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Faktor-Strategien spielen ihre Stärken aus

Börsen-Zeitung, 4.1.2019 Anlagestrategien auf Basis von Risiko-Faktoren haben sich mittlerweile zu einem etablierten Baustein für ein diversifiziertes Portfolio bei professionellen Anlegern entwickelt. Sie basieren auf der Annahme, dass die Auswahl...

Faktor-Strategien spielen ihre Stärken aus

Anlagestrategien auf Basis von Risiko-Faktoren haben sich mittlerweile zu einem etablierten Baustein für ein diversifiziertes Portfolio bei professionellen Anlegern entwickelt. Sie basieren auf der Annahme, dass die Auswahl von Wertpapieren anhand verschiedener Faktoren langfristig betrachtet zu einem verbesserten Risiko-Renditeprofil gegenüber einem traditionellen Vergleichsindex führen kann.Bei herkömmlichen Indizes werden die Aktien oder Anleihen anhand ihrer Marktkapitalisierung beziehungsweise dem ausstehenden Volumen gewichtet, um die Marktentwicklung abzubilden. Dagegen haben Faktor-Indizes das Ziel, den Anlageerfolg zu verbessern, indem Titel höher gewichtet werden, die mit Blick auf bestimmte Faktoren oder Investmentstile wie Value, Quality, Momentum und Low Volatility ausgesucht werden. Faktor-ETFs, die entsprechende Indizes abbilden, können damit eine weitere Risikodimension bilden, zusätzlich zu traditionellen Einteilungen wie Länder und Sektoren. Verwässerte EffekteBisher wurden allerdings Faktor-Strategien in der Praxis oft nur im Aktienmarkt eingesetzt. Neue Untersuchungen haben aber gezeigt, dass diese Vorgehensweise unter Umständen dazu führt, dass positive Effekte verwässert werden. Die Fondsgesellschaft DWS hat konkret untersucht, zu welchen Ergebnissen eine Kombination von Aktienfaktor-Indizes führt. Dabei zeigt sich, dass die statische Hinzunahme von weiteren Faktor-Strategien im Aktiensektor sogar zu einer Verringerung der Information Ratio geführt hat. Eine statische Kombination mehrerer Faktoren scheint den Tracking Error deutlich zu verringern. Im untersuchten Zeitraum von Mitte 2000 bis Mitte 2018 sank der Tracking Error nämlich von rund 5 % bei Investition in nur einen Faktor-Index auf weniger als 2 %, wenn fünf Faktor-Indizes statisch investiert wurden. Aber die Überrenditen wurden im diversifizierteren Portfolio von fünf Faktoren im Vergleich zu den besten Faktoren deutlich verwässert. Ein “naives” Multi-Faktor-Portfolio nähert sich demnach immer stärker dem breiten Markt an. Die jeweiligen Vorteile der Faktor-Strategien, die sich bei einzelner Betrachtung zeigen, scheinen sich in einer statischen Kombination zumindest teilweise aufzuheben.Zudem werden bei der Konzentration auf den Aktienmarkt die Chancen außer Acht gelassen, die sich durch Faktor-Strategien im Rentensegment bieten. Daher könnte es sinnvoll sein, Faktor-Strategien in einer Multi-Faktor-Perspektive größere Bedeutung einzuräumen. Die Sinnhaftigkeit der Multi-Asset-Perspektive zeigt sich durch die unterschiedliche Definition von Risikofaktoren in verschiedenen Anlageklassen. Nehmen wir als Beispiel den Quality-Faktor. Einkommensorientierte Aktien-Investoren achten beim Quality-Faktor auf ein überlegenes Geschäftsmodell mit hohen Markteintrittsbarrieren, eine hohe und stabile Profitabilität. Diese Vorgehensweise ist eher risikoaffin und sucht nach soliden, buchhalterisch fundierten Renditechancen.Ein qualitätsorientierter Renteninvestor achtet dagegen stärker auf Stabilität und attraktive Zinserträge. Die Vermeidung von Risiken steht im Vordergrund. Renteninvestoren sind üblicherweise an strenge Anlagerichtlinien gebunden und müssen definierte Anlageziele erfüllen.Ein auf Unternehmensanleihen fokussierter Investor würde demnach zum Beispiel die Qualität eines Investments an einer Bargeldquote, dem Verschuldungsgrad, der Kapitalstruktur oder der Governance festmachen. An diesem Beispiel wird deutlich, dass eine Faktor-Strategie im Rentenbereich zu komplementären Ergebnissen im Vergleich zum Aktiensegment führt. So würden sich Aktien- und Rentenfaktoren ergänzen und nicht verwässern.Eine beispielhafte Anwendung einer Faktor-Strategie im Rentenbereich, die zu nachweisbar positiven Ergebnissen geführt hat, ist die Corporate-Yield-Plus-Strategie. Hier wird der Carry-Faktor betont: Die Yield-Plus-Strategie sucht nach höheren Renditen im Investment- Grade-Bereich, ohne gleichzeitig die Risiken signifikant zu erhöhen. Yield-Plus-StrategieIm Detail wird der Teil des Marktes für Dollar-Unternehmensanleihen mit der höchsten Verzinsung abgebildet, die mit einem Investment-Grade-Rating bewertet werden. Im Unterschied zu traditionellen Indizes fallen jedoch Anleihen bei einer Yield-Plus-Strategie nicht heraus, wenn sie das Investment-Grade-Rating verlieren (“Fallen Angels”).Eine Yield-Plus-Strategie für Dollar-Unternehmensanleihen führt derzeit zu einem Renditeaufschlag von 70 Basispunkten zusätzlich zu Unternehmensanleihen mit Investment-Grade-Rating. Im Gegenzug muss man mit höheren Schwankungen beim Renditeaufschlag aufgrund des erhöhten Kreditrisikos und leicht erhöhten durchschnittlichen Geld-Brief-Spannen rechnen.Um zu untersuchen, ob eine Kombination von Aktien- und Rentenfaktoren tatsächlich zu positiven Ergebnissen im Sinne der Kombination möglicher Überrendite-Prämien führt, hat DWS daher ein einfaches und statisches Multi-Asset-Portfolio getestet. Hier wurde ein auf hohe laufende Zinserträge fokussierter Carry-Rentenfaktor mit einem Quality-Aktienfaktor kombiniert. Beide Faktor-Indizes ergänzen ein Portfolio aus Dollar-Unternehmensanleihen als Basisportfolio. Die Gewichtung der Komponenten zielt darauf ab, die Risikobeiträge zwischen dem Aktienteil und dem Rententeil ungefähr gleich zu halten (sogenannte “equal risk contribution”). Geringere VolatilitätEbenfalls wird das Gewicht des Aktienfaktor-Portfolios gleich mit dem Gewicht des Carry-Rentenportfolios gesetzt. Dies ist wichtig, damit sich die Faktorprämien aus den beiden Strategien auch etwa gleich ausdrücken können. Das Ergebnis untermauert die Vermutung, dass eine statische Multi-Asset Faktor-Allokation sinnvoller sein kann als eine statische Aktienfaktor-Kombination. Im Vergleich zu einem Benchmark-Portfolio aus Unternehmensanleihen und einem MSCI-World-Index weist das Faktor-Portfolio eine geringere Volatilität und eine bessere Wertentwicklung in Aufwärtsphasen auf. In Verlustphasen waren die Ergebnisse beider Portfolios dagegen vergleichbar. Die Kombination der beiden Faktoren im Multi-Asset-Depot hat also zu einer verbesserten Sharpe-Ratio geführt. Durch die statische Kombination von Faktor-Investments im Aktiensegment heben sich einige Vorteile einzelner Faktoren unter Umständen wieder auf. In einem Multi-Asset-Kontext dagegen kann es zu komplementären Ergebnissen kommen, die zu einem verbesserten Risiko-Rendite-Verhältnis führen.—-Olivier Souliac, DWS, Index Strategy & Analytics