Hoffnung auf Kursanstieg in Kanada

Aber der Gegenwind am Aktienmarkt in Toronto nimmt zu - Nafta-Verhandlungen als Damoklesschwert

Hoffnung auf Kursanstieg in Kanada

Am kanadischen Aktienmarkt gibt es die Hoffnung auf Kursanstiege im zweiten Halbjahr. Allerdings hat sich die Binnenkonjunktur spürbar abgeflacht. Zudem belasten die schwierigen Nachverhandlungen mit den USA über die Nafta-Freihandelszone vor dem Hintergrund kühler Beziehungen zu den USA. Von Markus Gärtner, TorontoWie zerronnen, so gewonnen: Kanadas Leitindex, der S &P TSX in Toronto, brach im ersten Quartal um fast 10 % ein, erholte sich dann aber ab April, um am 22. Juni mit 16 450 Zählern einen neuen Höchststand zu markieren. Vor allem Energie- und Rohstoffwerte trieben den Index an. Viele Analysten sehen das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht, trotz schwieriger Nafta-Neuverhandlungen mit den USA und trotz der abkühlenden Konjunktur im Ahornland. Eine Reuters-Umfrage Ende Mai ergab, dass die Mehrheit der Analysten beim TSX noch Luft nach oben sieht. Der Mittelwert der erfragten Prognosen stellt mit 16 825 Punkten bis Jahresende einen weiteren Anstieg des TSX um 2,5 % in Aussicht. Im kommenden Jahr soll es sogar weiter nach oben bis auf 17 500 Zähler gehen. Luft nach obenLuc Vallee, der Chefstratege beim Broker und Vermögensberater Laurentian Bank Securities in Montreal, erwartet, dass der TSX im zweiten Halbjahr besser abschneiden wird als der S & P 500 und noch 10 % Luft nach oben hat. Das würde bis Jahresende einen Indexstand von 18 000 bedeuten. Zur Begründung wird von den Optimisten angeführt, dass höhere Rohstoffpreise und steigende Zinsen den zyklischen Aktien in dieser späten Phase des konjunkturellen Zyklus auf die Sprünge helfen können. Zyklische Werte wie Finanztitel, aber auch Energie- und Rohstoffwerte machen 65 % der Gewichtung an Kanadas Börse aus. “Wir bewegen uns in die späte Phase des Zyklus hinein, eine Zeit, in der sich die Rohstoffpreise und die entsprechenden Aktien in der Vergangenheit besonders gut entwickelt haben”, sagt der Chefstratege beim Vermögensverwalter SIA Wealth Management in Calgary, Colin Cieszynski. Und Candice Bangsund, eine Portfoliomanagerin beim Investmentberater Fiera Capital Management in Montreal, ist der Meinung, kanadische Aktien seien “in unfairer Weise bestraft worden”, weil sich Anleger wie Investoren “mit einer Reihe von Unsicherheiten konfrontiert sehen”. Ausblick wenig rosigDiese Unsicherheiten sorgen aktuell dafür, dass einige Börsenexperten den kurzfristigen Ausblick an Kanadas Wertpapiermärkten nicht so rosig sehen. Besonders die zähen Verhandlungen zur Nafta lasten angesichts der abgekühlten Beziehungen zwischen Ottawa und Washington auf den Kursen. Kanada setzt drei Viertel seiner Ausfuhren im Nachbarland USA ab. Das bedeutet Gegenwind vor allem für die Hersteller von Autokomponenten, Energie und den Eisenbahnsektor. Sie hängen stark vom Handel mit den USA ab. Gerade diese Aktien hatten sich in jüngster Zeit besser entwickelt als die Anteilscheine jener kanadischen Firmen, die ihre Produkte vor allem auf dem Heimatmarkt absetzen, schreibt Brian Belski, der leitende Investmentstratege bei der Investmentbank BMO Capital Markets. Werte wie der Dream Global Real Estate Investment Trust, Valeant Pharmaceuticals und die Boyd Group, die fast 90 % ihrer Erlöse in den USA erzielt, haben zuletzt vor allem von der Steuerreform der Regierung Trump profitiert. Doch jetzt drohen sie in den Strudel der Handelsstreitigkeiten zu geraten.Als wetterfeste Aktien mit Blick auf das protektionistische Gewitter empfehlen Analysten in Kanada daher in jüngster Zeit zunehmend Aktien von Techfirmen sowie Gesundheitswerte. Vallee zum Beispiel nennt den IT-Provider CGI Group und Versicherer wie die Power Corp. of Canada, die sich mehr in China engagiert. In den Empfehlungen tauchen auch immer öfter kanadische Staatsanleihen auf. Die Rendite der 10-jährigen Anleihe lag zuletzt bei 2,1 %. Sie hat in den vergangenen zwölf Monaten 60 Basispunkte zugelegt, damit mehr als vergleichbare Schuldpapiere in den USA. Die Käufe ausländischer Investoren in Kanada haben im April wegen zunehmender Nachfrage am Anleihemarkt laut dem “Ölsandmagazin” ein Fünfmonatshoch erreicht.Unsicherheit lastet auch auf dem Kanada-Dollar und den Ölnotierungen, die für Kanada als wichtigem Ölexporteur eine große Rolle spielen. Noch vor zwei Monaten wurden Prognosen für 100 Dollar je Barrel Öl herumgereicht. Jetzt fürchtet man am Markt, dass die Opec und Russland ihren Ausstoß erhöhen und die Schieferproduktion in den USA weiter zunimmt. Hinzu kommt der Streit in Kanada um die geplante Erweiterung der Trans-Mountain-Pipeline, die Öl aus den Fördergebieten in Alberta an die pazifische Küste in British Columbia für den Export nach Asien transportieren soll. Im Mai hat die Bundesregierung in Ottawa dem Betreiber Kinder Morgan die existierende Pipeline plus die geplante Erweiterung abgekauft. Doch der Beginn des Projekts kann sich um Jahre verzögern. Damit entsteht für den Export von Kanadas Öl zusätzlicher Gegenwind. Die steigende Förderung in den USA dämpft ohnehin Kanadas Energieexporte. Der erbittert geführte Pipelinestreit hat in den vergangenen Monaten dafür gesorgt, dass Kanadas Öl- und Energieaktien von steigenden Ölpreisen nicht so gut profitieren konnten wie in der Vergangenheit. Auf diesen Zusammenhang macht auch der jüngste Kapitalmarktausblick der BMO aufmerksam. Energiewerte wie Suncor und die Pembina Pipeline Corp. sind daher nach ihrem Kursanstieg im März und April unter Druck geraten. Bis hin zum Gold leiden die Rohstoffwerte. Barrick Gold hat seit dem Hoch im ersten Quartal bei 19,49 kan. Dollar 14 % eingebüßt. Der Kupfer- und Zinkproduzent Hudbay Minerals hat seit dem Hoch im ersten Quartal rund 40 % verloren. Haushalte hoch verschuldetErschwerend für die kanadische Börse kommt nun eine spürbare konjunkturelle Abkühlung hinzu. War das Bruttoinlandsprodukt im ersten Halbjahr 2017 noch um 4,3 % gewachsen, so bremste der Zuwachs im ersten Vierteljahr 2018 auf nur noch 1,3 % ab. Der Konsum der schwer verschuldeten privaten Haushalte wies mit einem Zuwachs von 1,1 % im ersten Quartal wegen steigender Zinsen nur noch ein Drittel der Dynamik auf, die er im vergangenen Jahr gezeigt hatte. Die energiereiche Provinz Alberta wächst derzeit weniger als halb so schnell wie im Vorjahr. Das dürfte bei den Aktien in den kommenden Monaten Schleifspuren hinterlassen.