Geld oder Brief:Militärelektronik

Hensoldt wächst mit der Politik

Hensoldt profitiert von politischem Rückenwind. Die Aktie des Herstellers von Rüstungselektronik zeigt aber eine ausgeprägte Volatilität. Das Kurspotenzial gilt als überschaubar.

Hensoldt wächst mit der Politik

GELD ODER BRIEF

Hensoldt wächst mit der Politik

Von Michael Flämig, München

Hensoldt-Aktionäre brauchten im vergangenen Jahr gute Nerven. Der Aktienkurs des Herstellers von Rüstungselektronik schwankte zwischen 25 und 44 Euro, der Höchststand war schon Anfang April erreicht worden. Letztlich ging das Papier mit einem Plus von rund 40% aus Handelsjahr 2024.

Diese Volatilität kontrastiert mit dem langfristigen Geschäft des Unternehmens aus Taufkirchen bei München. Schon heute weiß der plattformunabhängige Anbieter von Sensorlösungen, dass 86% des prognostizierten Umsatzes im angelaufenen Jahr vom vorhandenen Auftragsbestand abgedeckt sind.

Strategie an zweiter Stelle

Was also verursacht das Hin und Her der Bewertung? Der vergangene Dezember zeigt wie in einem Brennglas, welche Treiber die Aktionäre vor allem im Blick haben müssen: Politik schlägt Strategie, zumindest kurz- und mittelfristig.

So drückte der Sturz des Assad-Regimes in Syrien samt Friedenshoffnungen in Nahost den Hensoldt-Kurs Anfang des Monats innerhalb von nur drei Handelstagen um mehr als ein Zehntel. Aussagen von Nato-Generalsekretär Mark Rutte dagegen zu notwendigen höheren Wehrausgaben katapultierten die Aktie im weiteren Monatsverlauf an die Spitze des damaligen MDax-Handelstages.

Staatliche Aufträge

Verhältnismäßig wenig Bewegung zeigte die Bewertung dagegen vor dem Kapitalmarkttag im Dezember, obwohl erwartet wurde, dass das Management dort die mittelfristigen Wachstumsaussichten ambitioniert präzisiert – was dann auch geschah. Nicht einmal die Hälfte des vorherigen Kursverlustes während des syrischen Siegeszuges gegen Assad wurde wettgemacht.

Diese Abhängigkeit von der Politik unterscheidet Hensoldt von ebenfalls langfristig ausgerichteten Infrastrukturgüteranbietern. Sie profitieren zwar auch von Anreiz- und Subventionsprogrammen der Regierungen, aber weitgehend staatliche Aufträge sind die Ausnahme.

Nato muss mehr Geld ausgeben

Für den Hensoldt-Konzern, der zu 25,1% im Besitz des deutschen Staates ist, gilt: Die Signale aus der Politik sind positiv. Europa steht unter erheblichem Druck, die Verteidigungsausgaben zu erhöhen. Das Hensoldt-Management wird denn auch nicht müde, diesen Wandel der Rahmenbedingungen herauszustreichen. Auf dem Kapitalmarkttag wird bereits am Anfang der Präsentation vermerkt: „Starke Unterstützung von politischen Akteuren.“

Die geopolitischen Hotspots, die Hensoldt identifiziert hat, umfassen bereits ein Drittel der Welt. In Europa wird eine „permanente Krise“ diagnostiziert. 23 der 32 Nato-Staaten hätten im vergangenen Jahr bereits mindestens 2% ihres Bruttosozialprodukts für Verteidigung ausgegeben, listet Hensoldt-Chef Oliver Dörre auf. Und: Es gebe eine zunehmende Diskussion, den Mindestwert auf 3% zu erhöhen.

Störfaktor Regierungswechsel

Die Konsequenz: ein hohes Marktwachstum. Die Verteidigungsausgaben in Deutschland würden im Zeitraum 2024 bis 2030 um 7,4% steigen, so Dörre, der für Hensoldt adressierbare Markt für Militärelektronik sogar um 10,6% (2024: 3,3 Mrd. Euro). Im europäischen Ausland betrage das Elektronik-Plus 6,6%, im Rest der Welt 7,2% (2024: 16,6 Mrd. Euro).

Ob derlei Projektionen dann auch Realität werden, ist im politischen Raum allerdings besonders ungewiss. Längerfristige Ausgabenpläne der Regierungen stehen bei jedem Wechsel an der Spitze der Staaten wieder zur Diskussion. Insofern bringt auch das Ende der Berliner Koalition erst einmal Unsicherheit statt Klarheit.

Ambitionierte Wachstumsziele

Hensoldt hat sich im Dezember dennoch darauf festgelegt, in den Jahren 2024 bis 2030 im Schnitt um 10% jährlich zu expandieren. Weitere 3% Wachstum per annum sollen Zukäufe bringen. Bereits in der Vergangenheit wurde Potenzial aufgebaut. Der Auftragsbestand ist von 2,2 Mrd. im Jahr 2019 auf 6,5 Mrd. Euro im September 2024 gewachsen. Der Zielumsatz 2030 beträgt 5 Mrd. Euro. Dabei will das Unternehmen auch international an Bedeutung gewinnen. Der Umsatzanteil Deutschlands wird demnach von voraussichtlich 58% im Jahr 2025 auf 50% sinken.

Das erhöhte Volumen will gemanagt werden, es sind erhebliche Investitionen erforderlich. Ein Beispiel: Die Produktionskapazität des Multifunktionsradar TRML-4D wurde von 2 Einheiten im Jahr 2021 auf 18 in der angelaufenen Periode erhöht. Hensoldt ringt denn auch darum, neue Beschäftigte zu gewinnen. Zuletzt identifizierte Dörre die Probleme der Automobilindustrie als Chance. Das Unternehmen startete Gespräche, bis zu 100 Personen von zwei Automobilzulieferern einzustellen. Aktuell beschäftigt Hensoldt rund 8.000 Menschen.

Marge steigt kaum

Die bereinigte Ebitda-Marge vor dem Geschäft mit niedrigem Wertschöpfungsanteil soll der Planung zufolge im Jahr 2025 auf dem aktuellen Niveau von 18 bis 19% verharren, mittelfristig aber auf rund 20% steigen. Die Nettoverschuldung wird vom 1,6-Fachen des Ebitda (2025) aus weiter sinken. Die Ausschüttungsquote allerdings wird der Planung zufolge bei 30 bis 40% des bereinigten Gewinns verharren.

Die Wachstumsversprechen stoßen in der Analystengemeinde auf große Akzeptanz. Als die französische Investmentbank Exane BNP Paribas (Kursziel 39 Euro) kürzlich erstmals ein Hensoldt-Research veröffentlichte, wurde beispielsweise eine vermutlich geringere Unterstützung der Nato durch die USA als strukturelle Wachstumstreiber für die deutsche Rüstungsbranche identifiziert. Nach dem Kapitalmarkttag lobte auch die Deutsche Bank (Kursziel 41 Euro) die Wachstumspläne des Rüstungsspezialisten. Der Rüstungskonzern sei auf dem Weg zu nachhaltigem, starkem Wachstum, schrieb ebenfalls Hauck Aufhäuser (Kursziel 52 Euro). Warburg Research setzt 40 Euro als Kursziel.

Dennoch gilt das Kurspotenzial am Kapitalmarkt angesichts des aktuellen Aktienkurses von gut 34 Euro als überschaubar. BNP Paribas sieht die Kurstreiber zunächst einmal abgehakt. Die US-Bank J.P. Morgan, die 36 Euro je Aktie für angemessen hält, meint, bei Hensoldt stehe nun die Integration der im April getätigten Übernahme des Sicherheitstechnik-Spezialisten ESG auf der Agenda.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.