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Handelskrieg und Fundamentalfaktoren

Von Hans-Peter Rathjens *) Börsen-Zeitung, 28.5.2019 "Wenn die Begriffe sich verwirren", so der chinesische Philosoph Konfuzius, "ist die Welt in Unordnung". Und so alt diese Weisheit ist - Konfuzius lebte von 551 bis 479 v. Chr. -, hat sie doch...

Handelskrieg und Fundamentalfaktoren

Von Hans-Peter Rathjens *)”Wenn die Begriffe sich verwirren”, so der chinesische Philosoph Konfuzius, “ist die Welt in Unordnung”. Und so alt diese Weisheit ist – Konfuzius lebte von 551 bis 479 v. Chr. -, hat sie doch nichts an Aktualität eingebüßt. Wie heißt sie denn nun, die chinesische Währung: Yuan oder Renminbi? Ein wenig googeln bringt wieder Ordnung in die Welt: Renminbi ist der offizielle Name der Währung und bedeutet übersetzt in etwa Volkswährung. Eingeführt wurde der Begriff wenige Monate bevor Mao Zedong im Oktober 1949 die Volksrepublik China ausrief. Das Wort Yuan wird benutzt, um eine Summe zu bezeichnen. Dies ist in der Tradition des Landes begründet, denn von 1889 und 1949 hieß die Landeswährung tatsächlich Yuan. Voodoo-ÖkonomieDie Welt gerät nun tatsächlich immer stärker aus den Fugen – nicht nur politisch, sondern auch wirtschaftlich. Die Politik, die durch klug gesetzte Rahmenbedingungen zur Wohlstandsmehrung beitragen und Fehlentwicklungen korrigieren sollte, ist inzwischen in einigen Ländern selbst zu einem destabilisierenden Element geworden. Populismus und Voodoo-Ökonomik ziehen immer mehr in die Regierungszentralen ein und bestimmen das Alltagshandeln. Sichtbarstes Beispiel hierfür ist US-Präsident Donald Trump, der lapidar erklärt: “Ein Handelskrieg ist leicht zu gewinnen.” Erklärter Kriegsgegner Nummer 1 ist China – und Zölle sind die selbst erklärte Wunderwaffe.Seit 2018 haben die USA unter Donald Trump die Zollwaffe auf chinesische Importe gerichtet und die Einfuhrhürden schrittweise angehoben. Zunächst fing es mit Zöllen auf Waschmaschinen und Solarmodule an und steigerte sich bis Mitte 2018 auf 6 000 Produktlinien mit einem Zollsatz von 10 % und einem Handelswert von 200 Mrd. US-Dollar. Anfang Mai 2019 wurde der Zollsatz auf 25 % erhöht, was eine Zusatzbelastung von 30 Mrd. Dollar darstellt.China hat auf jede neue Tranche mit Vergeltungsmaßnahmen gedroht und erhebt inzwischen Abgaben auf Waren im Wert von über 110 Mrd. Dollar. Das Büro des US-Handelsbeauftragten Robert Lighthizer hat nun eine weitere lange Liste von Produkten mit einem Gesamtwert von rund 300 Mrd. aus China vorgelegt, die mit einem Zusatzzoll von 25 % belegt werden könnten. Das Datum für die öffentliche Anhörung ist der 17. Juni.Trotz aller Zölle hat sich das Handelsbilanzdefizit zwischen den USA und China 2018 gegenüber 2017 ausgeweitet. In den ersten fünf Monaten 2019 zeigte sich jedoch eine Verringerung des Fehlbetrags. Wird Trump mit seiner Politik also letztlich erfolgreich sein? China hat Lasten zu tragenNun, wie jede Medizin haben auch Zölle ihre Nebenwirkungen, die konträr zur ursprünglichen Absicht sind. Ein Handelskrieg in Form eines gegenseitigen Hochziehens von Zollbarrieren führt zu Wohlstandsverlusten. Dies gilt nicht nur in den beiden betroffenen Ländern, sondern global, in Form einer weltweit nachlassenden Wirtschaftsdynamik und des Risikos einer sich selbst verstärkenden Abwärtsspirale. Das belegen zahlreiche Studien. Setzt man die US-Brille auf, so erfolgt eine Umverteilung von den Konsumenten zu den Produzenten, mit einer Nettoeinbuße für die Volkswirtschaft. In einer jüngst erschienenen Analyse kommt ein Team um den Ökonomen David Weinstein zu dem Ergebnis, dass sich die Wohlfahrtsverluste für die USA für 2018 auf 1,4 Mrd. Dollar pro Monat belaufen.Natürlich hat auch China sein Päckchen zu tragen. Denn das Land ist ein sogenannter “Downstream Producer”, ein nachgelagerter Produzent also, der auf Basis importierter Vorleistungen aus anderen Ländern Fertigprodukte herstellt. Diese Vorleistungen kommen schwerpunktmäßig aus dem asiatischen Raum: aus Taiwan, Korea, Malaysia und Singapur. China wird somit einen Teil der Zollbelastungen an seine Vorlieferanten weitergeben und so die Auswirkungen für sich abmildern.Es verwundert daher nicht, dass nicht nur der Renminbi durch den Handelskrieg unter Druck geraten ist, sondern die asiatischen Währungen insgesamt. Auf Basis des Asien-Dollar-Index von J.P. Morgan haben sie sich von Ende März bis Ende Oktober 2018 um 7,4 % gegenüber dem US-Dollar abgeschwächt. Im Zuge der Handelsgespräche konnten sie sich bis Ende Februar 2019 zunächst wieder etwas fangen, gaben danach jedoch erneut nach. Der Renminbi hat diese Bewegung fast 1:1 mitgemacht und steht mit aktuell 6,9 je Dollar nur noch wenig unter der als kritisch angesehenen Marke von 7,0. Risiko für Schwellenländer Die Regierung dürfte diese Marke aus zwei Gründen verteidigen: der Furcht vor verstärkt einsetzender Kapitalflucht und der Gefahr von Ansteckungseffekten auf andere Schwellenländer, die wiederum das Risiko negativer Rückwirkungen auf China selbst und einer globalen Emerging-Markets-Krise aufgrund der hohen Dollarverschuldung bergen. Ironischerweise könnte das Land deutliche Unterstützung durch die amerikanische Notenbank bekommen, die inzwischen auf einen “taubenhaften” Kurs eingeschwenkt ist.In Anbetracht des eskalierenden Handelskrieges sei daher noch einmal auf Konfuzius verwiesen, der feststellte: “Der Mensch hat dreierlei Wege, klug zu handeln: erstens durch Nachdenken, das ist das Edelste, zweitens durch Nachahmen, das ist das Leichteste, und drittens durch Erfahrung, das ist das Bitterste.” Möge das Nachdenken wieder stärkeres Gewicht erhalten! *) Hans-Peter Rathjens ist Senior Investment Strategist bei Allianz Global Investors.