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Hoffnung auf positive Impulse für den Real

Von Stefan Grünwald *) Börsen-Zeitung, 14.10.2014 Nach dem Ergebnis der ersten Runde Präsidentenwahl in Brasilien, bei dem der im Mitte-rechts-Spektrum verankerte Aécio Neves mit knapp 34 % der Stimmen überraschend den zweiten Platz hinter...

Hoffnung auf positive Impulse für den Real

Von Stefan Grünwald *)Nach dem Ergebnis der ersten Runde Präsidentenwahl in Brasilien, bei dem der im Mitte-rechts-Spektrum verankerte Aécio Neves mit knapp 34 % der Stimmen überraschend den zweiten Platz hinter Amtsinhaberin Dilma Rousseff (knapp 42 %) erreichte, hoffen Investoren bei der Stichwahl am 27. Oktober auf dringend notwendige Reformschritte in dem südamerikanischen Land und auf positive Impulse für die Währung. Dabei hat der brasilianische Real – anders als von vielen prognostiziert – bis vor kurzem noch kaum an Wert verloren. Das ist vor allem deshalb beachtlich, da das Land an einem hohen Leistungsbilanzdefizit, rückläufigem Wachstum und hoher Inflation laboriert, mit bislang wenig Aussicht auf Genesung. Vor allem ein großer Investitionsrückstau im Bereich Infrastruktur, grassierende Korruption, geringe Produktivität der Industrie sowie strukturelle Probleme, beispielsweise im Finanzsektor, machen dem Schwellenland zu schaffen. Notenbank-InterventionenZu verdanken hat Brasilien die bislang relative Währungsstabilität massiven Interventionen seitens der Nationalbank zur Bekämpfung der hohen Inflation sowie starken Portfoliozuflüssen und Zuflüssen von ausländischen Direktinvestitionen aufgrund der globalen Suche von Anlegern nach Rendite. Der brasilianische Real bietet Renditen jenseits von 10 % mit entsprechend hohen Realzinsen. Er gilt aktuell aber als überbewertet, was dem Land gegenüber anderen Schwellenländern Wettbewerbsnachteile verschafft.Im Zuge der verstärkten globalen Zinsdiskussion über die vergangenen Sommermonate, einhergehend mit anhaltend guten Wachstumsraten in den USA, drehte das Sentiment für hochverzinsliche Währungen wie dem Real aber auch anderer Emerging Markets. Was Brasilien betrifft, brachte der schwer zu prognostizierende Ausgang der Präsidentenwahl zusätzliche Unsicherheit hinsichtlich des wirtschaftlichen Ausblicks. Daher hat der Real in jüngster Zeit gegenüber dem Dollar (allerdings nicht gegenüber dem Euro) an Wert verloren. Doch mit der nun erforderlichen Stichwahl lebt die Hoffnung der Anleger auf dringend notwendige Reformschritte, die in den Regierungen Lula/Rousseff versäumt wurden, wieder auf. Warten auf ReformenZwar konnten in den vergangenen zehn Jahren Millionen Brasilianer mit Hilfe von Wohn- und Sozialprogrammen aus der Armut geführt werden. Und es ist auch gelungen, durch reale Lohnsteigerungen und gute Arbeitsmarktdaten den Binnenkonsum des Landes zu stärken, doch sind wichtige Reformen, insbesondere in den Bereichen Infrastruktur, Bildungs- und Finanzwesen ausgeblieben. Private Investitionen fehlen dem Land ebenso wie eine funktionierende Kapitalgütererzeugung, was wiederum die Importneigung Brasiliens fördert und ein hohes Leistungsbilanzdefizit zur Folge hat. Konnte das Schwellenland in seinen Boomjahren noch von der globalen Rohstoffhausse profitieren, bekommt es jetzt auch die rückläufige Nachfrage vor allem aus China zu spüren. Darüber hinaus drohen steigende Leitzinsen in den USA, die Aussicht auf Kapitalzuflüsse zu reduzieren. Unzufriedene BevölkerungDer fehlende Reformwille, aber auch die florierende Korruption im Land haben zu großer Unzufriedenheit innerhalb der Bevölkerung geführt. Sie hat sich bereits im Sommer bei den Protesten rund um die Fußball-WM entladen und könnte die amtierende Präsidentin die nun dringend benötigten Stimmen kosten. Die Markthoffnung liegt somit auf dem sozialdemokratischen Kandidaten Neves, dem Investoren stärker zutrauen, die oben beschriebenen wirtschaftspolitischen Herausforderungen Brasiliens zu stemmen und wichtige Reformen einzuleiten. Das sollte auch die aktuell extrem hohe Inflation wieder nach unten bringen, die Realzinsen senken und der brasilianischen Währung langfristig einen positiven Schub verleihen.—-*) Stefan Grünwald ist Fondsmanager in der Abteilung Global Emerging Markets and Eastern Europe (Fixed Income) bei Raiffeisen Capital Management.