EZB wohl vor Verlangsamung
kjo Frankfurt
Da die Straffung über die Kreditvergabe nach dem jüngsten Bankenschock zugenommen hat, dürfte die Straffung der Zinssätze geringer ausfallen als bisher angenommen. „Das bedeutet nicht, dass die EZB und andere Zentralbanken aufhören werden, die Zinsen zu erhöhen, aber wir sind dem Höhepunkt der Zinsen näher gekommen“, meinen Sam Vereecke, CIO Fixed Income, und Lowie Debou, Fondsmanager Fixed Income beim Vermögensverwalter Degroof Petercam Asset Management (DPAM).
Begrenzte Auswirkungen
„Bisher hatte der Straffungszyklus nur begrenzte Auswirkungen auf die Realwirtschaft. Der Konsum ist nach wie vor lebhaft, die Unternehmen sind nach wie vor sehr profitabel. Nach den jüngsten Ereignissen stellt sich vor allem die Frage, ob die Probleme der US-Regionalbanken und der Credit Suisse zu einer weltweiten Ansteckung unter den Finanzinstituten führen werden“, heißt es. Dies würde ihrer Ansicht nach die Zentralbanken der Industrieländer veranlassen, den Zinserhöhungszyklus früher als erwartet zu beenden oder sogar den geldpolitischen Kurs zu ändern. „Bislang gehen wir davon aus, dass dies nicht der Fall sein wird.“
Auf kurze Sicht sehen die beiden Fixed-Income-Experten insbesondere zwei Risiken. Erstens: „Sollte eine Bank aus Europas Peripherie die nächste in der Reihe sein, würden sich die Spreads der Peripherie im Vergleich zu den sicheren Häfen ausweiten. Wir halten dies für sehr unwahrscheinlich, da die Credit Suisse ein ganz besonderer Fall zu sein scheint und die Regulierungsbehörden um die Wichtigkeit des Vertrauens in das Finanzsystem wissen. Sollte die Ansteckungsgefahr zunehmen, werden sie klare und energische Maßnahmen ergreifen“, meinen Vereecke und Debou. Die Europäische Zentralbank habe bereits öffentlich ihr effektives Transmissionsschutzinstrument in Erwägung gezogen.
Kurswechsel?
Zum zweiten Aspekt werfen die beiden Experten die Frage auf: Würde dies den Kurs der EZB wesentlich ändern? Lagarde habe deutlich gemacht, dass die Zinsanhebung um 50 Basispunkte aus Sicht der Inflationsbekämpfung sehr vernünftig sei, dass aber die Finanzstabilität mit dem Hauptziel der EZB abgestimmt werden müsse. Sie werde nicht zögern, auch neue Instrumente zu schaffen, die auf die Belange der Finanzstabilität ausgerichtet seien. Darüber hinaus habe die Bank of England gezeigt, dass die Geldpolitik auch dann ihren Kurs beibehalten könne, wenn die Bilanz genutzt werden müsse, um ein Problem vorübergehend zu lösen. „Allerdings verstärkt ein Bankenschock die Übertragung der Geldpolitik über die Kreditvergabe. Damit sinkt die Notwendigkeit, den geldpolitischen Zinssatz zu erhöhen.“
Kerninflation hartnäckig
Mittelfristig sei der geldpolitische Kurs noch nicht ganz klar, da der Inflationsdruck nicht so schnell nachlasse wie erhofft. Auch wenn die Energiepreise stark rückläufig seien, halte sich die Kerninflation hartnäckig. Nach den aktuellen Ereignissen werde die EZB die geldpolitische Straffung zumindest verlangsamen, auch wenn die Inflation noch nicht vollständig mit dem Ziel übereinstimme. „Lieber auf Nummer sicher gehen – das heißt abwarten, bis die Geldpolitik voll durchschlägt –, als etwas zu bereuen. Die EZB wird versuchen, die Wahrscheinlichkeit einer falschen Entscheidung zu mindern, um nicht die Geldpolitik hinterher stärker lockern zu müssen, als sie gestrafft wurde“, so das Resümee.