Gold und Großbritannien im Fokus
Die Schweizer Vermögensverwaltung Pictet Asset Management rät Investoren, im kommenden Jahr sehr vorsichtig zu agieren. Das schwächere Wirtschaftswachstum einerseits und hohe Bewertungen andererseits bergen erhebliche Risiken. Generell favorisiert Pictet die Aktienanlage – aus Mangel an Alternativen. wbr Frankfurt – Der Chefstratege von Pictet Asset Management, Luca Paolini, sieht die Ausgangslage für das Börsenjahr 2020 kritisch: “Die wirtschaftliche Lage hat sich deutlich verschlechtert.” Das globale Wachstum liege unter Potenzial, und die USA befänden sich an der Schwelle zur Rezession.Von Seiten der Geldpolitik hätten die Märkte keine Unterstützung mehr zu erwarten. “In diesem Jahr wurden die Märkte von der Kehrtwende der Geldpolitik überrascht. Im nächsten Jahr wird sich das nicht wiederholen”, sagte der Pictet-Chefstratege am Dienstag in Frankfurt vor Journalisten. Die lockere Geldpolitik sei von den Märkten eingepreist.Weniger Sorge macht dem Strategen der Handelskonflikt zwischen den USA und China, der sich aus seiner Sicht nicht weiter verschärfen werde. “Hier könnte es zu einer Pause kommen. Vorstellbar ist aber, dass Trump wieder mehr Druck auf Europa ausüben wird”, sieht Paolini die Kehrseite einer Beruhigung zwischen China und den USA.Kritisch betrachten die Schweizer die Unternehmensgewinne. Schon im laufenden Jahr habe das Gewinnwachstum enttäuscht. “Es wird ein weiteres Jahr mit negativen Gewinnüberraschungen geben”, schätzt Paolini. “Eine Situation mit niedrigen Unternehmensgewinnen ist sehr gefährlich”, fürchtet der Experte und bemängelt die dauerhaft zu hohen Gewinnschätzungen. “Wir sind sehr kritisch, was die Konsensschätzungen angeht. Beispielsweise USA: Dort liegen die Konsensschätzungen bei 10 %. Das halte ich für viel zu hoch.” Aus seiner Sicht sind 6 % schwer zu erreichen.Angesichts der globalen Risiken und der Bewertungen kommt Pictet zu dem Schluss: “Die Bewertungen sind unattraktiv für die meisten Assetklassen.” An Aktien führt aus Sicht von Pictet dennoch kein Weg vorbei – es sei unter den unattraktiven Assetklassen immer noch die beste. Klar ist für Paolini: “Wenn die Aktienmärkte auf ihrem Allzeithoch sind, ist das ein Grund zur Vorsicht.” Im nächsten Jahr wird es aus seiner Sicht stärker um die Sektorallokation und die Länderallokation gehen als in diesem Jahr. Es geht auch mehr um Stile. “Value sollte outperformen. Defensive, doch spätzyklische Sektoren wie Energie, Minen und günstige Zykliker wie Banken und Autos könnten die größten Überraschungen sein.”Bei den Ländern hat Pictet eine Präferenz für europäische Märkte und die Schwellenländer. Die Bank hält Großbritannien für günstig. Aus Sicht von Paolini sind die politischen Brexit-Risiken überschätzt; gleichzeitig seien viele Investoren aus Angst nicht in Großbritannien investiert. “Es ist falsch, sich vom britischen Markt fernzuhalten. Nimmt man die Dividendenrendite dazu, ist der Markt äußerst attraktiv”, so Paolini.”Die Führungsrolle von US-Aktien wird 2020 enden. Der Markt ist in den vergangenen Jahren viel zu teuer geworden. Die Aktien sind extrem überbewertet”, so Paolini, der mit einem S&P 500 von 3 000 Punkten in einem Jahr rechnet. Kritisch sieht Pictet zudem, dass inzwischen US-Aktien mit einem Anteil von 63 % den MSCI World stark dominieren. Russland besser als USAChancen finden sich für Pictet in den Schwellenländern. Besonders die Börse in Moskau sei bemerkenswert. “Wir halten Russland für attraktiv. Das Land ist seit 1986 besser gelaufen als die USA und hat ein KGV von 5 und eine Dividendenrendite von 8 %. Das ist sehr günstig.” Die Anleiherenditen können im ersten Halbjahr 2020 nach Einschätzung von Pictet wegen Rezessionsängsten nochmals sinken, “aber die nächste große Bewegung ist nach oben”.Das Haus setzt auf US-Anleihen und Emerging Markets. Favoriten sind Lokalwährungsanleihen aus Südafrika, Mexiko und Russland. EM-Bonds könnten auch von der Währung profitieren. Sehr viel skeptischer ist der Stratege für Unternehmensanleihen, da die Verschuldung hoch sei, die Unternehmensgewinne auf dem Top und Ausfallraten rekordverdächtig niedrig.Ein Glanzlicht gibt es für Pictet in dem schwierigen Börsenumfeld. Die Schweizer halten Gold für sehr attraktiv. Dafür sprechen zwei Faktoren: die niedrigen Zinsen und insbesondere die negativen Realzinsen. Damit liegen die Opportunitätskosten von Gold bei null. Hinzu kommt die prognostizierte Entwicklung beim Dollar, den die Schweizer auf Jahressicht schwächer sehen. “Gold ist ein spannendes Thema”, das auch im eigenen Haus immer häufiger eingesetzt werde.