ANSICHTSSACHE

Gesetzgeber bei der Börsenpreisbildung gefordert

Börsen-Zeitung, 24.9.2015 Wie steht es um den Börsenpreis heute? Sind Börsenpreise überhaupt effizient? Diese Fragen drängen sich seit der Finanzkrise auf, nicht zuletzt weil die Fragmentierung der Handelsplattformen stark zugenommen hat und Umsätze...

Gesetzgeber bei der Börsenpreisbildung gefordert

Wie steht es um den Börsenpreis heute? Sind Börsenpreise überhaupt effizient? Diese Fragen drängen sich seit der Finanzkrise auf, nicht zuletzt weil die Fragmentierung der Handelsplattformen stark zugenommen hat und Umsätze aus den regulierten Märkten in sogenannte “Dark Pools” verlagert wurden. Der Hochfrequenzhandel ist seit den “Flash Crashes” umstritten und motiviert Skontroführer und andere “reguläre Händler”, Order zu verschleiern. Steht die Informationseffizienz der Börsen auf dem Spiel? Ist eine stärkere Regulierung außerbörslicher Handelsplattformen und Hochfrequenzhändler anzumahnen?Nach der von Walter Eucken mitbegründeten Schule der Ordnungsökonomik besteht die Aufgabe des Staates in der Schaffung eines einheitlichen Regelrahmens, innerhalb dessen die wirtschaftlichen Akteure frei von Diskriminierung ihren Interessen nachgehen können. Die dabei zu berücksichtigenden konstituierenden Prinzipien sollen sicherstellen, dass der Markt möglichst friktionslos funktioniert und eine effiziente Preisbildung sicherstellt.Das Zustandekommen des Börsenpreises nach § 24 Börsengesetz entspricht in vieler Hinsicht dem von Eucken vertretenen Ideal eines funktionsfähigen Preissystems. Die eingangs beschriebenen Entwicklungen, besonders die zunehmende Abwanderung in intransparente Handelsplattformen sowie das Aufkommen des Hochfrequenzhandels lassen jedoch Zweifel darüber aufkommen, ob die Realität der Preisfeststellung noch mit den Vorstellungen des Gesetzgebers übereinstimmt.Die zunehmende Fragmentierung des Börsenhandels, die besonders durch die Umsetzung der EU-Richtlinie Mifid 2007 beschleunigt wurde, ist aus ordnungspolitischer Sicht zunächst zu begrüßen. Das Entstehen mehrerer Handelsplätze stärkt den Wettbewerb und kann die Transaktionskosten der Marktteilnehmer reduzieren. Empirische Untersuchungen zur Umsetzung der Richtlinie liefern Evidenz für eine Senkung der Bid-Ask-Spreads und bestätigen damit die positiven Effekte der Fragmentierung. Problematischer ist hingegen eine Zunahme der Handelsfragmentierung zugunsten von Dark Pools. Dort werden deutlich weniger Informationen als an regulären Handelsplätzen veröffentlicht. Dies hat Nachteile für die Preisfeststellung. Ein hoher Anteil des Dark-Pool-Handels trägt tendenziell zu einer Erhöhung der Marktvolatilität und einer Vergrößerung der Bid-Ask-Spreads bei. Hierdurch wird die Effizienz der Preisfindung beeinträchtigt.Ein weiteres Problem von Dark Pools besteht darin, dass nicht alle Marktteilnehmer in gleichem Maße Zugang zu diesen alternativen Handelssystemen haben. Meist ist dieser den großen Finanzintermediären vorbehalten. Die dort generierten Informationen behalten so umso wahrscheinlicher ihren privaten Charakter und gehen nicht in die Preisfindung ein, was die Funktionsweise des Preismechanismus weiter einschränkt.Es ist daher zu begrüßen, dass im Rahmen der Überarbeitung von Mifid und der Verabschiedung von Mifid II und Mifir die Regulierungen zur Vorhandelstransparenz verschärft wurden und der Anteil des Dark-Pool-Handels auf einen niedrigen Prozentsatz beschränkt wird. Sehr marktsensitive Transaktionen können so noch immer ohne Vorhandelstransparenz abgewickelt werden. Die negativen Auswirkungen werden gleichwohl reduziert.Die im Rahmen von Mifid II beabsichtigte Einrichtung eines konsolidierten Datentickers ist ebenfalls ein Fortschritt. Dieser ermöglicht allen Marktteilnehmern, relevante Informationen mit niedrigen Transaktionskosten zu beziehen. Dies sollte weiter zur Verbesserung der Effizienz der Preisfeststellung beitragen und zudem den Wettbewerb zwischen den Handelsplätzen stärken. Hochfrequenzhandel wächstNeben Dark Pools ist der zunehmende Anteil, den Hochfrequenzhändler am Börsengeschehen haben, problematisch. Einige der Handelsstrategien der Hochgeschwindigkeitshändler basieren auf einem relativen Geschwindigkeitsvorteil gegenüber anderen Händlern (Front Running) oder dem Handelssystem der Börse (Quote Stuffing). Die Erträge dieses Handelns stellen jedoch vielfach nur einen Transfer von den langsamen zu den schnelleren Händlern dar. Zudem ist fraglich, ob die hohen Investitionen, die zur Aufrechterhaltung eines relativen Geschwindigkeitsvorteils notwendig sind, aus gesamtwirtschaftlicher Perspektive überhaupt sinnvoll sind.Die Regulierung des Hochfrequenzhandels ist unzureichend. Zwar wurde mit dem Hochfrequenzhandelsgesetz ein erster Versuch unternommen, diese Art des Handels zu regulieren. Die meisten Maßnahmen, wie die Markierung von Aufträgen von Hochfrequenzhändlern, sind aber eher retrospektiver Natur und helfen vor allem, Haftungsfragen zu klären. Einerseits wurde im Gesetz erkannt, dass es sich bei einem hohen Verhältnis von unausgeführten zu ausgeführten Handelsaufträgen um eine Strategie handeln kann, die den Tatbestand des Marktmissbrauchs erfüllt. Andererseits werden keine Maßnahmen ergriffen, die das Problem ex ante lösen können. Ebenso sind rein auf Geschwindigkeit beruhende Handelsstrategien weiterhin möglich.Es ist bemerkenswert, dass der Hochfrequenzhandel in der Tendenz die Bid-Ask-Spreads für alle Nicht-Hochfrequenzhändler erhöht. Dies macht den jeweiligen Markt für “reguläre” Händler unattraktiver. Der Anreiz, auf alternative Handelsplätze auszuweichen oder nur einen Teil der Order auf dem regulären Markt sichtbar einzustellen, hat sich in der Folge verstärkt.Aus ordnungsökonomischer Sicht besteht somit Bedarf nach einer Börsenregulierung, die im Auftrag der Informationseffizienz und zur Minimierung von Informationsasymmetrien zwischen einzelnen Marktteilnehmern schärfere Auskunftspflichten über (nicht)ausgeführte Order einfordert.—-Prof. Dr. Lars P. Feld ist Leiter des Walter Eucken Institutes in Freiburg, Dipl.-Vw. Ekkehard A. Köhler dort wissenschaftlicher Mitarbeiter.In dieser Rubrik veröffentlichen wir Kommentare von führenden Vertretern aus der Wirtschafts- und Finanzwelt, aus Politik und Wissenschaft.——–Von Lars P. Feld und Ekkehard A. KöhlerAus ordnungsökonomischer Sicht besteht Bedarf nach einer Börsenregulierung mit schärferen Auskunftspflichten.——-