Geldpolitik stützt Emerging Markets
Von Sören Hettler *)Der Reigen der Zentralbanksitzungen wurde am vergangenen Donnerstag durch die Europäische Zentralbank eröffnet. Diese beschloss eine deutliche Ausweitung ihrer ohnehin expansiven geldpolitischen Ausrichtung. Nicht nur wurde der Einlagensatz, derzeit faktisch der Leitzins, weiter in den negativen Bereich abgesenkt. Darüber hinaus wird das Ende 2018 ausgelaufene Wertpapierankaufprogramm wiederbelebt. Mit seinen zusätzlichen Lockerungsmaßnahmen ist der EZB-Rat dieser Tage in guter Gesellschaft. Notenbanken weltweit haben ihre Geldpolitik in den vergangenen Wochen und Monaten expansiver gestaltet. Das beginnt bei Ländern, die besonders stark unter den Auswirkungen des sinoamerikanischen Handelsstreits zu leiden haben, darunter China selbst, Australien, Neuseeland und Südafrika, und endet bei der Türkei, die ihren Leitzins gegenüber Juli mittlerweile um stolze 750 Basispunkte (BP) gesenkt hat.Den geldpolitischen Staffelstab von der EZB übernehmen werden morgen die Kollegen aus den USA. Zwar gibt es im geldpolitischen Entscheidungskomitee eine über öffentliche Stellungnahmen ausgetragene Diskussion darüber, ob eine weitere Reduzierung des Leitzinsniveaus derzeit überhaupt angemessen oder gar notwendig ist. An den US-Geldmärkten wird ein negativer Zinsschritt in Höhe von 25 BP aber vollständig eingepreist. Sollte der oberste Währungshüter Powell den Wunsch verspürt haben, gegen diese vorherrschenden Markterwartungen vorzugehen, hätte er hierzu in den vergangenen Wochen ausreichend Gelegenheiten gehabt. Er hat es nicht getan. Stattdessen betonte der Notenbankchef mehrfach den Wunsch der Fed, das Wirtschaftswachstum in den USA zu unterstützen. BoJ und SNB fehlt das PulverZu Ende ist der Reigen der weltweiten Lockerungsschritte damit zwar sicherlich noch nicht. Allerdings ist fraglich, ob die Zentralbankkollegen aus Japan und der Schweiz, d. h. die BoJ und die SNB, ihre Sitzungen am Donnerstag nutzen werden, um in den Kanon der expansiver werden Notenbanken einzustimmen. Standen die Zeichen auch für die Währungshüter der sicheren Häfen Yen und Franken bis vor wenigen Tagen noch eindeutig auf Expansion, haben jüngste globale Entwicklungen den Handlungsdruck deutlich reduziert. So haben die Signale der Annäherung im Handelsstreit zwischen den USA und China – mittlerweile ist sogar von einem möglichen Übergangsabkommen und einer denkbaren Rückführung von Zöllen die Rede – die Attraktivität der japanischen Landeswährung in den Augen der Finanzmarktteilnehmer spürbar gedämpft. In dieselbe Stoßrichtung wirkte die Entwicklung in Großbritannien, ist hier doch der EU-Austritt ohne Abkommen bis Ende Oktober zumindest deutlich unwahrscheinlicher geworden, nachdem sich das Unterhaus mehrheitlich und erfolgreich gegen Premierminister Johnson und dessen Pläne zur Wehr gesetzt hat. Während die Hoffnung auf eine glimpfliche Brexit-Lösung auch dem Franken merklichen Gegenwind beschert haben sollte, dürfte hier zudem das (vorläufige) Ende des Regierungschaos in Rom von Bedeutung gewesen sein.Der zuletzt zu beobachtende Abwertungsdruck auf ihre Währungen gibt sowohl der Bank of Japan als auch der Schweizerischen Nationalbank die Möglichkeit, eine vorerst abwartende Haltung einzunehmen. Nicht weil sie mit dem vorherrschenden Preisdruck im Land zufrieden wären oder die Wirtschaft keinerlei Unterstützung vertragen könnte. Vielmehr wurde der geldpolitische Spielraum von beiden Notenbanken in den letzten Jahren bereits sehr stark beansprucht, so dass diese nur dann aktiv werden dürften, wenn sie müssen, also beispielsweise die Rückkehr in ein deflationäres Umfeld unmittelbar droht. Vor diesem Hintergrund ist in den beiden Währungsräumen – wenn überhaupt – lediglich mit einer vorsichtigen Lockerung der geldpolitischen Zügel in dieser Woche zu rechnen.Das soll nicht bedeuten, dass es sich die Währungshüter aus Japan und der Schweiz auf Dauer unbedingt leisten können, an der Seitenlinie zuzusehen, während andere Zentralbankkollegen weltweit auf der Expansionsspur verharren und gerade im Falle der Fed sehr wahrscheinlich noch die ein oder andere Schippe drauflegen. Gerade in einem keineswegs ausgeschlossenen Szenario, in dem die zuletzt zurückgefahrenen Krisenherde mit globaler Sprengkraft wieder hochkochen, werden sich die japanische und die schweizerische Zentralbank rasch wieder Spekulationen zugunsten einer expansiveren Ausrichtung ausgesetzt sehen.An der insgesamt lockeren und sogar expansiver werdenden Stoßrichtung der globalen Geldpolitik ändert der kurzfristige Blick auf die Schweiz und Japan sicherlich nichts. Vielmehr können aufgrund des jüngsten Rückgangs der politischen Unruhequellen das niedrige Zinsniveau in den Industrienationen sowie die üppige Liquiditätsausstattung mittlerweile ihre positive Wirkung auf die Schwellenländerwährungen voll entfalten. Am Devisenmarkt gingen die Plätze eins und zwei in den letzten Wochen ausschließlich Emerging-Market-Länder. Der südafrikanische Rand legte rund 6 % gegenüber Euro und US-Dollar zu, beim Mexikanischen Peso waren es immerhin knapp 4 %, gefolgt von der brasilianischen Währung.Die vergangenen Jahre haben zwar eindrucksvoll demonstriert, dass die politische Ebene unter Beteiligung von Führungspersönlichkeiten wie Trump, Johnson und Salvini immer für einen eskalierenden Konflikt gut ist. Zumindest für die nächsten Wochen kann jedoch von einem insgesamt positiven Stimmungsbild für die Schwellenländerwährungen ausgegangen werden. Das Schreckgespenst No-Deal-Brexit dürfte es wohl frühestens im Dezember wieder auf die Tagesordnung schaffen. Die Handelsgespräche zwischen den USA und China erfahren Anfang Oktober einen Neustart. Zwar sehen wir bis auf weiteres keinen “großen Deal”, für das ein oder andere Nachfolgetreffen sollte es aber genügen. Auch hier ist demnach mit etwas gutem Willen erst gegen Jahresende wieder mit einer Zunahme der Spannungen zu rechnen. Und auf den Rückenwind vonseiten der globalen Geldpolitik können sich die Schwellenländerwährungen dieser Welt ohnehin bis auf weiteres verlassen. Angesichts einer schwächelnden Wirtschaft im Euroraum, perspektivisch rückläufigen Wachstumsraten in den USA sowie einer Inflationsrate in Japan, die auf Jahre hinaus nicht einmal annähernd an das Ziel der Zentralbank heranreicht, dürfte die globale Ausrichtung der Geldpolitik bis weit in das Jahr 2020 hinein expansiv bleiben. *) Sören Hettler ist als Senior-Devisenanalyst bei der DZ Bank tätig.