GASTBEITRAG

Hoffnung auf das Ende populistischer Experimente

Börsen-Zeitung, 3.1.2017 Die meiste Zeit des Jahres 2016 waren die Anleihemärkte durch überhöhte Bewertungen der US-Schatzanleihen geprägt, weitgehend unbeeindruckt von steigender Inflation und der Stärke des US-Arbeitsmarktes. In der ersten...

Hoffnung auf das Ende populistischer Experimente

Die meiste Zeit des Jahres 2016 waren die Anleihemärkte durch überhöhte Bewertungen der US-Schatzanleihen geprägt, weitgehend unbeeindruckt von steigender Inflation und der Stärke des US-Arbeitsmarktes. In der ersten Jahreshälfte bezweifelten sogar einige Marktteilnehmer, dass die Inflation strukturell gesunken wäre und dass die Risiken einer Deflation große Sorgen bereiteten. Unser Research zeigte jedoch genau das Gegenteil und wir warnten die Anleger vor hohen Bewertungen und asymmetrischen Risiken bei längeren Laufzeiten aufgrund der außergewöhnlichen Anfälligkeit von US-Treasuries. Im Oktober schlossen sich die Märkte verstärkt dieser Meinung an, als die Rendite der Zehnjahres-US-Schatzanleihe leicht zulegte. Im November hatte sich die abrupte Korrektur der US-Treasury-Bewertungen vollumfänglich durchgesetzt und zeigte sich sehr bald nach dem Ergebnis der US-Wahlen, als die Märkte anscheinend schnell auf unsere seit langem vertretene Meinung umschwenkten, dass der Inflationsdruck zunehmen würde. Als diese Renditekorrekturen einsetzten, erfolgten sie relativ heftig in einem kurzen Zeitraum und zeigten damit, welche Extreme diese Bewertungen erreicht hatten. Die steigenden Renditen in den USA wurden begleitet durch Abwertungen des japanischen Yen und des Euro.Mit Blick auf 2017 gehen wir davon aus, dass diese grundlegenden Bedingungen in den entwickelten Volkswirtschaften, die Ende 2016 in der Marktbewertung rapide zurückgedrängt wurden, sich noch vertiefen und ausdehnen werden. Wir gehen von einer steigenden Inflation in den USA aus, da der Lohndruck zunehmen und die Wirtschaft wachsen wird, während die Eurozone und Japan einen deutlich anderen Weg als die USA nehmen werden. Ungleiche EntwicklungDiese globalen Entwicklungen dürften sich weiterhin belastend für die Anleihenmärkte in den Industrieländern erweisen, jedoch auch erhebliche Gelegenheiten in bestimmten Schwellenmärkten (EM) erzeugen, die sich in lokaler Währung verschulden. Dort sind die Renditen bereits hoch und die Währungen erscheinen bereits extrem unterbewertet, selbst wenn ihre volkswirtschaftlichen Fundamentaldaten weiterhin verhalten sind. Für die Bewertungen in bestimmten Schwellenländern in Lateinamerika und Asien (ohne Japan) sind wir optimistisch, achten jedoch weiterhin auf die Durationsrisiken in den Industrieländern. Steigender InflationsdruckUnsere Meinung, dass die Inflation in den USA steigen wird, basiert in erster Linie auf steigendem Lohndruck und einem US-Arbeitsmarkt, der lange Zeit im Jahr 2016 Vollbeschäftigung gezeigt hat und weiterhin an Stärke gewinnt, parallel zu einer übertrieben lockeren Geldpolitik und einer auf Expansion ausgerichteten Haushaltspolitik. Die am Kern-Verbraucherpreisindex gemessene Inflation blieb 2016 bislang über 2,0 % und weist Anzeichen für einen weiteren Anstieg auf. Schließlich gehen wir davon aus, dass die Inflation Anfang 2017 auf über 3,0 % ansteigen wird, da die Basiseffekte des letztjährigen Ölpreisrückgangs in der Gesamtinflation nicht mehr berücksichtigt werden.Daneben gehen wir in Bezug auf die öffentlichen Ausgaben von einer Ausweitung des Haushalts durch die künftige Regierung aus, besonders in der Form steigender Infrastrukturausgaben. Sie dürften den bereits vorhandenen Inflationsdruck zusätzlich verstärken, das Wachstum beflügeln und wahrscheinlich zur verstärkten Emission von US-Treasuries führen. Sollte die neue Regierung Handelsbeschränkungen und Zölle einführen, würde dies ebenso die Kosten für Waren in den USA steigen lassen. Insgesamt gehen wir davon aus, dass die Inflation das Ziel der US-Notenbank Federal Reserve (Fed) Anfang 2017 übersteigen wird, so dass die Fed aus unserer Sicht die Zinsen auch nach der letzten 25-Basispunkte-Erhöhung im Dezember weiter anheben werden muss. Jedoch sehen wir auch Szenarien, in denen der Markt die Renditen unabhängig vom Terminplan der Fed weiter in die Höhe treibt.Bei steigenden Zinsen in den USA gehen wir von einer anhaltenden Stärke des US-Dollars gegenüber einigen anfälligen Währungen aus, insbesondere Euro und Yen. Im Oktober war an den Märkten eine Rückkehr des Euro und Yen zum Abwertungstrend zu beobachten, als die Renditen der US-Schatzanleihen stiegen, während die Europäische Zentralbank (EZB) und die Bank von Japan (BoJ) ihre außergewöhnlich lockere Geldpolitik fortsetzten. Diese Abwertungen verstärkten sich im November nach dem US-Wahlergebnis, als die Rendite 10-jähriger US-Treasuries auf über 2,2 % anstieg.Nach unserer Meinung spricht weiterhin viel für eine Fortsetzung der Geldschwemme in der Eurozone und Japan. Sehr viel mehr noch als die USA sind beide Regionen auf schwache Währungen angewiesen, um ihren Export und ihr Wirtschaftswachstum zu unterstützen. Zudem brauchen beide Regionen Inflation, insbesondere Japan.Der wachsende Zinsabstand zwischen den niedrigen bis negativen Sätzen in der Eurozone und Japan und den steigenden Renditen der US-Treasuries dürfte die Ziele der EZB und BoJ unterstützen, indem die Zentralbanken motiviert werden, deutlichere Maßnahmen zu treffen, nachdem sie jetzt effektiver gegen die stärkeren Zinsanhebungen in den USA umgesetzt werden können. Der Euro gerät auch aufgrund steigender politischer Risiken unter Druck, nachdem populistische Strömungen in der Europäischen Union (EU) zuletzt an Zustimmung gewinnen. Die 2017 anstehenden Wahlen in Frankreich und Deutschland werden wichtige Signale dafür sein, wie widerstandsfähig oder anfällig der politische Wille für die Fortsetzung der EU und der Eurozone als Projekt ist. Insgesamt ist Europa unmittelbarer im nächsten Jahr auf eine Fortsetzung der Geldschwemme und der Euroschwäche angewiesen als Japan, wo der Bedarf eher laufend und langfristig ist. Trotzdem gehen wir bei beiden Währungen von einer Schwäche aus. Angst vor ProtektionismusFür die Schwellenmärkte gehen wir nach wie vor von erheblichen Unterschieden zwischen anfälligen und einigen solideren Volkswirtschaften aus. Nach der US-Wahl reagierten die Märkte im November für zahlreiche Schwellenländer negativ, weil sie nachteilige Folgen einer protektionistischen US-Politik für den Welthandel befürchteten. Wir beobachten jedoch, dass die künftige Regierung sich von den früher angekündigten enormen Zöllen abwendet und eher auf freien und fairen Handel setzt. Es gibt aus unserer Sicht mehrere Szenarien, in denen die tatsächlichen Folgen einer geänderten Handelspolitik auf bestimmte Schwellenländer-Volkswirtschaften minimal bis vernachlässigbar sein dürften.Darüber hinaus haben mehrere Schwellenländer bereits schwere Krisen gemeistert und erweisen sich weitaus kräftiger, um potenzielle Steigerungen der Handelskosten in den Margen abzufedern, als die Märkte derzeit wahrnehmen. In den vergangenen zehn Jahren haben zahlreiche EM ihre Devisenpolster erhöht, bei ihren Leistungsbilanzen einen Überschuss oder nahezu ein Gleichgewicht erreicht, ihre Staatshaushalte saniert und ihre Verbindlichkeiten in US-Dollar abgebaut.In Zeiten kurzfristiger Unsicherheit tendieren die Märkte dazu, die potenziellen politischen Faktoren in den USA zu übertreiben und den wichtigeren Binnenfaktoren in den Ländern zu wenig Beachtung zu widmen. Wir gehen davon aus, dass diese Bewertungen langfristig zu ihren grundlegenden Fundamentaldaten zurückkehren werden, wenn die Märkte ihren tatsächlichen Wert genauer erfassen.Wir blicken positiv auf mehrere Engagements in lokalen Währungen in bestimmten Schwellenländern, die wir für unterbewertet halten, insbesondere Mexiko, Brasilien, Argentinien, Kolumbien, Indonesien und Malaysia. Konkret auf Mexiko bezogen würde eine Einschränkung des freien Handels den Warenaustausch mit den USA nicht zum Erliegen bringen; lediglich die Kosten würden steigen. Viele der größten US-Konzerne haben bedeutende Investitionen in Mexiko getätigt und die Produktion im südlichen Nachbarland ist fest in ihre Lieferketten eingebunden. Dies macht es für jede Regierung schwieriger, den Handel zwischen beiden Ländern signifikant zu senken, selbst durch die Erhebung von Zöllen. Die negativen Effekte von eventuellen Handelsbeschränkungen auf den mexikanischen Peso wurden unserer Meinung nach zu stark eingepreist. Sie entsprechen nicht dem Zeitwert, selbst wenn man eine Rückkehr zu den WTO-Bedingungen unterstellen würde. Wir gehen von einer Erholung des Peso aus, wenn die mexikanische Zentralbank sich weiterhin für eine starke Landeswährung einsetzt und die Märkte sich wieder auf den zugrunde liegenden fairen Kurs besinnen.Auch Indonesien ist ein solides Beispiel für die Stärke in bestimmten Schwellenländern. Während die Rohstoffpreise einbrachen, die Handelsvolumina abnahmen und Chinas Wachstum sich verlangsamte, legte Indonesien noch 5 % zu, bei einer ausgeglichenen Leistungsbilanz bei Berücksichtigung der ausländischen Direktinvestitionen. Schwellenländer robusterDarüber hinaus waren 2016 massive Abwertungen bei Schwellenländer-Währungen zu beobachten, jedoch hat es keine Bonitätsprobleme in Ländern wie Indonesien oder Malaysia gegeben. Vor 20 Jahren war es womöglich für viele dieser Länder schwieriger, einen Schock durch eine protektionistische Handelspolitik, durch fallende Rohstoffpreise und abwertenden Währungen gleichzeitig zu meistern. Heute jedoch befinden sich diese Länder in einer viel stärkeren Position, um mit dieser Art von gesamtwirtschaftlichen Entwicklungen und Veränderungen im Welthandel fertig zu werden. Sollte das Trans-Pazifische Partnerschaftsabkommen (TPP) nicht unterzeichnet werden, wäre dies für Länder wie Indonesien keine Katastrophe. Zweifellos wäre die Region nach unserer Meinung mit einem Handelsrahmen dieser Art stärker als ohne ihn, jedoch war Indonesien bereits ohne TPP stark und ist nicht auf verbesserte Handelsvereinbarungen angewiesen, um seine gute Entwicklung fortzusetzen. Die Märkte tendieren aus unserer Sicht dazu, auf den handelspolitischen Ton der Schlagzeilen zu achten, auch wenn die zugrunde liegenden Fundamentaldaten eine andere Geschichte erzählen.Im neuen Jahr 2017 müssen insgesamt die Risiken eines steigenden Populismus in Europa und den USA sowie die potenziellen Folgen protektionistischer Handelspolitik im Auge behalten werden. Trotz steigender politischer Risiken in den Industrieländern gibt es zahlreiche überzeugende Gelegenheiten in bestimmten EM, die uns für das kommende Jahr optimistisch stimmen. Ironischerweise haben sich mehrere lateinamerikanische Länder wie Brasilien, Argentinien und Kolumbien jüngst von früheren, gescheiterten populistischen Experimenten abgewendet und kehren derzeit zu einer eher orthodoxen Politik zurück. Sie sind der Marktwirtschaft und einer konservativen Haushaltspolitik zugeneigt, achten auf eine glaubhafte Geldpolitik, ein förderliches Geschäftsklima und einen am Export orientierten Handel. Wir setzen nach wie vor lieber auf einige unterbewertete Chancen in auf lokale Währungen lautende EM-Anleihen als viele überbewertete und niedrig rentierliche Titel in den Industrieländern.Für 2017 hoffen wir, dass die mit Populismus experimentierenden Industrieländer die negativen Folgen vermeiden können und stattdessen zu den Erfolgen einer eher orthodoxen Politik zurückfinden.—-Michael Hasenstab, Chief Investment Officer von Franklin Templeton Investments