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Healthcare-Sektor schlägt den Gesamtmarkt

Der Healtcare-Sektor zeichnet sich durch langfristig stabile Nachfrage aus und schlägt an der Börse den Gesamtmarkt deutlich. Besonders erfolgreich sind familiengeführte Unternehmen

Healthcare-Sektor schlägt den Gesamtmarkt

Die Aussichten für die deutsche Wirtschaft 2023 sind trübe. Die OECD geht von einem Rückgang um 0,7% aus, die Volkswirte der Deutschen Bank prognostizieren gar ein Minus von bis zu 4%. Die Verunsicherung ist entsprechend groß. Nach Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine, den resultierenden Preisschocks am Energiemarkt, steigenden Inflationsraten und anziehenden Zinsen blicken die Unternehmen nervös auf die Entwicklung in China. Sie fragen sich, ob wichtige Lieferketten reißen. Für institutionelle Investoren stellt sich ebenso wie für Privatanleger die Frage, welche Investments noch in dieses Umfeld passen.

Eine Antwort: Der Gesundheitssektor gilt als überdurchschnittlich widerstandsfähig – zu Recht. Das bestätigt ein Blick auf die langjährige Sektor-Performance in Europa: Während der europäische Gesamtindex MSCI Europe seit dem Jahr 2000 nur um rund 3% pro Jahr zulegte, schnitt der europäische Gesundheitssektor (MSCI Europe Health Care) im gleichen Zeitraum mit 5,4% Jahr deutlich besser ab – trotz geringerer Volatilität und einem geringeren maximalen Verlust in Baisse-Phasen.

Stabile Nachfrage

Das ist kein Zufall. Getrieben durch den demografischen Wandel und die Corona-Pandemie, gewinnt der Healthcare-Sektor seit Jahren an Bedeutung und legt überdurchschnittliche Wachstumsraten an den Tag. An ihrer Gesundheit sparen die Menschen zuletzt, sie ist ein elementares Bedürfnis. Das stabilisiert die Nachfrage und damit den gesamten Sektor – was ihn gerade jetzt interessant für Investitionen macht. Mit dem technischen Fortschritt in der Medizin steigt die Lebenserwartung und damit steigen auch die Kosten der Gesundheits­versorgung im Alter. Dadurch ist der Sektor weniger den Konjunktur­zyklen unterworfen und eine der wichtigen Zukunftsindustrien für reife Industrienationen mit hohen Arbeitskosten.

Deutschland profitiert besonders von diesem Trend: Schon heute steht „Healthcare made in Germany“ mit über 365 Mrd. Euro Bruttowertschöpfung für mehr als 12% des Bruttoinlandprodukts. In den vergangenen zehn Jahren stieg die Wertschöpfung des Sektors im Schnitt um etwa 3% jährlich. Durch jeden in der Gesundheitswirtschaft und ihrer Forschung investierten Euro entstehen weitere 77 Cent in der Gesamtwirtschaft, sodass sich der gesamte ökonomische Fußabdruck auf über 645 Mrd. Euro summiert. Dies ist einer der höchsten Transmissionsfaktoren über alle Industrien hinweg. Das spiegelt sich auch im Arbeitsmarkt: In den vergangenen zehn Jahren sind fast eine Million zusätzliche Jobs in der Gesundheitswirtschaft entstanden, vergleichen mit etwa 70000 neuen Jobs in der Automobilindustrie. Heute arbeitet im Gesundheitswesen jeder sechste Erwerbstätige in Deutschland.

Der technologische Wandel wird in den nächsten Jahren ein völlig neues Zeitalter in der Medizin einläuten. Will Europa und speziell Deutschland diese Chancen nicht den internationalen Wettbewerbern überlassen, müssen wir hier und heute die globalen Champions von morgen bauen. Dazu braucht es Innovationen, Investitionen und Finanzierungsmöglichkeiten. Es gibt zahlreiche starke Healthcare-Unternehmen mit enormem Potenzial in Europa. Meist sind sie aber familiengeführt und haben keinen Zugang zu den Kapitalmärkten, was ihren Wachstumschancen einengt. Dabei sind gerade im Gesundheitssektor, in dem sich die besten Technologien mit Milliarden-Investitionen durchsetzen, Größenvorteile besonders wichtig. In einem globalen Markt, der bis dato von den USA dominiert wird, ist ein gesicherter und diversifizierter Zugang zu Kapital ein entscheidender Wettbewerbsvorteil.

Viele Hidden Champions zögern. Im direkten Vergleich zu einem Börsengang fällt häufig die Wahl auf Kapital, das durch angelsächsisch geprägte Private-Equity-Gesellschaften bereitgestellt wird. Dabei kann die Börsennotierung echte Finanzierungsvorteile bieten. Denn einmal gelistet, bietet die Börse den Unternehmen flexiblen Zugang sowohl zu Eigen- als auch Fremdkapitalzugang und ermöglicht den Fortbestand über Generationen hinweg. Wenn die Familie die Mehrheit behält, besteht ein zuverlässiger Schutz vor ungewollten Übernahmen und Vorkaufsrechten anderer Investoren. Die Bewertung des Unternehmens ist jederzeit verfügbar und transparent, was innerhalb der Familie von großem Vorteil sein kann.

Gleichzeitig stehen gelistete Unternehmen unter einem gesunden Governance- und Innovationsdruck, sich anzupassen und dauerhaft als Innovationsführer zu bestehen. Besonders familiengeführte Unternehmen schneiden in Analysen oft überdurchschnittlich gut ab an der Börse. Der öffentliche Kapitalmarkt bietet den gelisteten Unternehmen und ihren Marken zudem eine gesteigerte Bekanntheit. Nicht zuletzt hilft dies, Talente anzuziehen, die sonst woanders anheuern würden.

Börsenvehikel mit Vorteilen

Erfolgreiche Beispiele gibt es im Healthcare-Sektor ausreichend: Mit Merck oder Roche etwa sicherten zwei prominente Unternehmen in Familienhand ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit, indem sie sich an die Börse wagten. Börsenvehikel bieten den Vorteil, dass sie das Unternehmen mit Expertise auf der Basis gleicher Kulturvorstellungen begleiten können, ohne in das Wertegerüst von Familie und Management einzugreifen. Das europäische Werteverständnis als „Center of Gravity“ kann so erhalten bleiben und verschiebt sich nicht in die USA oder nach Asien.

Es ist an der Zeit, neue Wege zu gehen. Der Gesundheitssektor in Deutschland braucht nicht nur Gründungsinitiativen, sondern insbesondere mehr Finanzierungen über die Börse und börsennotierte Investmentfirmen. Nur so stellen wir sicher, dass Hidden Champions in Deutschland zu globalen Gewinnern werden können und dieser attraktive Sektor sich breiter für Investoren öffnet.