IM INTERVIEW: ED VERSTAPPEN, ROBECO

"Fintech weist sehr starkes strukturelles Wachstum auf"

Portfoliomanager: Weniger zyklisch als Technologiesektor insgesamt - Breites Themenspektrum ermöglicht diversifiziertes Investieren - Hypes zu meiden

"Fintech weist sehr starkes strukturelles Wachstum auf"

Kaum ein Thema bewegt die Finanzbranche derzeit wie Fintech. Es ist auch aus Anlagesicht sehr interessant, ist Ed Verstappen überzeugt. Der Portfoliomanager von Robeco, die den Robeco Global Fintech Equites Fund anbietet, verweist unter anderem auf ein sehr starkes strukturelles Wachstum. Herr Verstappen, Robeco bietet einen Fintech-Aktienfonds an. Was bieten Fintech-Unternehmen den Anlegern?Fintech ist ein interessantes Thema. Es gibt zwar keine klare Definition des Begriffs, und wir haben ein breites Verständnis des Themas. Klar ist aber: Die Fintech-Branche weist ein sehr starkes strukturelles Wachstum auf, etwa im Bereich bargeldloser Zahlung. In Deutschland hat die Barzahlung zwar noch einen hohen Anteil, während beispielsweise Schweden und Singapur in puncto bargeldloser Zahlung wesentlich weiter sind. Aber es gibt auch hier eine starke Bewegung hin zum bargeldlosen Zahlen. Ein extremes Beispiel ist Schweden mit einem Anteil des bargeldlosen Zahlens von 85 %. Hier gab es Probleme mit Geschäften, die kein Bargeld mehr annahmen, so dass die Regierung eingriff und die Geschäfte zwang, Bargeld anzunehmen. Insgesamt ist der Trend aber klar, vor allem in Asien, das weiter fortgeschritten ist als Europa. Hat Ihr Fonds von der Übernahmewelle in der Branche profitiert?Das hat er. Investoren profitieren von der Branche nicht zuletzt dadurch, dass die Margen der Unternehmen bei zunehmender Größe steigen. Denn es handelt sich um ein sehr skalierbares Geschäft. Eben deswegen gibt es so viele M&A-Transaktionen. In diesem Jahr haben sechs Unternehmen aus unserem Portfolio fusioniert, weil es einfach Sinn ergibt, größer zu werden. Einige Aktien von Zahlungsabwicklern haben starke Schwankungen gezeigt. Sind nicht auch die Risiken der Branche erheblich?Im zurückliegenden Jahr sind Aktien von Zahlungsabwicklern in den ersten neun Monaten gut gelaufen, ehe es im vierten Quartal zur Korrektur kam. Gelegentlich gibt es Risiken, denn die Bewertung kann die guten Wachstumsperspektiven manchmal schon enthalten. Wir haben im September 2018 beispielsweise Wirecard nach dem starken Kursanstieg von 2 % auf 1 % in unserem Portfolio reduziert. Welche Fintech-Themen spielen Sie noch? Gibt es Diversifikationsmöglichkeiten?Zahlungsdienstleister machen derzeit ungefähr 30 % unseres Portfolios aus. Das Fintech-Themenspektrum ist aber sehr breit. Das für uns infrage kommende Universum besteht aus mehr als 200 Unternehmen. Themenbereiche, in die wir auch investieren, sind beispielsweise Wealth Management, Cybersecurity, Big Data und elektronischer Handel. Wir können ein Portfolio bauen, dass durch Diversifikation stabilisiert wird. Im vierten Quartal sind die Zahlungsabwickleraktien gesunken. Dafür haben die Börsen von der höheren Volatilität profitiert, weil der elektronische Handel stark stieg. Die Branche basiert auf Assets, deren Renditen steigen, wenn das Geschäft steigt. Es sind wenig zusätzliche Investitionen notwendig. Die Branche ist nicht so kapitalintensiv wie die Chip-Branche. Sie ist auch deutlich weniger zyklisch wie die gesamte Technologiebranche und wurde auch weniger stark vom Handelskonflikt und dem Vorgehen der USA gegen Huawei getroffen. Wie viele Werte haben Sie in Ihrem Portfolio?Unseren diversifizierten Ansatz setzen wir auch um, was die Zahl der Positionen betrifft. Wir haben zwischen 60 und 65 Aktien im Portfolio. Wie ist es um Cyberrisiken der Fintech-Branche bestellt?Wie die gesamte Finanzbranche hat auch die Fintech-Branche Cyberrisiken. Entscheidend ist für uns aber, dass sich daraus eben auch Geschäftschancen ergeben. So gibt es interessante Unternehmen, die Finanzdienstleister vor Denial-of-Service-Attacken schützen, bei denen die Websites von Unternehmen durch massiven Mailbeschuss lahmgelegt werden. Um für uns investierbar zu sein, muss ein Cybersicherheitsunternehmen mindestens 25 % seines Geschäfts mit Finanzdienstleistern bestreiten. Ein Beispiel ist Akamai, die 40 % ihres Erlöses damit erwirtschaftet, die Finanzbranche vor Denial-of-Service-Attacken zu schützen. Die Finanzbranche ist die am stärksten von Cyberattacken betroffene Branche, aber auch die mit den am stärksten fortgeschrittenen Schutzvorkehrungen. Auch die Aktien von Cybersicherheitsunternehmen haben sich sehr stark entwickelt. Welche Chancen bieten sich für Sie in Asien?Asien ist bei vielen Fintech-Innovationen führend. Die Regierungen fördern die Branche stark, weil sie innovativ ist. Zudem haben sie ein starkes Interesse an der Überwachung der Kapitalflüsse. Allerdings würden wir uns wünschen, dass auch Investmentgelegenheiten entstehen, was noch nicht der Fall ist. Nehmen Sie als Beispiel den E-Commerce-Konzern Alibaba. Auf seinen Zahlungs-Service Alipay entfallen weniger als 25 % des Erlöses, so dass das für uns nicht investierbar ist. Wir denken allerdings, dass es durch Abspaltungen und IPOs mehr Investmentgelegenheiten in der Region geben wird. Ist Fintech nicht ein Stück weit ein Modethema mit ähnlichen Fallstricken, wie wir sie in der Dotcom-Blase gesehen haben?Es gibt viele sogenannte “Buzz Words”, mit denen gedankenlos hantiert wird, wie etwa Distributed Ledger Technology und Blockchain. Für uns ist es wichtig, realistisch zu bleiben. Dass jeder über etwas spricht, bedeutet noch lange nicht, dass etwas automatisch investierbar ist. Es ist auf jeden Fall notwendig, den Hypes aus dem Weg zu gehen. Manche Themen werden zu stark hochgejubelt oder sind noch in einem zu frühen Stadium, um ein profitables Geschäftsmodell hervorzubringen. Oft liegt nur heiße Luft vor. So gab es zum Beispiel das Thema E-Commerce bereits Ende der 90er Jahre. Es hat dann aber nahezu 20 Jahre gebraucht, um wirtschaftlich existenzfähig zu werden. Vor zwei Jahren sprach jeder über Blockchain. Es gab Firmen in China, die Blockchain im Namen trugen, aber nichts damit zu tun hatten. Dennoch stiegen ihre Aktien. Ist Blockchain noch nicht investierbar?Mit unserem balancierten Ansatz investieren wir in unterschiedliche Reifestadien. Blockchain befindet sich noch in einer frühen Phase. Wir investieren aber in Beratungsfirmen, die Blockchain-Projekte unterstützen. Wir versuchen derzeit noch nicht, die Blockchain-Gewinner der Zukunft zu prognostizieren, sondern gehen vielmehr in die Zuliefererkette rein. Im Fintech-Bereich können interessante Zulieferer Anbieter von Beratung, Software, Cybersecurity et cetera sein. Wie hoch sind Ihre größten Einzelposten im Portfolio gewichtet?Die meisten Einzelwerte haben einen Anteil von 1 bis 2 %. Wir haben einen dreistufigen Ansatz. Hat ein Unternehmen ein solides Geschäftsmodell und wird es in signifikantem Ausmaß vom strukturellen Fintech-Wachstumstrend profitieren, wird es zunächst einen Anteil von 1 % erhalten. Dieser steigt auf 2 %, wenn außerdem positive Signale durch unser Quant-Faktor-Modell, relative Bewertung oder ESG-Faktoren vorliegen. Liegen für diese drei Bereiche durchweg positive Werte vor, kann der Anteil eines Wertes auf 3 % steigen. Wie sieht die Performance Ihres Fintech-Fonds aus?Bislang zeigt der Fonds mit einem Plus von 23 % seit seinem Start im Dezember 2017 und von 29 % im bisherigen Jahresverlauf eine starke Performance. Wir sind überzeugt, dass das daran liegt, dass der Fintech-Trend so stark ist. Man muss zwar die guten Werte der Branche finden, aber ihr Trend ist definitiv stark. Das größte Risiko sehen wir in einer verstärkten Risikoaversion. Dadurch würden Technologieaktien insgesamt unter Druck geraten. Allerdings glauben wir, dass unser Fonds weniger stark an Wert verlieren würde. Mit Aktien aus Bereichen wie Zahlungsabwicklung und Cybersecurity ist der Fintech-Sektor weniger stark vom Zyklus abhängig als etwa die Chip-Industrie. Wird Fintech die traditionellen Finanzdienstleister zerstören?Das ist eine Frage, die uns oft gestellt wird. Wir glauben, dass Fintech-Unternehmen damit Geld verdienen werden, den Finanzdienstleistungsunternehmen zu helfen, das heißt, sie werden mit ihnen kooperieren. Die traditionellen Firmen brauchen Fintech, die Fintech-Firmen brauchen die traditionellen Unternehmen, die über die Endkunden verfügen. Anders sähe dies aus, wenn Große wie Amazon den Finanzdienstleistungssektor angreifen sollten. Denn sie haben sehr viel Geld. Aber sie werden das wahrscheinlich nicht machen, weil der Finanzsektor stark reguliert ist und sie eben nicht so stark reguliert werden wollen. Das Interview führte Christopher Kalbhenn.