset Management sind optimistisch für europäische Aktien. Allerdings glauben nur die wenigsten in der Branche, dass sich die Kursge- winne auf breiter Front fortsetzen werden. Nicht dass man einen Absturz befürchten müsste – allerdings könnte der Markt stagnieren. Stock Picking ist wieder gefragt.Von Andreas Hippin, LondonDie sich abzeichnende wirtschaftliche Erholung in Europa ist zunehmend in die Aktienkurse eingepreist. Für institutionelle Anleger stellt sich die Frage, ob die Party nach den rasanten Kursgewinnen der vergangenen Monate schon zu Ende ist. Immerhin hat sich der MSCI Europe seit März 2009 mehr als verdoppelt. Die Erwartungen an die Konjunkturentwicklung sind hoch. Fast zwei Drittel der anwesenden europäischen Finanzjournalisten stimmten diese Woche bei einer Veranstaltung von J. P. Morgan Asset Management (JPAM) in London der Aussage zu, dass sich die europäische Wirtschaft aus der Rezession herausbewegt hat und das Wachstum breit angelegt ist.Dass es am Aktienmarkt weiter auf breiter Front aufwärtsgeht, glauben die wenigsten in der Branche. Allerdings ging es lange genug bergab. Die kumulierten Abflüsse aus europäischen Aktien belaufen sich seit den Rekordständen der Kurse im Jahr 2007 auf rund 100 Mrd. Dollar (siehe Grafik) – Jonathan Ingram, Portfolio Manager European Equities bei JPAM (Assets under Management, AuM: 1,5 Bill. Dollar) nennt das einen “gnadenlosen Ansturm auf den Ausgang”. Selbst der japanische Aktienmarkt ist besser gelaufen. Allerdings zeichnet sich seit der “Whatever it takes”-Rede des Präsidenten der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, im Juli 2012 eine Wende ab. Ingram ist mit seinem Team für 1,8 Mrd. Dollar verantwortlich.Oft werden die Kurse europäischer Unternehmen nicht vom Wirtschaftswachstum des Heimatmarkts getrieben. “Man investiert mit ihren Aktien nicht in europäische Staaten, man investiert auch nicht in die europäischen Verbraucher, sondern man investiert in globale Unternehmen, die ihren Sitz in Europa haben”, sagt Ingram. Andrew Formica, Chief Executive Officer der Fondsgesellschaft Henderson (AuM: 79 Mrd. Euro), sieht das ähnlich. “Das sind Weltkonzerne”, sagt der ehemalige Fondsmanager. “Warum sollte ein US-Unternehmen, nur weil es aus Amerika ist, eine um 20 % bis 30 % höhere Bewertung haben? Mit dem Geschäft hat das doch nichts zu tun.” “Home Bias”Zwei Beispiele: Die französische Total wird zu einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV, Basis: Gewinnschätzung für 2013) von 8,3 gehandelt, ExxonMobil kommt dagegen auf 11,5. Beim Pharmakonzern Sanofi beläuft sich das KGV auf 13,6, bei Johnson & Johnson auf 16. Die Liste ließe sich fortsetzen, allerdings wird für US-Aktien seit jeher mehr bezahlt. Hier wirkt der “Home Bias” der Nation, die mehr Geld in Aktien investiert als jede andere. Um das zu ändern, müssten Europäer ein Gutteil ihrer Altersvorsorge in Aktien investieren.Die größte Herausforderung ist nun, die Firmen herauszufiltern, deren Papiere nicht nur dann steigen, wenn alles anzieht. “Wenn ich mir ansehe, welche Aktien den europäischen Aktienmarkt anführen, gibt mir das wenig Zuversicht”, sagt Dominic Rossi, Global Chief Investment Officer Equities bei Fidelity Worldwide (AuM: 193 Mrd. Euro). Ausgerechnet griechische Banken verzeichneten dieses Jahr hohe Kursgewinne. Im Stoxx 600 gehören Bank Ireland und die spanische Bankinter zu den größten Gewinnern seit Ende 2012. Rossi geht davon aus, dass US-Aktien ihre Führungsrolle an den globalen Finanzmärkten verteidigen werden. Unternehmen aus der Eurozone werde es schwerfallen, ihre Gewinne weiter zu steigern, insbesondere wenn der Euro auf dem zuletzt erreichten Niveau verharren sollte. Die europäische Telekombranche findet Rossi jedoch attraktiv. Sie sei “reif für eine Konsolidierung”, und eine Reihe von Interessenten wie AT & T sehe sich bereits nach Akquisitionszielen um.Der Portfoliomanager Nicholas Horne von JPAM setzt auch sogenannte 130/30-Strategien ein, die in begrenztem Umfang Leerverkäufe ermöglichen. Zu den Short-Positionen gehören die schwedische CDON Group und der MDax-Wert SGL Carbon. Positiv sieht er den Maschinenbauer Dürr und den britischen Kioskbetreiber WH Smith. Niedrigere KostenIm aktuellen Umfeld spricht viel für aktives Fondsmanagement. Der Preisunterschied zu passiven Anlageprodukten wie ETF sei auf 30 Basispunkte geschrumpft, sagt Thomas Balk, President Financial Services bei Fidelity Worldwide. Niedrigere Kosten waren immer eines der stärksten Argumente der ETF-Branche.