IM GESPRÄCH: BRIAN SINGER, WILLIAM BLAIR

"Gegenwind für Momentum-Spieler"

US-Vermögensverwalter erkennt Anlagechancen durch Normalisierung der Geldpolitik - Wette auf Pfund

"Gegenwind für Momentum-Spieler"

Der US-Vermögensverwalter William Blair sieht gute Gelegenheiten im derzeitigen Kapitalmarktumfeld. Der Markt sei durch die Notenbankinterventionen verzerrt, eine Normalisierung der Geldpolitik bringe aber Chancen für Investoren, die auf Basis von Fundamentaldaten handeln.Von Dietegen Müller, FrankfurtBrian Singer, Leiter des Teams für dynamische Anlagestrategien beim Chicagoer Vermögensverwalter William Blair, hat eine klare Meinung, was die Notenbankpolitik anbelangt. “Die Geldpolitik verzerrt durch ihre Negativ- und Niedrigzinspolitik die Asset-Preise und führt zu einer Fehlallokation”, sagte er im Gespräch mit der Börsen-Zeitung.So habe die unkonventionelle Lockerungspolitik nicht zu einem spürbaren Wachstumsimpuls in der Realwirtschaft geführt, aber zu einer markanten Steigerung der Aktienkurse. Seit Jahresanfang 2009 bis heute habe laut Singer die annualisierte reale Rendite des S & P 500 im Mittel 12,8 % betragen, gegenüber dem historisch üblichen Mittel von 7,6 %. Wieder effizientere MärkteZugleich habe die annualisierte Schwankungsbreite (Volatilität) der Kurse real auf 13,9 % abgenommen, gegenüber dem historischen Mittel von 14,4 %. Am Anleihenmarkt sei die reale Rendite gemessen am Barclays US Aggregate Bond Index von 3,9 % auf 1,6 % gefallen, dies bei einem Rückgang der Volatilität von 5,3 % auf 2,8 %.Singer, der 2011 zu William Blair stieß und früher Mitglied des Group Managing Board bei der Schweizer Großbank UBS war, sieht unter anderem in diesen starken Veränderungen der Anlagerenditen erhebliche Verzerrungen in den Marktpreisen. Auch erkennt er nach einem theoretischen Modell eine Diskrepanz zwischen Fundamentalwerten und Preisen.Seit dem Start unkonventioneller Notenbankpolitik im Jahr 2009 hätten sich die Opportunitäten für ein nach Risikobudget ausgerichtetes Portfolio in der Tendenz eher erhöht, so Singer. Durch eine langsame Normalisierung der Notenbankpolitik – zumindest in den USA, wo die Fed über geringere Reinvestitionen in Anleihen nachdenkt – würden die Opportunitäten aber weiter zurückgehen. “Für fundamental ausgerichtete Investoren ist dies eine Chance, aber für Momentum-Spieler und gehebelte Investoren bedeutet dies Gegenwind”, sagt Singer. Diese – oft stark quantitativ orientierten – Anleger würden derzeit zu einem großen Teil das Geschehen an den Märkten bestimmen. In der Tendenz bedeute dies aber, dass die Märkte wieder ein Stück effizienter werden und damit Preissignale aussagekräftiger. Es werde aber sehr lange dauern, bis die Notenbanken ihre durch Asset-Käufe aufgeblähten Bilanzen wieder auf ein ihnen genehmes Niveau geschrumpft haben.Ein weiteres Phänomen, das derzeit im Markt zu beobachten ist, sei die hohe Entschädigung für Extremrisiken, die man bereit ist zu zahlen. “Die Abwärtsrisiken sind gering, aber das ist nicht nachhaltig”, meint der Anlagestratege. “Auch institutionelle Investoren wie Pensionskassen versuchen nach den schlechten Erfahrungen in der Finanzkrise sich möglichst gegen jeden Unbill abzusichern, investieren aber gleichzeitig in steigende Aktienmärkte.” Singer lässt durchblicken, dass er dieses Verhalten nicht für sehr erfolgversprechend hält, da der Schutz gegen Extremrisiken erfahrungsgemäß schwierig ist. Euro-Aktien favorisiertZu den von dem Amerikaner favorisierten Anlagestrategien gehört unter anderem der Leerverkauf von US-Dollar und Euro gegenüber dem britischen Pfund, wie er im Gespräch ausführt. “Das Pfund ist günstig”, so der Experte, der sich auch auf die Kaufkraftparität stützt. Dem Euro begegnet er weiterhin mit Vorsicht: Die Währung weise Konstruktionsmängel aus, so dass er früher oder später hier neue Probleme hochkommen sieht.Demgegenüber setzt das Board-Mitglied des “Free to Choose Network”, das für freiheitliche Märkte eintritt, auf europäische Aktien. Eine ähnlich differenzierte Haltung hat der US-Anlagestratege, was den mexikanischen Markt anbelangt. Dort habe William Blair den mexikanischen Peso gekauft, sei aber so positioniert, um von fallenden Kursen am mexikanischen Aktienmarkt zu profitieren.