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High Noon für High Yield

Von Andreas Hippin, London Börsen-Zeitung, 23.7.2014 Ramschanleihenfonds haben in der vergangenen Woche die höchsten Abflüsse seit August 2013 verzeichnet. "High Yield, High Noon", betitelt Michael Hartnett, der New Yorker Chefanlagestratege von...

High Noon für High Yield

Von Andreas Hippin, LondonRamschanleihenfonds haben in der vergangenen Woche die höchsten Abflüsse seit August 2013 verzeichnet. “High Yield, High Noon”, betitelt Michael Hartnett, der New Yorker Chefanlagestratege von BoA Merrill Lynch, seine wöchentliche Analyse der Mittelflüsse im Geschäft Fixed Income, Währungen und Rohstoffen. Dabei fließt in alle Assetklassen frisches Geld, Junk Bonds verlieren aber langsam ihre Anziehungskraft. Sie hatten vom Renditehunger der Anleger profitiert, die mit Staatsanleihen nur noch geringe Renditen erzielen konnten. Die ultralockere Geldpolitik der Notenbanken bescherte den Ramschanleihen den Status eines “sicheren Hafens” – vergleichsweise attraktive Rendite bei extrem niedriger Volatilität.J. P. Morgan zufolge brachten europäische Junk Bonds Anlegern, die beiden vergangenen Jahre zusammengenommen, eine Gesamtrendite von mehr als 30 %. Und auch im ersten Halbjahr ging sie nahezu linear nach oben. Hochzinsanleihen profitierten davon, dass sich die europäische Staatsschuldenkrise verflüchtigte und die Zahl der Ausfälle nicht das Niveau erreichte, das für eine Region in einer tiefen Wirtschaftskrise typisch gewesen wäre. Die große Nachfrage der Investoren bescherte Emittenten traumhafte Konditionen.Das Emissionsvolumen in Europa, Nahost und Afrika (EMEA) erreichte im ersten Halbjahr Rekordniveau: Der Ratingagentur Moody’s zufolge belief es sich auf 88 Mrd. Dollar und lag damit mehr als ein Drittel über dem Niveau des Vorjahreszeitraums. Es enthält allerdings große Emissionen wie die des Kabelnetzbetreibers Altice und des italienischen Mobilfunkers Wind. Telekomunternehmen und Firmen aus der Automobilbranche dominieren den Markt. Im laufenden Jahr könnte das Emissionsvolumen den Schätzungen der Kreditanalysten zufolge mehr als 130 (2013: 107) Mrd. Dollar erreichen. Rund 30 % aller EMEA-Ramschanleihen werden von Emittenten aus der Peripherie der Eurozone begeben. Das Emissionsvolumen von 26 Mrd. Dollar übertraf bereits die im gesamten Vorjahr in den Euro-Krisenländern erreichte Summe von 24 Mrd. Dollar. Die Ausfallrate ist unterdessen weiter zurückgegangen. Moody’s zufolge lag sie in Europa nach 2,7 % im Auftaktquartal im zweiten Quartal bei 2,2 (i.V. 3,4) %. Bis Ende des Jahres könnte sie den Schätzungen der Bonitätsprüfer zufolge bis auf 1 % zurückgegangen sein. Die Zahl der Unternehmen mit Junk-Rating, die sich in Liquiditätsnöten befinden, ging per Ende März auf 9 (17) % zurück. Renditen unter DruckInvestoren haben ihre Renditeerwartungen stark zurückgeschraubt. Standard & Poor’s spricht von einer “trotz wachsenden Angebots scheinbar unstillbaren Nachfrage”. Die Zinsen schwanken inzwischen um Rekordtiefs von 4,4 %. Die Risikoaufschläge sind entsprechend niedrig bei rund 325 Basispunkten. Damit sind sie noch nicht auf die 2007 erreichten 200 Basispunkte gefallen – aber was nicht ist, kann ja noch werden. “Ich gehe zwar nicht davon aus, dass wir dieses Niveau wieder erreichen, aber dennoch können sich die Risikoaufschläge vom heutigen Stand noch nach unten bewegen”, sagt etwa der Fidelity-Fondsmanager Andrei Gorodilov, der für die US-Gesellschaft 5,25 Mrd. Euro in europäischen High-Yield-Anleihen verwaltet. Kreditanalyst Paul Watters von Standard & Poor’s fühlt sich mit Blick auf einige besonders aggressiv strukturierte Transaktionen an die Exzesse der Vorkrisenjahre erinnert. “Was uns zunehmend Sorgen macht, ist die Frage, ob die richtigen Unternehmen von günstigen Krediten profitieren und ob sie sie so produktiv wie möglich einsetzen”, sagt der Kreditwürdigkeitsprüfer. “In Europa ist das zwar nicht so ausgeprägt wie in den USA, aber die Trends deuten sämtlich auf eine Erosion der Marktdisziplin hin.” Zudem werde verstärkt auf Financial Engineering zurückgegriffen, um Rendite zu erwirtschaften – weniger auf fundamentales Wachstum. “Auffällig ist, dass technische Faktoren seit einiger Zeit ein wichtiger Treiber des Marktes sind”, sagt Gorodilov. Die anhaltenden Zuflüsse in die Assetklasse stammten aus einer stärker diversifizierten Investorenbasis als bisher. Das Interesse institutioneller Kunden, aber auch die Zuflüsse aus Asien und Lateinamerika hätten zugenommen. Von einer Blase am Junk-Bond-Markt will bislang keiner sprechen. “Allerdings besteht die Gefahr, dass es bei nachlassendem Anlegerinteresse schnell zu Kursverlusten kommen kann, da der Markt recht eng ist”, sagt der Fidelity-Fondsmanager. Dass in der vergangenen Woche 2,7 Mrd. Dollar aus dem High-Yield-Segment abgezogen wurden, während Investment-Grade- und Emerging-Market-Anleihenfonds Zuflüsse verzeichneten (+ 4,7 Mrd. Dollar bzw. + 0,9 Mrd. Dollar), mag als Warnsignal gelten.”Wir rechnen mit einem schwierigeren zweiten Halbjahr, weil ein Teil des Reizes, der Anleger in diese Assetklasse gezogen hat, anfängt zu verblassen”, schreibt Daniel Lamy, Bondstratege bei J. P. Morgan. Er rechnet für das laufende Jahr mit einer Gesamtrendite von 6 % bei europäischen Ramschanleihen. Institutionelle Anleger mit globalem Mandat könnten versucht sein, ihr Geld anderswo anzulegen, solange die Risikoprämien nicht steigen. Im Wettbewerb um die Aufmerksamkeit der Investoren stehen aus Sicht des Strategen andere Risiko-Assets wie Schuldentitel von Schwellenländern und Aktien mit europäischen Junk Bonds im Wettbewerb.