"Größere Fragilität der Liquidität"

BIZ macht Geldpolitik und Regulierung für sinkende Profitabilität des Anleihehandels verantwortlich

"Größere Fragilität der Liquidität"

Regulierung macht den Anleihehandel weniger profitabel, wie eine Studie der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) zeigt. Doch dies ist nicht der einzige Faktor, der zu sinkender Liquidität am Bondmarkt führt. Dieser Trend spiegele “eine Mischung aus markt- und regulierungsbezogenen Faktoren” wider. Eine bedeutende Rolle spiele die ultraexpansive Geldpolitik.Von Stefan Schaaf, FrankfurtAm Anleihemarkt wächst die Angst vor einem Crash wegen sinkender Liquidität. Vielfach wird dafür die strengere Regulierung verantwortlich gemacht. Doch ist deren Einfluss schwer zu messen, denn eine Reihe weiterer Faktoren wirkt auf die Liquidität ein. “Es ist schwer, den Einfluss der regulatorischen Veränderungen auf die Marktliquidität zu quantifizieren”, stellt die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in einer Studie fest. Darin diagnostiziert sie “Zeichen für eine größere Fragilität der Liquidität”. Verantwortlich sei “eine Mischung aus markt- und regulierungsbezogenen Faktoren”.Am Markt mehren sich Stimmen, die vor einem liquiditätsbedingten Crash am Bondmarkt warnen. “Das Thema Liquidität steht ganz oben auf der Liste der Dinge, die wir im Blick haben”, sagt Andy Hill, der beim Branchenverband ICMA in London regulatorische Fragen betreut. “Die Sorgen nehmen zu, dass der Sekundärmarkt für europäische Unternehmensanleihen in einem kritischen Maß beeinträchtigt wird und deshalb nicht mehr länger effektiv und effizient sein kann”, warnt Hill. “Diese Verschlechterung ist größtenteils auf unbeabsichtigte Konsequenzen der Banken-Regulierung und auf die unkonventionelle Geldpolitik zurückzuführen.”Einen direkten Bezug zur strengeren Regulierung, insbesondere zu den neuen Eigenkapitalvorschriften (Basel III), zieht auch Mark Hemsley, Chef des Börsenbetreibers Bats Europe. “Basel III wird das Halten von Anleihen für Banken deutlich verteuern und damit zu geringer Liquidität führen”, sagt er zur Börsen-Zeitung. “Das wird zwei Effekte haben: Es werden seltener Preise gestellt, und insbesondere bei illiquiden Unternehmensanleihen werden sich die Spreads ausweiten.”Auch die BIZ stellt fest, dass Banken ihre Aktivitäten im Marketmaking und im Eigenhandel zurückgefahren haben. Sie hätten sich auf bestimmte Segmente des Marktes für Festverzinsliche zurückgezogen oder stellten Liquidität nur noch zeitweilig zur Verfügung, dies meist in Phasen geringer Marktliquidität. Um dies zu quantifizieren, hat die BIZ im Spätsommer 2015 Marketmaker befragt. “Die Studienergebnisse zeigen, dass der Einfluss der jüngsten regulatorischen Veränderungen differenziert wurde”, heißt es in der Studie. Im Hinblick auf die regulatorischen Kosten unterschieden die Teilnehmer zwischen den Auswirkungen bei Staatsanleihen und Unternehmensanleihen. Wirkung der Leverage Ratio”Für Staatsanleihen wurden sowohl die Leverage Ratio unter Basel III als auch die höheren risikogewichteten Kapitalanforderungen mit dem größten Einfluss auf die regulatorischen Kapitalkosten und damit auch die Gewinne der Händler betrachtet”, so ein Ergebnis. Bei Unternehmensanleihen ist das Ergebnis etwas anders: “Bei den Corporate Bonds haben die Veränderungen im Vergleich zum Marktrisiko-Rahmenwerk Basel II den größten Einfluss auf regulatorische Kosten.”Auf Basis der von den Studienteilnehmern gemachten Angaben hat die Arbeitsgruppe der BIZ die höhere Kostenbelastung aus der Regulierung berechnet. “Die Brutto-Erträge, die notwendig wären, um unter einem vollständig eingeführten Basel-III-Regime eine Kapitalrendite von 8 % zu erzielen, würden unter dem Basel-II-Regime zu einer Kapitalrendite von über 20 % führen.”Während die BIZ-Studie vor allem auf die Eigenkapitalanforderungen abzielte, ist für die Einschätzung der regulatorischen Kosten auch die Finanzmarktrichtlinie Mifid II von Bedeutung, deren Start sich um ein Jahr auf Anfang 2018 verzögert. Die geplante Vorhandelsregel (Pre-Trade Transparency) wird unter Marktakteuren kontrovers diskutiert. “Während einige die verbesserte Transparenz als gute Sache betrachten, besteht zugleich die Sorge, dass zu viel davon zu einem weiteren Rückgang der Marktliquidität führen kann”, so ICMA-Experte Hill. “Es besteht auch Misstrauen, dass die Regulierer Transparenz und Liquidität verwechseln, die nicht das Gleiche sind.” “Institutioneller Effekt”Neben der Regulierung wird vor allem in der unkonventionellen Geldpolitik und den daraus resultierenden Effekten ein weiterer Auslöser für die gesunkene Liquidität gesehen. Dies stellt auch die BIZ in ihrem Bericht fest, wenngleich sie einräumt, dass die lockere Geldpolitik in einigen Segmenten die Marktliquidität erhöht habe. Zugleich warnt sie, es könnte mit einer Zinswende zu Verwerfungen kommen. “Es bestehen Sorgen, dass die anhaltende Phase niedriger Zinsen zu einer einseitigen Positionierung der Marktteilnehmer geführt hat”, heißt es. “Damit besteht das Risiko einer Verschlechterung der Liquiditätsbedingungen, wenn Portfolien in Reaktion auf die ersten Zeichen der Normalisierung adjustiert werden.”Wegen der Niedrigzinsen wirkt noch ein weiterer Faktor auf die Marktliquidität, den Hemsley “Institutioneller Effekt” nennt. “Viele Bonds werden heute schon nicht gehandelt. Wer eine Anleihe mit fünf Jahren Laufzeit und einem Kupon von 2 % kauft, der wird sie oft bis zur Endfälligkeit halten. Niedrige Zinsen schaffen wenig Anreiz zu handeln.” Die Kombination aus geringen Anleihebeständen auf den Büchern der Broker und anhaltend niedrigen Zinsen werde zu Phasen hoher Volatilität im Jahr 2016 führen, warnt die Beratungsgesellschaft Greenwich Associates. Allerdings sei das Risiko einer “ausgewachsenen Liquiditätskrise allenfalls minimal”.