MARKTPLATZ

Für Aktien wird die Luft dünn

In beeindruckendem Tempo ist in den zurückliegenden Wochen eine lange Wunschliste der Aktienmärkte beinahe vollständig abgearbeitet worden. Die drohende Italien-Krise ist mit der gelungenen Regierungsbildung der Fünf-Sterne-Bewegung und des Partito...

Für Aktien wird die Luft dünn

In beeindruckendem Tempo ist in den zurückliegenden Wochen eine lange Wunschliste der Aktienmärkte beinahe vollständig abgearbeitet worden. Die drohende Italien-Krise ist mit der gelungenen Regierungsbildung der Fünf-Sterne-Bewegung und des Partito Democratico bis auf Weiteres abgewendet worden, die Chancen, dass der Hard Brexit vermieden werden kann, sind deutlich gestiegen, und im Handelskonflikt gab es zuletzt sehr vielversprechende Signale einer Entspannung, so am Freitag die Ankündigung Chinas, dass amerikanisches Soja und Schweinefleisch von neuen Strafzöllen ausgenommen werden. Zu guter Letzt hat schließlich die Europäische Zentralbank zwar nicht alle Wünsche der Finanzmärkte erfüllt, aber insgesamt mit einem umfassenden Lockerungsmaßnahmenpaket geliefert. An den Aktienmärkten ist diese Serie guter Nachrichten sehr positiv aufgenommen worden. Seit dem Stand am 15. August von 11 266 ist der Dax bis auf knapp 12 500 Zähler und damit um mehr als 1 000 Punkte bzw. um bis zu 11 % gestiegen.In der Stimmungslage der Anlagestrategen hat sich all dies allerdings nicht niedergeschlagen. Im Gegenteil: Seit Sommerbeginn haben Finanzinstitute reihenweise auf eine vorsichtigere Strategie bzw. auf eine Untergewichtung von Dividendentiteln umgeschaltet, eine Welle, die bis vor kurzem anhielt. Die insgesamt eher skeptische Haltung ist auch angebracht. Denn das Umfeld ist auch jetzt nicht so, dass ein anhaltender Höhenflug zu erwarten wäre. Tatsächlich wird die Luft auf den erreichten Höhen doch merklich dünn. Die Unsicherheit bleibtDie politischen Risiken haben deutlich nachgelassen, sind aber noch längst nicht vom Tisch. Wie das Brexit-Chaos ausgehen wird, entzieht sich jeder Prognose, so dass die damit einhergehenden ökonomischen Verwerfungen nach wie vor drohen. Und ob die jüngsten Entspannungssignale Vorboten einer nachhaltigeren Lösung im Handelskonflikt sind, ist noch unklar. Die Unsicherheit bleibt bestehen und damit auch die dadurch bedingte, für die sich abschwächende globale Konjunktur bedenkliche Investitionszurückhaltung.Überdies sind die positiven politischen Entwicklungen ebenso wie die massive globale geldpolitische Lockerungswelle mittlerweile zumindest ein gutes Stück weit in die Kurse eingearbeitet. Letztere hat Dividendentitel, was die relative Bewertung bzw. den Mangel an Anlagealternativen betrifft, in den zurückliegenden Monaten deutlich besser gestellt. Absolut gesehen sieht das Bild nun aber ganz anders aus. Seit Jahresbeginn hat der Dax um 18 % zugelegt, während die Erwartungen an die Unternehmensgewinne deutlich zurückgegangen sind. Der Konsens geht mittlerweile von einem Rückgang der Gewinne der Dax-Unternehmen im laufenden Jahr um rund 3 % aus, nachdem Ende 2018 noch ein Wachstum von etwas mehr als 10 % erwartet worden war. Im Ergebnis ist das 2019er Kurs-Gewinn-Verhältnis des Dax seit Jahresbeginn von 11 auf beileibe nicht mehr günstige 14,5 gestiegen. Und es steht zu befürchten, dass die bald beginnende Berichtssaison den Abwärtstrend der Gewinnprognosen nicht stoppen kann.Allerdings werden sich die Blicke in den kommenden Wochen mehr und mehr auf das kommende Jahr richten. Anlässlich der Vorlage der Zahlen für das dritte Quartal werden sich die Unternehmen zu den Aussichten des nächsten Jahres äußern und sich dabei aller Wahrscheinlichkeit nach nicht gerade euphorisch geben. Derzeit erwartet der Konsens – von der allerdings gedrückten Basis für 2019 – für das Jahr 2020 ein Wachstum der Dax-Unternehmensgewinne von nahezu 15 %. Damit ist absehbar, dass die Erwartungen für das nächste Jahr noch deutlich nach unten geschraubt werden. Für entsprechend wenig begeisternd halten Strategen die Aussichten des Dax im nächsten Jahr. “Wir haben nur geringe Erwartungen an das Anlagejahr 2020”, so am Freitag die DZ Bank. “Die Gewinnaussichten der deutschen Unternehmen haben sich insbesondere infolge des Handelsstreits der Trump-Administration mit China sowie der Sorgen rund um einen No-Deal-Brexit eingetrübt. Es ist nicht absehbar, dass sich die unruhige politische Gemengelage im kommenden Jahr schlagartig ändern wird und Unternehmer wieder deutlich eifriger neue Investitionen angehen werden.”Noch könnte sich die Klettertour des Dax durchaus fortsetzen, etwa durch einen Deal bzw. eine Art Waffenstillstand zwischen den USA und China im Handelskonflikt oder eine weitere Leitzinssenkung der Fed in der neuen Woche. Dann dürfte aber allmählich das Ende der Fahnenstange erreicht werden.