"Hier ist etwas Großes im Gang"

Julius Bär: Steigende Zinsen bedeuten eine andere Anlagewelt - Institut gibt US-Aktien den Vorzug

"Hier ist etwas Großes im Gang"

Nach Meinung von Julius Bär erleben die Finanzmärkte und die Weltwirtschaft derzeit einschneidende Veränderungen, die von einer steigenden Inflation, höheren Zinsen und einem anziehenden Dollar geprägt werden.ck Frankfurt – Auch im kommenden Jahr werden politische Ereignisse das Geschehen an den Finanzmärkten prägen, ist Julius Bär überzeugt. Allerdings hält das Schweizer Haus ihre Bedeutung und auch ihre Risiken im Vergleich zu sich vollziehenden wirtschaftlichen Veränderungen für gering. “So etwas wie Trump und Brexit steht im Euroraum nicht bevor”, sagte David Kohl, Chefvolkswirt Deutschland, am Donnerstag in einem Pressegespräch in Frankfurt. Höhere InflationWichtig seien indes die Nachwirkungen des Trump-Siegs für die Wirtschaft und die Finanzmärkte. Der zu erwartende stärkere Protektionismus sei allerdings kein Anlass, die Prognosen zu verändern. “Wir haben uns bereits daran gewöhnt, dass die Dynamik des Welthandels nachlässt.” In vielen Prognosen, auch in denen für Deutschland, gelte der Export nicht mehr als treibende Kraft. Von größerer Bedeutung sei die von Trump angekündigte Immigrationspolitik. Der Lohndruck nehme bereits zu. Eine Abschiebung von Immigranten in einem angespannten Arbeitsmarkt bedeute noch stärkere Lohnsteigerungen. “Wir müssen 2017 wieder über Inflation reden. Das ist neu.” Auch die Fiskalpolitik sei von erheblicher Bedeutung. Höhere Ausgaben seien wieder salonfähig, im Euroraum habe man sich klammheimlich von der Austeritätspolitik verabschiedet. Kohl zufolge ist an Trumps Investitionsplänen jedoch problematisch, dass die US-Wirtschaft nicht mehr unterausgelastet ist. Bislang hatte die Bank erst 2018 eine anziehende Inflation erwartet. Dies werde nun um ein Jahr vorgezogen. Die Nachfrageseite werde gestärkt und gleichzeitig die Angebotsseite geschwächt.Die politische Ausgangslage des Euroraums vor den Wahlen u.a. in Frankreich und Deutschland ist Kohl zufolge nicht mit der Situation in den USA und Großbritannien vergleichbar. Die Erfolge der Brexit-Befürworter und Trumps seien maßgeblich auf die zunehmend ungleiche Einkommensverteilung zurückzuführen. In Europa sei die Entwicklung dagegen stabil. Auch biete der Wachstumsausblick der Eurozone keinen Anlass für politische Unzufriedenheit. In Frankreich gebe es ein Restrisiko, da noch nicht alle Gegner Le Pens für die Präsidentschaftswahl benannt seien. Le Pens Zustimmungswerte seien aber seit 2013 auf zuletzt 25 % gesunken. Wichtiger als die Politik seien für die Finanzmärkte Inflation, steigende Zinsen und der anziehende Dollar.Laut Christian Gattiker, Chefstratege und Leiter Research, vollzieht sich an den Märkten derzeit ein Umbruch. “Hier ist etwas Großes im Gang”. Wenn sich die zehnjährige Treasury-Rendite Richtung 3 % bewegen sollte, bedeute das eine andere Anlagewelt. “Ein Zinsanstieg wäre gut für Aktien, aber nicht für Dividendenwerte wie P & G, sondern für stark zyklische und Finanzwerte.” Die Rotation habe in den USA bereits begonnen und sei vehement, so Gattiker, der im Verlauf des ersten Quartals 2017 ein Überschießen erwartet.Gattiker rechnet mit weiter anziehenden Dollar-Notierungen. Er sei zwar schon teuer, könne aber noch teurer werden bzw. noch ein bis zwei Jahre lang zulegen. Das sei negativ für die Emerging Markets. Für Europa bedeute es eine gute Nachricht, für Schwellenländer sei es ein Zeichen dafür, dass Kapital in die USA fließe. Daher sei die schwierige Fahrt der Emerging Markets noch nicht vorbei, auch wenn ihre Bewertungen nicht mehr so hoch und ihre Krisenanfälligkeit nicht mehr so ausgeprägt seien. Es könne noch eine Weile dauern, bis Investoren mit Schwellenländeraktien besser führen als mit hiesigen. Kohl erklärte für möglich, dass der Euro die Dollar-Parität erreicht. Eine Bewegung von 5 % sei angesichts einer Volatilität von 10 nichts Ungewöhnliches. Insgesamt werde die Euro-Abwertung aber moderater ausfallen als bei den Emerging-Markets-Währungen. Dax-Ziel von 11 300 PunktenFür den Dax ist Gattiker optimistisch. Er profitiere aufgrund seines hohen zyklischen Anteils von den verbesserten makroökonomischen Aussichten. Gattiker rechnet für 2017 mit einem Gewinnwachstum von 9 %, die Bewertung des Index sei angemessen. Sei Dax-Ziel lautet auf 11 300 Punkte. Zu bevorzugen seien jedoch US-Aktien. In Euro gerechnet sei der S & P 500 nicht zu schlagen, und das werde sich wahrscheinlich noch ein bis zwei Jahre fortsetzen. Kohl glaubt, dass die Staatsanleiherenditen im ersten Quartal überschießen werden. In der Inflation werde der Basiseffekt des Ölpreises wegfallen. Das habe mit Trump nichts zu tun, aber seine Fiskalpolitik komme als Thema verstärkend hinzu.