IM INTERVIEW: DOMINIK POIGER, VAN ECK

"Fallen Angels als das smarte High-Yield-Investment"

Portfoliomanager: Segment bietet Outperformance gegenüber gesamtem Hochzinsmarkt - Nach Abstieg aus Investment Grade folgt in der Regel Kurserholung

"Fallen Angels als das smarte High-Yield-Investment"

Unter Fallen Angels versteht der Finanzmarkt Anleihen, die durch eine Rating-Herabstufung aus dem Investment-Grade-Bereich in das High-Yield-Segment absteigen. Fallen-Angels-Anleihen sind ein sehr interessantes Segment, meint Dominick Poiger, Portfoliomanager von Van Eck, und verweist unter anderem auf eine überdurchschnittliche Performance. Herr Poiger, was kann Fallen Angels für Investoren interessant machen?Unserer Meinung nach sind Fallen Angels ein extrem interessantes Segment des High-Yield-Marktes. Wir bezeichnen Fallen Angels als das smarte High-Yield-Investment. Historisch haben diese Anleihen das breite High-Yield-Segment outperformt, was mehrere Gründe hat. Wenn man beispielsweise auf den gesamten Hochzinsmarkt schaut, dann haben Fallen Angels einen Rating-Puffer. Normalerweise stürzen diese Anleihen, wenn sie durch den Abstieg aus dem Investment-Grade-Segment zu Fallen Angels werden, nicht gleich um mehrere Rating-Stufen ab, sondern werden in den oberen Bereich von High Yield herabgestuft. Fallen Angels bewegen sich eher im “BB+”-Bereich, der breite Hochzinsmarkt insgesamt eher im Single-B-Bereich. Wodurch ergibt sich denn die Outperformance?Wenn eine Anleihe aus dem Investment-Grade-Bereich absteigt, müssen viele Investoren, die keine High-Yield-Anleihen halten dürfen, diese verkaufen. Die Outperformance ergibt sich dadurch, dass dieser Halterwechsel nicht erst mit der Herabstufung auf unter “BBB-” beginnt, sondern diese bereits vorweggenommen und damit eingepreist wird. Anders ausgedrückt: Ein Kursverfall setzt deutlich vorher ein, weil viele Institutionelle verkaufen müssen, und zum Zeitpunkt des Abstiegs aus dem Investment-Grade-Bereich ist der Halterwechsel bereits vollzogen. Im Durchschnitt beginnen die Fallen Angels bereits unmittelbar nach der Herabstufung outzuperformen. Als Fallen-Angels-Anleger investiert man quasi konträr, wenn eine Anleihe den Tiefpunkt erreicht und einen Abschlag auf ihren fairen Wert aufweist, und profitiert dann von der anschließenden Kurserholung. Führen Probleme spezifischer Branchen, die zu vielen Abstiegen aus dem Investment-Grade-Universum führen, nicht gelegentlich zu erheblichen Veränderungen in der Sektorzusammensetzung des Fallen-Angels-Segments? Es gab ja viele Abstiege in der Energiebranche, als der Ölpreis im Jahr 2016 verfiel.Es gab damals tatsächlich einen starken Anstieg des Anteils der Energiebranche am ICE BoA ML Global Fallen Angel High Yield Index, auf den wir einen ETF aufgelegt haben. Damals kamen etwa Noble Holding und Petrobras im Fallen-Angel-Segment hinzu. Nach der großen Finanzkrise, die 2007 begann, gab es etwas Ähnliches für die Finanzbranche. Das Gewicht des Automobilsektors stieg von 2005 bis ungefähr Mitte 2006 stark an, um dann ab 2007 wieder abzuschmelzen. Was passiert, wenn ein Fallen Angel wieder in den Investment-Grade-Bereich zurückkehrt?Das ist gewissermaßen der Idealfall. Ein Beispiel ist die brasilianische Votorantim Cimentos. Durch die Krise in dem Land ist das Unternehmen in den High-Yield-Bereich abgerutscht. Später hat sich dann die Lage in Brasilien wieder verbessert. Außerdem hat sich das Unternehmen besser aufgestellt. Es hat sein Financial Leverage reduziert und stand durch die Erholung der brasilianischen Wirtschaft wieder operativ besser da. Dadurch ist ihm die Rückkehr in den Investment-Grade-Bereich gelungen. Wir mussten es dann als Konsequenz der Indexregeln natürlich aus unserem Portfolio entfernen, konnten aber vorher von der Kurserholung profitieren. Wie oft kommt so ein Wiederaufstieg in den Investment-Grade-Bereich vor?Im Durchschnitt werden pro Jahr ungefähr 4 bis 5 % des Index wieder in den Investment-Grade-Bereich heraufgestuft. Fallen Angels können doch auch weiter in der Rating-Skala abschmieren.Ein Unternehmen kann sogar ausfallen, wenn sich seine Lage entsprechend weiter verschlimmert. Der Vorteil eines ETF generell liegt aber darin, dass er ein breit diversifiziertes Portfolio abbildet. Damit können Schäden durch Ausfälle abgemildert werden. Ein Beispiel, bei dem der Indexbetreiber umsichtig gehandelt hat, ist die PG&E. Dieser Versorger, der sich im Investment-Grade-Bereich befand, wurde für die verheerenden Großbrände in Kalifornien verantwortlich gemacht und sah sich enormen Schadenersatzforderungen ausgesetzt. Er hätte durch den Abstieg in den High-Yield-Bereich in den Index aufgenommen werden müssen. Der Indexbetreiber hat aber entschieden, die Anleihe nicht aufzunehmen, weil absehbar, dass der Emittent Chapter 11 beantragen würde. Der ETF ist aber doch ein passives Produkt.Er ist ein passives Produkt, und als passiver Anbieter haben wir keine Möglichkeit zu entscheiden, welcher Emittent in den Index aufgenommen wird und welcher nicht. Eine Besonderheit war hier, dass PG&E nach kalifornischem Recht ihren Angestellten 15 Tage im Voraus mitteilen musste, dass sie Chapter 11 beantragen würde. Damit stand fest, dass die Anleihen innerhalb weniger Wochen wieder aus dem Index ausscheiden würden. Der BoA ML Global Fallen Angel High Yield Index ist regelbasiert. So gibt es Mindestemissionsvolumina von beispielsweise 250 Mill. Dollar und 250 Mill. Euro. Damit soll ein Mindestmaß an Liquidität gewährleistet werden. Wie groß ist, gemessen am BoA ML Global Fallen Angel High Yield Index, das Fallen-Angel-Universum?Derzeit beinhaltet der Index 398 Positionen. Die Marktkapitalisierung beläuft sich auf rund 250 Mrd. Dollar. Der ICE BoA ML Global High Yield Index, welcher den breiten High-Yield-Markt abbildet, weist eine Marktkapitalisierung von knapp 2 Bill. Dollar auf. Wie ausgeprägt fällt die Outperformance von Fallen Angels aus?Es gibt eine deutliche strukturelle langfristige Outperformance. Je länger der Zeithorizont, desto stärker fällt die Outperformance im Vergleich zum breiten High-Yield-Markt aus. In den zurückliegenden zehn Jahren betrug die Outperformance, gemessen an den ICE-BoA-ML-Indizes 44 Prozentpunkte. Kurzfristig kann es allerdings vorübergehende Phasen der Underperformance geben, wenn es beispielsweise aus bestimmten Gründen zu einer deutlichen Erholung von Anleihen der niedrigeren Rating-Bereiche kommt. In Zeiten globaler Unsicherheit, die von Spread-Ausweitungen geprägt sind, entwickeln sich Fallen Angels üblicherweise besser als Hochzinsanleihen insgesamt. In solchen Phasen kommt der bereits erwähnte Rating-Puffer besser zum Tragen. Wie hoch ist die durchschnittliche jährliche Performance von Fallen Angels?Gemessen am Index haben Fallen Angels in den zurückliegenden zehn Jahren durchschnittlich 10,75 % p. a. abgeworfen. Der Ertrag des breiten High-Yield-Index belief sich in diesem Zeitraum auf 8,82 % p. a. Investoren machen sich wegen des späten Stadiums des Konjunkturzyklus Sorgen. Was bedeutet das für Fallen Angels?Historisch ist zu beobachten, dass Fallen Angels den breiten Hochzinsmarkt dann outperformen, wenn das ausstehende Fallen-Angels-Volumen steigt. Wir befinden uns im letzten Viertel des Kreditzyklus. Wir rechnen mit einer steigenden Anzahl Downgrades. In der Vergangenheit war ein solches Umfeld für Fallen Angels aber eher von Vorteil. Das Interview führte Christopher Kalbhenn.