Gewinnflaute deckelt Aktienpotenzial

Nikkei und Topix knapp unter Jahreshoch - Abhängigkeit vom Yen-Wechselkurs - Analysten eher vorsichtig

Gewinnflaute deckelt Aktienpotenzial

Der japanische Aktienmarkt hat sich kräftig erholt. Die Leitindizes erreichten in der vergangenen Woche ihre Jahreshochs. Aber im Vergleich zu westlichen Barometern liegen die japanischen Indizes zurück. Analysten zeigen sich uneinig über das verbliebene Potenzial, da sich das Gewinnwachstum deutlich zu verlangsamen scheint.Von Martin Fritz, TokioSeit Mitte April hat der japanische Aktienmarkt eine rasante Erholung hingelegt und sich dabei vom schwächsten zum stärksten Markt in Asien entwickelt. Der Nikkei 225 steigerte sich um 8,4 % auf 19 870 Yen und der marktbreite Topix um 8,3 % auf 1 580 Punkte. Die Jahreshochs wurden jeweils am 11. Mai markiert. Dahinter standen ausländische Adressen, die bis Ende März noch Nettoverkäufer von japanischen Titeln waren. Im Vergleich zu westlichen Börsen wie Ibex 35, Dax oder S & P 500 gehört Japan in diesem Jahr aber weiter zu den schwächeren Märkten.Die Rally wurde von einer ähnlich rasanten Yen-Abwertung getrieben. Doch während der vergangenen Woche, als der Großteil der Unternehmen die Bilanzzahlen vorlegte, verebbte der Schwung. Aber von der Charttechnik her könnte der Nikkei die Marke von 20 000 Yen überwinden, die zuletzt im August 2015 erreicht wurde. Für Unterstützung sorgen die kontinuierlichen Indexfonds-Käufe der Notenbank. Aber japanische Privatanleger, die traditionell in eine Rally hinein verkaufen, sind eher skeptisch gestimmt: Am vergangenen Freitag stieg die Zahl der Anteile des Next Funds Nikkei 225 Double Inverse Index ETF auf den Rekordwert von 77,4 Mill. Stück. Diese Anteile gewinnen im gleichen Maß an Wert, wie der Nikkei verliert. Deutliche AbbremsungEin Zukunftsindikator sind die Ausblicke der Unternehmen, die bereits zu 85 % vorliegen. Laut der Auswertung der Finanzzeitung Nikkei erwarten die Firmen ein Gewinnplus im laufenden Finanzjahr ab dem 1.4. von 4 %. Das wäre fünfmal langsamer als im Vorjahr, als die Gewinne 21 % anzogen. Der Nikkei werde sich bis Ende Juni zwischen 18 500 und 20 500 bewegen, meint das Brokerhaus. Elektronikhersteller wie Sony und Fujitsu, Handelshäuser und Frachtschiffer erwarten starke Zuwächse, während viele Fahrzeugbauer wie Toyota fallende Gewinne vorhersagen. Die meisten Prognosen sind mit einem Wechselkurs von 105 bis 110 Yen/Dollar kalkuliert. Daraus ergäbe sich noch Spielraum nach oben. Jedoch könnten neue geopolitische Risiken wie vor allem Nordkorea und die aktuell gute laufende Konjunktur in Japan die japanische Devise stärken.Auch nach den jüngsten Gewinnen hält Morgan Stanley MUFG am Kursziel von 1 770 Punkten für den Topix zum Jahresende fest. Das ergibt ein Potenzial von 11 %. Die Prognosen für 2017 lägen zwar unter dem Konsens. Aber diese Vorsicht hätte auch im vergangenen Jahr geherrscht. Auch die bisher angekündigten Aktienrückkäufe von 1,13 Bill. Yen lägen deutlich unter dem Vorjahr. Dennoch gehen die Analysten von Morgan Stanley MUFG davon aus, dass die Rückkäufe wieder zunehmen. Ähnlich zuversichtlich gibt sich die japanische Vermögensverwaltung Nikko. Ihr Chefstratege John Vail sieht ein Aufwärtspotenzial von 10 % bis Ende 2017. Neutrale PositionierungDagegen hält UBS Japan an einer neutralen Positionierung fest. Erstens werde sich der japanische Yen in den nächsten 12 Monaten nicht weiter abschwächen. Zwar könnte die Notenbank ihre Geldpolitik noch weiter lockern, aber das sei nicht nachhaltig, weil bereits 40 % der Staatsanleihen in ihrem Besitz seien. Zweitens erwartet UBS Japan eine Verlangsamung des Gewinnwachstums während der nächsten beiden Jahre, da die Unternehmen ihre Kapitalausgaben erhöhten. Damit sei das Potenzial für den Rest des Jahres begrenzt, resümiert UBS Japan. Aktienstratege Yoshinori Shigemi von J.P. Morgan Asset Management in Tokio warnt vor Unsicherheiten und sieht den Topix bis August oder September um 9 % fallen. Nomura zeigte sich nach der Rally ebenfalls vorsichtig. Nur wenige Unternehmen würden starkes Wachstum vorhersagen. Als mögliche Bremsen nennt Nomura die Konjunktur in China und die Verfassungsreform in Japan. Daher sollten Anleger sich auf unterbewertete Aktien mit hohen Gewinnen konzentrieren. Die künftige steuerliche Förderung von Spin-offs könnte die Kurse von Aktien mit einem niedrigen Kurs-Buch-Verhältnis von großen Unternehmensgruppen anschieben, so Nomura. Lee Yunyoung, Manager des Henderson Horizon Japanese Smaller Companies Fund, plädiert für ein verstärktes Engagement in Titel mit niedrigem Börsenwert. Der Topix Small Index hänge nur zu 17 % an Umsätzen im Ausland und sei daher weniger anfällig für Wechselkurs-Veränderungen. Lee verweist auch auf ein Umdenken bei der Corporate Governance. Daher würden die Unternehmen ihre hohen Cash-Bestände verringern. Sowohl im Topix als auch im Topix Small liegt die Quote von Bargeld zu Marktkapitalisierung über 50 % (S & P 500: unter 10 %). Das werde sich zugunsten der Aktionäre verändern.