Agrarrohstoffe

Getreidepreise explodieren

Der Ukraine-Krieg, die Sanktionen gegen Russland und Weißrussland, aber auch klimatische Faktoren vor allem in den USA treiben die Getreidepreise stark an.

Getreidepreise explodieren

Von Dieter Kuckelkorn, Frankfurt

Der Ausbruch des Ukraine-Kriegs und die Verhängung der Sanktionen gegen Russland und Weißrussland haben die Märkte für Agrarrohstoffe durcheinandergewirbelt. Zu verzeichnen sind massive Preisanstiege, verursacht durch den Ausfall von Lieferungen aus der Ukraine, einen Boykott russischer Rohstoffe sowie russischer und weißrussischer Düngemittel. Im Vergleich zum Stand von vor einem Jahr hat sich Weizen in den USA im börsengestützten Handel um 69% verteuert, in Europa sogar um 85%. Bei Mais beträgt der Anstieg 33%, bei Sojabohnen 17% und bei Baumwolle 62%. Stark verteuert haben sich auch Zucker (21%) und Kaffee der Sorte Arabica (68%).

Gemäß dem FAO Food Price Index der Vereinten Nationen haben sich Lebensmittel im März im Vergleich zum Vormonat um 12,6% erhöht, wobei sich ein Rekordniveau sowohl in nominaler als auch in preisbereinigter realer Betrachtungsweise ergibt. Bei dem besonders wichtigen Getreidepreis ergibt sich laut Vereinten Nationen sogar ein Anstieg um 17,1%, auch hier ist ein Allzeithoch zu verzeichnen. Dabei betonen die UN-Ökonomen, der erwartete Ausfall der Lieferungen aus der Region rund um das Schwarze Meer habe eine bereits aufgrund des knappen Angebots angespannte Situation verschlimmert: So gebe es auch Bedenken wegen der Ernte und der Qualität der Getreide in den USA.

Was die Ukraine betrifft, so sind die Lieferungen durch die Schließung der Seehäfen am Schwarzen Meer praktisch unterbrochen. Die Vereinten Nationen gehen nun davon aus, dass die weltweite Menge des gehandelten Getreides der Saison 2021/22 um 2% oder 14,6 Mill. Tonnen auf 469 Mill. Tonnen sinkt, was im Wesentlichen auf die rückläufigen Exporte an Weizen und Mais der Ukraine und Russland zurückzuführen ist. So würden wohl 5 Mill. Tonnen Weizen aus der Ukraine ausfallen und 3,5 Mill. Tonnen aus Russland. Was die russischen Lieferungen betrifft, so wirken sich Boykotte des Westens sowie finanzielle Sanktionen aus, die es potenziellen Kunden unmöglich machen, Lieferungen zu bezahlen. Es gibt zwar größere Exporte aus der Europäischen Union und aus Indien, diese können nach Ansicht der UN-Ökonomen die Exporte aus der Schwarzmeerregion nur teilweise ersetzen.

Mit einer raschen Besserung ist nicht zu rechnen. In der Ukraine wird erwartet, dass die Weizenmenge im laufenden Jahr unter ihren Fünfjahresdurchschnitt fällt. Für die Ukraine sei aufgrund der Kriegseinwirkungen zu befürchten, dass 20% des im Winter gepflanzten Weizens nicht geerntet werden können. Für Russland gehen die Vereinten Nationen aufgrund einer günstigen Witterungsprognose für wichtige Anbauregionen zwar davon aus, dass die Weizenmenge über dem Fünfjahresdurchschnitt liegen wird. Allerdings, so räumen die Experten ein, sei diese Prognose aufgrund der Sanktionen mit erheblicher Unsicherheit behaftet. Hinzu kommen Probleme wie die langfristige Trockenheit in den USA. So geht die US-Regierung davon aus, dass nur 30% des in den USA gepflanzten Winterweizens die Qualitätsstufe gut bis exzellent erreichen. Dies wäre der niedrigste Stand seit 26 Jahren.

Prognose gesenkt

In Chicago ist der Maispreis erstmals seit 2012 wieder über die Marke von 800 US-Cent je Scheffel gestiegen. Nach Einschätzung der Rohstoffanalysten der Commerzbank hängt der Preisanstieg wie bei Weizen auch mit dem Ukraine-Krieg zusammen, da das Land zu den weltweit wichtigsten Mais-Exporteuren gehöre. Vor Ausbruch des Kriegs ging das amerikanische Landwirtschaftsministerium für das laufende Erntejahr von ukrainischen Exporten von 33,5 Mill. Tonnen Mais aus, was laut Commerzbank nicht weniger als 16% der weltweiten Maisausfuhren ausmacht. Inzwischen hat die US-Regierung ihre Prognose für die ukrainischen Exporte auf nur noch 19 Mill. Tonnen reduziert. Hinzu kommt, dass die US-Landwirte in der neuen Saison deutlich weniger Mais als im Vorjahr pflanzen wollen. Nach Berechnungen der Commerzbank würde sich allein dadurch die US-Erntemenge um 17,5 Mill. Tonnen Mais reduzieren, wenn man gleichbleibende Erträge unterstellt.

Die starke Verteuerung von Getreide könnte schwere Auswirkungen rund um den Globus haben, vor allem in den ärmeren Ländern, und damit die aktuelle globale Destabilisierung verstärken. So wird unter anderem der Arabische Frühling des Jahres 2011, der zu Umstürzen in einigen Ländern führte, zumindest teilweise auf einen starken Anstieg der Getreidepreise zurückgeführt.

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