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Frontier Markets: Renditekick oder Risikotreiber?

Börsen-Zeitung, 11.10.2014 Die Jagd nach Rendite lenkt den Blick vieler Investoren auf die Frontier Markets, die bislang kaum jemand auf dem Radar hatte. Gemeint sind Staaten, die an der Grenze zum Schwellenland stehen. Seit Jahresbeginn...

Frontier Markets: Renditekick oder Risikotreiber?

Die Jagd nach Rendite lenkt den Blick vieler Investoren auf die Frontier Markets, die bislang kaum jemand auf dem Radar hatte. Gemeint sind Staaten, die an der Grenze zum Schwellenland stehen. Seit Jahresbeginn investierten Fonds über 2,2 Mrd. Dollar in solche Länder. Der staatliche norwegische Pensionsfonds etwa legte sein Geld unter anderem in Jordanien, Kenia, Rumänien, Tunesien und Vietnam an. Es gibt allerdings keine allgemeingültige Definition, welche Länder Frontier Markets sind. Der Referenzindex J. P. Morgan Next Generation Markets Index (NEXGEM) umfasst derzeit 29 Nationen aus Afrika, Lateinamerika, Asien, Osteuropa und dem Nahen Osten. Überdurchschnittlicher ErtragDie Anlageklasse Frontier Markets bietet deutliche Renditevorsprünge. Die Durchschnittsrendite für in US-Dollar notierte Staatsanleihen der Grenzmärkte beträgt derzeit rund 6,61 %, während Staatsanleihen aus klassischen Emerging Markets mit 5,29 % rentieren. Auch im Vergleich zu Hochzinsanleihen aus Europa und den USA bieten Frontier Markets Bonds Renditevorteile. Gute PerspektivenDoch nicht nur unter kurzfristigen Renditeaspekten sind die Frontier Markets attraktiv. Auf längere Sicht dürften sich die Ratings ihrer Anleihen und damit die Kapitalwerte verbessern. Derzeit tragen Emissionen aus Grenzmärkten meist Non-Investment-Grade-Ratings, doch viele dieser Länder stehen fundamental besser da, als allgemein angenommen wird. Die Pro-Kopf-Einkommen sind zwar meistens niedrig und die Finanzmärkte noch unterentwickelt, doch von den 25 Volkswirtschaften mit dem höchsten Wachstum der vergangenen zehn Jahre zählen 23 zu den Frontier Markets.Unterstützend wirken die demografischen Strukturen. Der Anteil junger Menschen ist oft sehr hoch, die Grenzmärkte werden daher einen immer höheren Anteil an der Weltarbeitsbevölkerung stellen. Das Produktivitätswachstum ist zudem oft höher als in entwickelten Nationen, bedingt durch starke ausländische Direktinvestitionen, verbesserte Rahmenbedingungen und die geringe externe Verschuldung. Der Verschuldungsgrad der Frontier Markets liegt mit 18 % deutlich unter den Werten der klassischen Schwellenländer (29 %) und der G-7-Staaten (126 %). Geringe KorrelationFrontier-Markets-Anleihen bieten beste Diversifikationsmöglichkeiten für ein Gesamtportfolio. Ihre Duration liegt meist niedriger als die der Schwellenländeranleihen, und ihre Korrelation zu anderen Asset-Klassen ist sehr gering, weil die Grenzmärkte noch relativ wenig Spekulationsgeld angezogen haben. Aus diesem Grund bestimmen überwiegend lokale und regionale Faktoren die Entwicklung. Seltene EmissionenInvestitionen in Frontier Markets sind nicht risikolos. Ihre Marktkapitalisierung macht weniger als 10 % der Marktkapitalisierung aller Schwellenländer aus. Die Emission von Schuldtiteln in Fremdwährungen ist seltener, die Emissionsvolumina sind niedriger und die Investorenbasis ist kleiner als im übrigen Emerging-Markets-Universum. Daher sind Bonds aus Frontier Markets oft deutlich illiquider, außerdem gibt es oft hohe Restriktionen für ausländische Investoren. Im Vergleich zu anderen Anleihetypen müssen Anleger zudem mit einer deutlich höheren Volatilität rechnen. Die Gründe für starke Kursschwankungen können politische Konflikte sein, aber auch stark sinkende Rohstoffpreise, die Grenzmärkte vergleichsweise schwerer treffen würden als die klassischen Schwellenländer.Wegen der fehlenden Transparenz weisen Frontier Markets zudem oft Ineffizienzen auf. Diese allerdings bieten Investoren auch interessante Chancen. Weil inzwischen immer mehr Geld in die Grenzmärkte fließt, werden Tiefe und Breite ihrer Finanzmärkte sich dem Niveau der Emerging Markets annähern, die Korrelationen gegenüber anderen Märkten dürften in der Folge steigen. Wie investieren?Bei Frontier-Markets-Anlagen sind eine breite Diversifizierung, lokale Expertise und Marktzugang elementar. Um Anlegern einen professionellen Zugang zu ermöglichen, hat ING IM im Dezember 2013 den ING (L) Renta Fund Frontier Markets Debt aufgelegt. Der Fonds ist nicht immer in alle Indexstaaten investiert, kann dafür aber Länder berücksichtigen, die nicht im Index enthalten sind, derzeit beispielsweise die Länder Venezuela und Ruanda. Der Schwerpunkt liegt auf Hartwährungstiteln, vor allem auf Anleihen in Dollar. Papiere in Lokalwährungen können bis zu 10 % des Portfolios ausmachen, dessen Löwenanteil Staatsanleihen stellen. Derzeit ist nur ein Corporate Bond im Fonds, mit der Weiterentwicklung der Frontier Markets dürfte dieser Anteil aber steigen. Günstiges UmfeldDie Weltwirtschaft wird voraussichtlich in moderatem Tempo wachsen, die Inflationsaussichten sind gedämpft, und die meisten Zentralbanken dürften länger an niedrigen Leitzinsen festhalten. In diesem Umfeld sind auch die Anleiherenditen von Frontier Markets nicht mehr zweistellig, oft werden ihre Anleihen zu 6 oder 7 % auf den Markt gebracht. Mangels renditestarker Alternativen dürfte der Andrang auf diese Anlageklasse aber anhalten, eine Neuemission von Ruanda war kürzlich sechsfach überzeichnet. Anleger sollten nicht mit allzu großen Summen einsteigen, weil der Markt dafür zu klein ist, aber als Beimischung eignen sich die Frontier Markets sehr gut. Auch der Einstiegszeitpunkt ist günstig, denn die Spreads (Risikoaufschläge) sind derzeit fair bis attraktiv bewertet.—-Roy Scheepe, Senior Client Portfolio Manager EMD bei ING Investment Management