Ford droht ein perfekter Sturm
Von Dieter Kuckelkorn, Frankfurt
Die Aktie des US-Autokonzerns Ford hat im laufenden Jahr eine bemerkenswerte Entwicklung genommen. Notierte die Aktie am Jahresanfang noch zu rund 25 Dollar, halbierte sich der Wert bis Anfang Juli auf unter 13 Dollar. Dann jedoch setzte eine rasante Erholung ein, die den Kurs wieder über 16 Dollar trieb. Der Kursauftrieb stellte sich jedoch als eine Bärenmarktrally heraus. Insbesondere ein Kurssturz von 12% am 20.September sorgte dafür, dass die Aktie zeitweise deutlich unter 12 Dollar fiel. Erst zuletzt konnte sich die Aktie wieder über 12 Dollar retten. Damit ergibt sich aber für den bisherigen Jahresverlauf ein Kursverlust von sage und schreibe knapp 42%. Dieser ist jedoch vor dem Hintergrund des Kursanstiegs von 140% im Jahr 2021 zu sehen, der dem Hype rund um die Elektromobilität geschuldet war. Die aktuelle Kursentwicklung im laufenden Jahr stellt das Minus des US-Benchmark-Index S&P500 von nur knapp 22% im negativen Sinn weit in den Schatten. Allerdings hat sich auch General Motors seit Anfang 2022 nicht besser geschlagen, und wenn man, weil sich Ford als Elektroautohersteller neu definieren will, Tesla zum Vergleich heranzieht, sieht es dort auch nicht besser aus. Die Elon-Musk-Company hat im gleichen Zeitraum etwas mehr als 41 % eingebüßt. Investoren hätten besser auf Toyota gesetzt, deren Aktie – zumindest in Yen gerechnet – seit Anfang Januar nur um knapp 5% nachgegeben hat.
Ford kommt derzeit auf eine Marktkapitalisierung von 49 Mrd. Dollar, der Konzern befindet sich damit auf Augenhöhe mit General Motors (49 Mrd. Dollar). Gegenüber Tesla mit 689 Mrd. Dollar ist Ford – trotz der deutlich höheren Anzahl der verkauften Fahrzeuge – aber ein Zwerg. Die Fantasie der Investoren ist somit nach wie vor in der Tesla-Aktie drin, nicht jedoch in Ford oder GM.
Frühes Stadium
Dafür gibt es gute Gründe. Die Umstellung auf die Produktion von Elektroautos befindet sich bei Ford in einem frühen Stadium, während der Konzern nun mit voller Wucht von der aufziehenden schweren Rezession auch in den USA, der die Kaufkraft der Konsumenten auffressenden Inflation und weiteren Schwierigkeiten wie der Unsicherheit in den Lieferketten sowie den altbekannten und nach wie vor vorhandenen Qualitätsproblemen geplagt wird. Man könnte also von einem perfekten Sturm für den Konzern sprechen, der gerade aufzieht.
Dementsprechend fällt das Anlageurteil der in den USA notorisch optimistischen Analystengemeinde nur gemischt aus. Von 23 Banken raten zwar neun zum Kauf, bei einer Einstufung mit „Overweight“. Allerdings gibt es auch zehn Anlageurteile mit lediglich „Hold“ sowie zwei Verkaufsempfehlungen und einmal „Underweight“. Das durchschnittliche Kursziel liegt bei 15,34 Dollar, was zwar bezogen auf den aktuellen Kurs einem Potenzial von 27% entspricht, aber weit unter dem Niveau vom Jahresbeginn liegt.
Die Ford-Aktie hat bisher eine recht hohe Dividendenrendite von zuletzt 3,9% geboten; die Dividende wurde auf 60 Cent je Aktie angehoben. Auf Basis der Ergebnisse der vergangenen zwölf Monate liegt das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) bei lediglich 4,2, was zunächst günstig erscheint. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass Ford angesichts des äußerst trüben Umfelds in die Verlustzone rutschen könnte. Die Nerven der Anleger liegen jedenfalls blank, wie der genannte Kurssturz vom 20. September zeigt, bei dem es sich um den schlimmsten seit einer Dekade gehandelt hat. Zuvor hatte der Konzern bekannt gegeben, dass die inflationsbedingten Kosten im laufenden dritten Quartal um 1 Mrd. Dollar höher liegen werden als bislang erwartet. Analysten nahmen das zum Anlass, noch einmal auf die Auswirkungen der Chip-Knappheit hinzuweisen, deren Ende nun wohl weiter in der Zukunft liege als erwartet. 50000 Fahrzeuge seien bei Ford betroffen, wurde vom Management mitgeteilt, dies sind vor allem Autos mit hohen Gewinnmargen. Im Juli hatte der Konzern bereits eingeräumt, dass die Materialkosten im Gesamtjahr gegenüber der vorherigen Periode um 4 Mrd. Dollar steigen würden. Ford erwartet, dass der operative Gewinn im dritten Quartal zwischen 1,4 und 1,7 Mrd. Dollar liegen wird – vor dieser Veröffentlichung waren Analysten im Durchschnitt ungefähr vom Doppelten ausgegangen.
Die Transition zum Elektroautokonzern läuft ebenfalls nicht problemfrei. Zwar ist es Ford gelungen, eine Elektroversion ihres für den Konzern enorm wichtigen Pick-up-Modells F-150 auf die Räder zu stellen. Ein einflussreicher Youtuber mit mehr als 1,4 Millionen Kanalabonnenten hält den batteriebetriebenen Pritschenwagen jedoch aktuell für ein „totales Desaster“. Der Versuch, mit dem elektrischen F-150 Lightning einen Ford-Pick-up aus den 1930er Jahren mit einem Gewicht von etwas mehr als 1 500 Kilogramm abzuschleppen, führte dazu, dass die Reichweite des elektrischen F-150 auf unter 100 Meilen sank, was das Fahrzeug in der Praxis weitgehend unbrauchbar machen würde. Das Video wurde bislang mehr als 2,8 Millionen Mal angesehen. Und dann sind da noch die bereits angesprochenen Qualitätsprobleme. Im August wurde Ford zu 1,7 Mrd. Dollar Schadenersatz verurteilt, weil das Dach eines F-250 im Jahr 2014 bei einem Unfall kollabierte, was ein Ehepaar das Leben kostete. CEO Jim Farley sagte in der Telefonkonferenz zum zweiten Quartal: „Wir werden weiterhin durch Produktrückrufe und Probleme mit der Kundenzufriedenheit belastet.“ Laut „Wall Street Journal“ könnten im laufenden Jahr 6,8 Millionen Fahrzeuge von Rückrufen betroffen sein, das ist das 4,5-Fache von General Motors – ein Konzern, der in Sachen Qualität auch nicht gerade als das Maß aller Dinge gilt.
Die große Frage ist aber, wie sich die amerikanische und die weltweite Konjunktur im kommenden Jahr entwickeln. In Europa muss man sich auf das Schlimmste gefasst machen, und in den USA wird die Wahrscheinlichkeit einer Rezession inzwischen ebenfalls mit 100% angesetzt. Ford ist zwar nach Einschätzung vieler Analysten mit den beiden Elektroautos F-150 Lightning und Mustang Mach-E sowie dem wiederbelebten Geländewagenmodell Bronco im Markt gut aufgestellt und hat auch zuletzt Marktanteilsgewinne verzeichnet. Ob das ausreicht, um in dem im nächsten Jahr äußerst schwierigen Umfeld für Auftrieb beim Aktienkurs zu sorgen, darf aber bezweifelt werden.