GAM: Zenit der Rentabilität in USA überschritten
kjo Frankfurt – Ein deutlicher Kurseinbruch an den globalen Aktienmärkten hat die Investoren im Oktober überrascht. Die Ursache für den Ausverkauf war nicht unbedingt einem bestimmten Ereignis zuzuschreiben. Denn als neu wurden die Sorgen, welche die Weltwirtschaft in Atem halten, nicht eingestuft.Hierzu gehören eine mögliche Eskalation des Handelskriegs, die Unsicherheit über die US-Halbzeitwahlen, das verlangsamte Wachstum in China oder ein möglicher harter Brexit. “Es ist zwar gerade in Mode, große Ausverkäufe an den Märkten auf algorithmischen Handel oder Index-Tracker zu schieben, die ETFs abstoßen. Doch auch das kann nicht die ganze Wahrheit sein”, sagt Larry Hatheway, Chefökonom bei dem Vermögensverwalter GAM Investments. Zurückhaltende Stock Picker”Die Zurückhaltung der Stock Picker deutet darauf hin, dass die Märkte ihren Höhepunkt bereits erreicht haben. Mit Beginn der ,Post-Peak-Phase` werden sowohl das Wirtschaftswachstum als auch die Unternehmensgewinne nicht mehr zunehmen”, ergänzt der Experte. Eine Folgeerscheinung sei, dass den wiederkehrenden Meldungen zu umstrittenen politischen Entscheiden und Entwicklungen mehr Bedeutung zugemessen werde.In der Regel sei es für die Märkte einfacher, über Unsicherheiten hinwegzusehen, wenn die Fundamentaldaten stark seien. Ändere sich dies, hätte dies zur Folge, dass Investoren sich mit einem Abgrund konfrontiert sähen. Betrachte man vor diesem Hintergrund das globale Wachstum, habe die Wirtschaft in den Vereinigten Staaten bereits Mitte dieses Jahres ihren Höhepunkt erreicht. “Der amerikanische Immobilienmarkt und die Autoverkäufe entwickeln sich schwächer, und die realen Short-Zinsen nähern sich wieder dem positiven Bereich. Der Anstieg der Unternehmensausgaben dank Steuersenkungen und Deregulierung ist im Gange, wird aber wohl nächstes Jahr wieder nachlassen. Die Unternehmenssteuern werden nicht noch einmal gesenkt, und die Früchte der Deregulierung wurden bereits geerntet”, sagt Hatheway.Dazu habe die US-Wirtschaft Vollbeschäftigung erreicht mit einem Trendwachstum von rund 2,5 %. Im Vergleich dazu verzeichnete das Bruttoinlandsprodukt (BIP) eine Wachstumsrate von 4,2 % im zweiten Quartal und 3,5 % im dritten Quartal. Ab diesem Punkt verlangsame sich entweder das Wachstum oder beschleunige sich die Inflation. Passiere Letzteres, werde die Fed die Zinsen noch schneller anheben, um sicherzustellen, dass sich das Wirtschaftswachstum verlangsamt.Auch das Argument des goldenen Zeitalters der Rentabilität könne Investoren nicht unbedingt zu Aktien zurücklocken: “Der Anteil der Unternehmensgewinne am US-BIP erreichte im zweiten Quartal 2012 mit 12,6 % seinen Höhepunkt, um den er einige Jahre lang schwankte. In den vergangenen zwei Jahren ist er jedoch zurückgegangen und liegt nun fast zwei Prozentpunkte unter dem zyklischen Höchststand”, so der Experte. Die Löhne nähmen allmählich zu, die Produktivität lasse nach. Energiekosten würden steigen, ebenso wie die Kosten der Fremdfinanzierung. Und nicht zuletzt würden die neuen Zölle die Preise für gewisse Rohmaterialien in die Höhe treiben. China kann nicht einspringenKann China die Vereinigten Staaten als Wachstumslokomotive der Welt ersetzen? Für Chefökonom Hatheway ist dieses Szenario aus zwei Gründen unwahrscheinlich: “Erstens hätte China nur wenig davon, die Geldpolitik weiter zu lockern. Zweitens lockert China nun die Kreditvorgaben, um das Risiko auszugleichen, dass die Exporte durch den zunehmenden Handelskonflikt mit den USA schrumpfen könnten. Das ist kaum beruhigend, denn China bereitet sich auf das Schlimmste vor, statt sich kompromissbereit zu zeigen”, so der Experte weiter.Die Unternehmensgewinne in den USA nach dem Höchststand seien beunruhigend, denn 2018 waren US-Aktien der einzige sichere Wert. Es stelle sich für Anleger die Frage, ob ein anderer Aktienmarkt die USA in dieser Rolle ablösen könne. Hatheway ist bei diesem Aspekt eher pessimistisch gestimmt: “Japan erfreut sich zwar heimlich eines bemerkenswerten jahrzehntelangen Anstiegs der Unternehmensgewinne, aber kann sich wirklich jemand vorstellen, dass Japan allein die globalen Aktienmärkte anführen wird? Europa und die Schwellenländer haben es immer wieder versäumt, ihre Gewinne zu steigern, und ohne eine Beschleunigung des Wirtschaftswachstums wird sich dies auch nicht ändern”, so Hatheway.Zusammenfassend könne man sagen, dass die Märkte in guten Zeiten eine schwierige politische Landschaft sowie eine restriktive Geldpolitik der Fed eher tolerierten, als nachdem sie ihren Zenit überschritten haben. “Obwohl es durchaus willkommen wäre, wenn andere Aktienmärkte die Führungsrolle der Vereinigten Staaten übernehmen, scheint dies eher unwahrscheinlich, solange auf geo- wie auch wirtschaftspolitischer Ebene so viele Unsicherheiten herrschen”, sagt Hatheway.