Anleihen

Für Bondinvestoren kommt es auf die Konvexität an

Anleiheanleger sollten bei der Portfoliokonstruktion auf die Konvexität und nicht nur auf die Duration achten.

Für Bondinvestoren kommt es auf die Konvexität an

Die Anleiherenditen haben sich 2022 erheblich verschoben. Dies stellt die Annahme in Frage, dass die Beziehung zwischen dem Kurs einer Anleihe und ihrer Rendite linear ist. Unter den aktuellen Rahmenbedingungen lohnt sich ein Blick darauf, wie empfindlich die Duration einer Anleihe auf Renditeveränderungen reagiert. In anderen Worten: auf die Konvexität. Die meisten Anleger in festverzinslichen Wertpapieren sind sehr vertraut mit der Verwendung der verschiedenen Durationsmaße, mit denen sich die Zinssensitivität ihrer Portfolios messen lässt. Das am weitesten verbreitete Maß ist die Modified Duration. Sie geht davon aus, dass die Beziehung zwischen dem Kurs einer Anleihe und ihrer Rendite linear ist. Diese Annahme ist zutreffend, solange die Renditeschwankungen infinitesimal sind.

Drohende Fehleinschätzung

2022 haben sich die Anleiherenditen jedoch stark verändert, weil die Zentralbanken weltweit mit Zinserhöhungen die steigende Inflation bekämpfen. Daher ist es für Anleger wichtig, die Krümmung oder Nichtlinearität der Preis-Rendite-Beziehung in ihre aktiven Anlageentscheidungen einzubeziehen. Andernfalls könnte der erwartete Preisrückgang infolge eines Renditeanstiegs überschätzt werden. Das Gegenteil ist der Fall, wenn der erwartete Preisanstieg infolge einer Renditesenkung unterschätzt wird. Konvexität – ein weiteres wichtiges, aber oft übersehenes Kriterium – muss angewendet werden, um diese Krümmung zu berücksichtigen.

Mathematisch gesehen ist die Modified Duration die erste Ableitung der Anleihepreis-/Renditefunktion. Die Konvexität ist die zweite Ableitung. Die Konvexität misst, wie empfindlich die Duration einer Anleihe auf Renditeänderungen reagiert, das heißt wie sehr sich die durchschnittliche Bindungsdauer des Kapitals bei Renditeschwankungen verändert. Sie ist abhängig vom Anleihekurs, der Rendite, der Zeit bis zur Fälligkeit und der Summe der Anzahl der Kuponzahlungen. Zwei Anleihen mit der gleichen Duration, aber unterschiedlichen Kuponflüssen haben nicht die gleiche Konvexität. Unabhängig von steigenden oder fallenden Zinssätzen ist die Anleihe mit der höheren Konvexität immer vorzuziehen.

Das Beispiel macht deutlich: Anleger sollten bei der Portfoliokonstruktion auf die Konvexität und nicht nur auf die Duration achten. Um die Bewertung der Konvexität des Portfolios zu vervollständigen, müssen Anleger zudem berücksichtigen, welche Anleihen in ihrem Portfolio kündbar sind und welche nicht. Ob eine Anleihe kündbar ist oder nicht, spielt bei hohen Zinsen kaum eine Rolle. Dies ändert sich jedoch, wenn sich die Zinsen deutlich nach unten bewegen.

Ab einem gewissen Punkt wird die Konvexität einer kündbaren Anleihe negativ – sie wird bei weiter sinkenden Zinsen schlechter abschneiden als eine endfällige Anleihe. Der Grund für dieses Preisverhalten ist ein sehr einfacher: Wenn eine kündbare Anleihe zu ihrem nächsten Kündigungspreis gehandelt wird, haben die Anleger keinen Anreiz, einen Preis über diesem Preis zu zahlen, unabhängig von den Marktzinsen. Der Anleger erhält am Tag der Kündigung lediglich den Kündigungspreis ausbezahlt.

Die Konvexität ist aber auch für Anleger relevant, die auf dem Markt für Neuemissionen tätig sind. Neue Anleihen werden in der Regel zum Nennwert verkauft, während Anleihen auf dem Sekundärmarkt nach den starken Verlusten im zurückliegenden Jahr mit einem erheblichen Abschlag auf den Nennwert gehandelt werden. Beispielsweise weist eine 0,85-Prozent-Österreich-Anleihe mit Laufzeit bis vom 30. Juni 2120 eine höhere Konvexität und Duration auf als eine theoretische Neuemission mit derselben Laufzeit, die zum Nennwert mit einem höheren und jetzt marktüblichen Kupon ausgegeben wird, der das aktuelle Handelsniveau widerspiegelt. Letztere Anleihe wird bei weiter steigenden Zinsen besser abschneiden. In einem Markt mit fallenden Zinsen werden sich dagegen die Anleihen mit dem deutlich niedrigeren Kurs besser entwickeln. Die Entscheidung, sich am Markt für Neuemissionen zu beteiligen, hängt also nicht nur von der Prämie auf die potenzielle Neuemission ab, sondern auch von den Zinserwartungen der Anleger. Während die geringere Duration und Konvexität von Neuemissionen dazu beitragen könnten, das Abwärtsrisiko zu verringern, könnten die höhere Duration und Konvexität der be­stehenden Anleihen besser dazu beitragen, das Aufwärtspotenzial zu nutzen.

Hohe Emissionsaktivität

Letzteres könnte neben anderen Gründen auch erklären, warum die Neuemissionstätigkeit im US-Investment-Grade-Bereich 2022 so lebhaft geblieben ist. Weil die Zentralbanken die Zinssätze höchstwahrscheinlich weiter anheben werden, dürften die Anleger die Gelegenheit genutzt haben, die Gesamtduration ihrer Portfolios sowie die Konvexität zu verringern, und trotzdem konnten sie von höheren Kreditspreads profitieren. Zusammenfassend ist festzustellen, dass neben der Duration, die ein wichtiger Maßstab für die Bewertung des Portfoliorisikos ist, auch die Konvexität berücksichtigt werden sollte. Erstens ist beim Vergleich von Anleihen mit gleicher Duration das Papier mit der höheren Konvexität immer die bevorzugte Option. Zweitens ist es wichtig, dass die Konvexität einer Anleihe positiv ist. Drittens bietet der Wechsel von einer abgezinsten Anleihe zu einer Neuemission, die zum Nennwert gehandelt wird, den Anlegern nicht nur die Möglichkeit, eine Neuemissionsprämie zu erzielen. Die Anleger erhalten auch die Gelegenheit, ihre Ansichten über die künftige Zinsentwicklung zum Ausdruck zu bringen.

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