Anleger stimmen mit den Füßen ab

Für britische Aktien schwindet die Hoffnung

Britische Aktien gelten schon lange als attraktiv bewertet. Doch die Maßnahmen der im Juli gewählten Labour-Regierung setzen die Rentabilität der heimischen Unternehmen unter Druck.

Für britische Aktien schwindet die Hoffnung

Schwindende Hoffnung

Britische Aktien sind attraktiv bewertet, doch kurzfristige Kursgewinne sind nicht in Sicht

Von Andreas Hippin, London

Britische Aktien gelten schon lange als attraktiv bewertet. Doch die Maßnahmen der im Juli gewählten Labour-Regierung setzen die Rentabilität der heimischen Unternehmen unter Druck. Die defensive Natur des britischen Markts könnte allerdings für Anleger attraktiv werden, wenn sich die Stimmung an den Börsen nach der Amtseinführung von Donald Trump eintrüben sollte.

Das britische „Shares Magazine“ hat auf einen möglichen Wendepunkt für heimische Aktien aufmerksam gemacht: Im November verzeichneten britische Aktienfonds auf Monatsbasis erstmals seit April 2021 Zuflüsse. Dividendentitel aus dem Vereinigten Königreich sind sowohl im historischen Vergleich als auch im Vergleich zu anderen Aktienmärkten sehr günstig, wie Sell-Side-Strategen seit langem betonen.

Die Erwartung sinkender Zinsen und eine Stabilisierung der politischen Lage nach dem Wahlsieg von Labour im Juli weckten Hoffnungen auf eine Fortsetzung der im ersten Halbjahr 2024 verzeichneten Aufwärtsbewegung am britischen Markt. Doch der erste Haushalt von Schatzkanzlerin Rachel Reeves sorgte für Ernüchterung.

Unternehmensgewinne unter Druck

Höhere Sozialversicherungsbeiträge für Arbeitgeber, eine drastische Senkung der Schwelle für die Beitragspflicht und ein höherer Mindestlohn schmälern die Rentabilität von vorwiegend auf dem heimischen Markt tätigen Unternehmen. Dadurch wächst das Risiko, dass sie den Gewinnerwartungen der Anleger nicht gerecht werden.

Die Bank of England beließ es wegen des Inflationsdrucks im vergangenen Jahr bei zwei Leitzinssenkungen. Die Bank Rate war damit zum Jahresschluss deutlich höher als noch im Sommer erwartet. Das macht Geldmarktprodukte attraktiver als Aktien.

Anleger stimmen mit den Füßen ab

Der Fondsdatenanbieter Calastone machte darauf aufmerksam, dass die im November verzeichneten Rekordzuflüsse in Aktienfonds insgesamt darauf zurückzuführen sein dürften, dass Anleger die von Schatzkanzlerin Reeves verkündeten Steuererhöhungen vermeiden wollten. Es sei „unwahrscheinlich“, dass die ersten Zuflüsse in 42 Monaten eine Wende für den „unbeliebten“ britischen Markt einleiten, lautete die Einschätzung von Calastone.

Britische Kleinanleger stimmen seit Jahren mit den Füßen ab, wie die Statistiken der Investment Association zeigen. Demnach verzeichneten britische Aktienfonds auf Jahresbasis seit 2015, dem Jahr des EU-Referendums, nur Abflüsse.

Passive Produkte als Trendverstärker

Die Wahl von Donald Trump zum nächsten US-Präsidenten führte in den vergangenen Monaten dazu, dass noch mehr Geld in US-Aktien investiert wurde. Die im Vergleich zum britischen Markt bessere Performance und der Trend zu passiven Produkten, die weltweit auf Grundlage der Größe der jeweiligen nationalen Aktienmärkte anlegen, verstärkten diese Tendenz.

Käme es aber zu einer breiteren Risk-off-Bewegung, könnte der britische Markt wegen seiner defensiven Natur für Anleger attraktiv werden. Die Strategen von J.P. Morgan halten das im ersten Halbjahr für möglich. Zudem sei die britische Wirtschaft weniger anfällig für US-Zölle, weil das verarbeitende Gewerbe dort keine große Rolle mehr spiele.

„Abnormal billig"

Die UBS rät gar dazu, britische Aktien überzugewichten. In die Kurse konjunkturempfindlicher Unternehmen seien bereits zu viel gute Nachrichten eingepreist, heißt es im Jahresausblick der Schweizer Investmentbank. Der britische Markt entwickele sich überdurchschnittlich, wenn sich defensive Werte überdurchschnittlich entwickelten.

Auf Grundlage der branchenbereinigten Kurs-Gewinn-Verhältnisse sind britische Aktien aus Sicht der UBS-Strategen „abnormal billig“. Der Anteil von Aktienrückkäufen an den frei verfügbaren Aktien (Buyback Yield) sei wesentlich höher als in den Vereinigten Staaten. Das war früher umgekehrt. Britische Firmen profitierten von einem starken Dollar, denn ein Fünftel der Umsätze kämen aus den USA.

Hohes Kreditrisiko unterstellt

Zudem wird an den Märkten den Schweizern zufolge ein zu hohes Kreditrisiko eingepreist. Der Spread zwischen britischen Staatsanleihen (Gilts) und Bundesanleihen sei höher als zu der Zeit, in der die glücklose Premierministerin Elizabeth Truss die Bondmärkte mit ihrem nicht gegenfinanzierten Wachstumshaushalt überraschte.

Positiv wertet die UBS das starke Reallohnwachstum und höhere Ausgaben der öffentlichen Hand. Zu den von ihren Strategen bevorzugten Werten, die vor allem auf dem heimischen Markt tätig sind, gehören Banken, Einzelhändler, Hausbaugesellschaften, Ziegelproduzenten.

Panmure Liberum traut IAG viel zu

Unter den Top Picks von Panmure Liberum für 2025 finden sich der Einzelhändler Currys, der Immobilienmakler Foxtons und die British-Airways-Mutter IAG. Unter den Werten, denen die Strategen des aus einer Fusion hervorgegangenen Brokers die schlechtesten Aussichten zusprechen, gehören Aktien des einstigen Börsenlieblings Asos, der Pubkette JD Wetherspoon und des Billigfliegers Wizz Air.

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