Kreditwürdig

Hemmen EU-Strafzölle die Elektromobilität?

Strafzölle gegen China könnten die E-Mobilität beeinträchtigen. Experten rechen auch mit einer deutlich rückläufigen Entwicklung des Auto-ABS-Volumens am Primärmarkt.

Hemmen EU-Strafzölle die Elektromobilität?

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Hemmen EU-Strafzölle die Elektromobilität?

Von Huruy Tesfazion

Die EU-Kommission sieht in der staatlichen Förderung chinesischer Autohersteller eine nach WTO-Regeln unzulässige Subventionierung und hatte am 4. Juli dieses Jahres vorläufig zusätzliche Einfuhrzölle („Strafzölle“) auf Elektrofahrzeuge aus chinesischer Produktion verhängt. Am 20. August 2024 hat die EU-Kommission nun einen Entscheidungsentwurf vorgelegt, der die Stellungnahmen von betroffenen Parteien sowie das Ergebnis weiterer Untersuchungsschritte widerspiegelt. Gegenüber dem vorherigen Entwurf wurde eine leichte Verringerung der geplanten Zölle für die chinesischen Automobilhersteller BYD (17% zuvor: 17,4%), Geely (19,3% zuvor: 19,9%) und SAIC (36,3% zuvor: 37,6%) vorgenommen. Für alle anderen kooperierenden Unternehmen ist ein Satz von 21,3% bzw. für nicht kooperierende Hersteller von 36,3% vorgesehen. Ob die zusätzlichen Zölle beibehalten werden, entscheidet die EU endgültig Ende Oktober.

Nach der Ankündigung der Strafzölle haben auch einige europäische Automobilhersteller Gesprächsbedarf mit der EU-Kommission geäußert. Zum Teil waren die Zölle für einige ihrer Import-Modelle aus China, die sie dort produzieren lassen, in die EU sogar höher angesetzt als für importierte Autos chinesischer Hersteller. Deshalb bemühten sich die hiesigen Autokonzerne ebenfalls schon um eine Senkung der sie betreffenden Zollsätze.

Während Europa beim automobilen Vergleich der jeweiligen Importe und Exporte mit China noch gut dasteht, fällt die Betrachtung in der Gesamtschau aller exportierten und importierten Waren und Dienstleistungen eindeutig zu Gunsten Chinas aus. So erwirtschaftete China im Handel mit der EU 2023 einen Überschuss von rund 291 Mrd. Euro. Auf den Handel mit China entfiel 2023 mehr als 15% des gesamten Warenverkehrs der EU, der Handel mit den USA machte allerdings im selben Jahr rund 17% aus. Umgekehrt machten auf chinesischer Seite Waren aus Europa mit einem Anteil von rund zwei Dritteln den größten Teil der chinesischen Einfuhren aus. Seit 2005 ist deutlich zu erkennen, dass China seine globale Marktposition im Verarbeitenden Gewerbe zu Lasten Europas und der USA massiv ausbauen konnte.

Dabei spielt sicher eine Rolle, dass die Subventionen in China mit etwa 1,8% des BIP deutlich höher ausfallen als in vielen anderen Industrieländern.

Aber auch niedrigere Lohnkosten und Kostenvorteile durch große Produktionsmengen dürften entscheidend sein. Darüber hinaus stellt Chinas strategische Industriepolitik einen wichtigen Erfolgsfaktor dar.

Formelle Untersuchung

Die Antwort Chinas auf die EU-Untersuchungen gegen chinesische Unternehmen wegen Wettbewerbsverzerrung ließ nicht lange auf sich warten. Das Handelsministerium kündigte in einer Pressekonferenz vom 11. Juli eine formelle Untersuchung der Handelspraktiken der EU als Reaktion auf die verhängten Strafzölle an. Betroffen sind nach Angaben des Ministeriums zunächst die Bereiche Eisenbahn, Solar- und Windenergie sowie Sicherheitsausrüstung. Die Untersuchung soll bis 10. Januar 2025 abgeschlossen sein. Auch könnte China schon bald mit weiteren Gegenmaßnahmen gegen die westliche Welt reagieren. So hat die Regierung auf dem 3. Plenum des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei ihren neuen wirtschaftspolitischen Kurs für die nächsten fünf Jahre vorgestellt. Mit dem Ziel, die eigene Wirtschaft künftig widerstandsfähiger gegen westliche Sanktionen und unabhängiger vom Westen zu machen, hat die Regierung schon im Vorfeld ein Rekordvolumen an amerikanischen Aktien und Staatsanleihen abgestoßen.

Für Elektromotoren werden Seltene Erden benötigt, die jedoch hauptsächlich von chinesischen Produzenten angeboten werden. 2022 produzierte China weltweit rund 70% aller Seltenen Erden und hatte damit nahezu eine Monopolstellung. Deutschland importierte nach Angaben des Statistischen Bundesamtes von Januar bis November 2022 rund 66% seiner Seltenen Erden aus China. Bei der Suche nach Alternativen kommt die globale Automobilindustrie nur langsam voran. So könnte die chinesische Regierung durch Export-Strafzölle ihrerseits die Rohstoffkosten erhöhen oder begrenzte Export-Kontingente einführen, was Elektroautos in Zukunft (noch) teurer machen würde. 2023 setzte sich das globale Wachstum alternativer Antriebe weiter fort. Mit weltweit rund 14,5 Millionen Neuzulassungen von Fahrzeugen mit nachhaltigen Antrieben konnte laut dem Verband der Automobilindustrie (VDA) ein Zuwachs von 4 Millionen Einheiten gegenüber dem Vorjahr verzeichnet werden. Damit ist inzwischen fast jeder fünfte weltweit verkaufte Pkw ein Fahrzeug mit Elektroantrieb.

Der Wandel vom Verbrennungs- zum Elektromotor ist somit auf globaler Ebene in einem größeren Umfang zu beobachten, als es in Deutschland und Europa den Anschein hat. Im Jahr 2023 entfielen rund 60% des weltweiten Absatzes auf den derzeitigen Marktführer China, während Europa mit 25% und die USA mit 10% deutlich weniger absetzen konnten. Die Elektromobilität sieht sich weiterhin mit Problemen wie geringen Margen, stark schwankenden Preisen für Batteriemetalle, hoher Inflation und auslaufenden Kaufanreizen in einigen Ländern konfrontiert, die das Wachstum stellenweise abmildern, wenngleich es trotzdem insgesamt hoch ausfällt.

Im ersten Quartal 2024 stieg der weltweite Absatz von Elektroautos um rund 25% im Vergleich zum ersten Quartal 2023. In den vorigen fünf Jahren hat sich der weltweite Absatz von Elektrofahrzeugen sogar fast verachtfacht.

Mit Blick auf europäische Autokreditverbriefungen (Auto ABS) beobachten wir derzeit eine leicht verschlechterte, aber immer noch solide fundamentale Entwicklung der unterlegten Sicherheiten. Kurzfristig erwarten wir keine negativen Auswirkungen der beschlossenen Maßnahmen. Im Falle einer weiteren Eskalation rechnen wir mit leicht positiven Effekten auf die Collateral-Performance, aber mit einer deutlich rückläufigen Entwicklung des Auto-ABS-Primärmarktvolumens.

Allerdings sollte dies nicht als Argument gegen die Strafzölle der EU und ein „Gewähren lassen“ Chinas verstanden werden. Erfahrungen aus anderen Branchen zeigen, dass sich chinesische Firmen letztlich auch mit staatlicher Hilfe in einem wettbewerbsverzerrten Marktumfeld so durchsetzen konnten, dass sich ausländische Wettbewerber gänzlich zurückzogen oder unfreiwillig aufgeben mussten.

*) Huruy Tesfazion ist ABS Research Analyst bei der DZ Bank.

Von Huruy Tesfazion *)
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