DEVISENWOCHE

Hohe Erwartungen an die EZB

Von Holger Achnitz *) Börsen-Zeitung, 8.3.2016 Das erste Quartal 2016 hat die Befürchtungen vieler Marktbeobachter über eine weitere Eintrübung der Konjunktur in der Eurozone bislang weitgehend bestätigt. Daraus folgen ein weiteres Mal hohe...

Hohe Erwartungen an die EZB

Von Holger Achnitz *)Das erste Quartal 2016 hat die Befürchtungen vieler Marktbeobachter über eine weitere Eintrübung der Konjunktur in der Eurozone bislang weitgehend bestätigt. Daraus folgen ein weiteres Mal hohe Erwartungen an die EZB, am Donnerstag mit zusätzlichen geldpolitischen Maßnahmen dafür zu sorgen, dass Inflationsrate und -erwartungen im Einklang mit dem Mandat wieder in Richtung der Zielmarke von nahe an 2 % tendieren.Aus Sicht der Zentralbank und der meisten Analysten kann wenig Zweifel darüber bestehen, dass die aktuellen Bedingungen eine weitere geldpolitische Lockerung rechtfertigen. Direktoriumsmitglieder haben im Februar angesichts wieder fallender Preissteigerungsraten mehrfach indirekt auf die Notwendigkeit weiterer Schritte hingewiesen, um einem weiteren Rückgang entgegenzuwirken. Die Entscheidungsgrundlage bieten voraussichtlich die Marktdaten mit dem Stichtag 18. Februar, so dass sich vermutlich folgende Vergleiche zur Dezember-Sitzung ergeben:Erstens:Der effektive Wechselkurs des Euro ist um 3,5 % gestiegen, gegenüber dem US-Dollar nur um 2,5 %. Zweitens: Der Brent-Ölpreis liegt in Dollar um ca. 30 % niedriger. Schwächeres WachstumWährend der Nettoeffekt dieser Größen auf das Wachstum in der Eurozone aufgrund des bedeutenden Rückgangs des Ölpreises marginal positiv sein sollte, werden auch jüngste Umfragen am Donnerstag Berücksichtigung finden. Diese lagen zum Teil weit unterhalb der Erwartungen. Zusammengefasst erwartet das Research der Citigroup eine Rücknahme der Wachstumserwartung um jeweils 0,2 Prozentpunkte für 2016 (neu: 1,5 %) und 2017 (1,7%). In Kombination mit den oben genannten Äußerungen im Februar erscheint jedoch die ebenfalls erwartete Rücknahme für die durchschnittliche Inflationsrate um 0,7 Prozentpunkte in diesem Jahr (neu: 0,3 %) und 0 ,2 Prozentpunkte im nächsten Jahr (1,4 %) als gewichtiger für Diskussionen sowie Entscheidungen.Einen weiteren, wichtigen Faktor wird die EZB nicht außer Acht lassen können: die zuletzt wieder akut gewordenen Bedenken vieler Investoren über die Solidität des Bankensystems. Hier spielen viele andere Gründe als die Geldpolitik zwar eine Rolle, aber die Preisentwicklungen der den Sektor reflektierenden Indizes spiegeln zum Teil auch die Sorge über die weiter sinkende Profitabilität vieler Institute bei einer weiteren Absenkung der Leitzinsen wider. Die tatsächlichen Auswirkungen negativer Leitzinsen lassen sich nur schwer analysieren; der Rückgang von Aktienkursen und Nachranganleihen dürfte jedoch nicht ohne Einfluss bleiben und das Potenzial für Zinssenkungen limitieren. Die Citigroup geht Folgendem aus:Erstens: Der Zins für Einlagen bei der EZB um weitere 10 auf – 40 Basispunkte gesenkt. Zweitens: Das Anleiheankaufprogramm wird um 15 Mrd. Euro pro Monat erweitert, vermutlich zunächst befristet für die nächsten sechs Monate.Drittens: Adjustierungen der längerfristigen Refinanzierungsgeschäfte (LTRO), vermutlich werden Verlängerungen annonciert.Für die Reaktion der Märkte wird das Statement von ebenso großer Bedeutung sein wie die Maßnahmen selbst. Nachdem Investoren aus allen Anlageklassen vor drei Monaten bereits mehr erwartet hatten, wird sich – bei Entscheidungen ungefähr wie beschrieben – die Aufmerksamkeit sehr schnell auf zusätzliche und vielleicht noch unkonventionellere Schritte als die bisher bekannten richten.Angesichts der ausbleibenden (Japan, Eurozone) bzw. schon wieder zurückgehenden (USA) Erfolge sehr expansiver Geldpolitik richtet sich das Augenmerk zuletzt auch wieder auf eine stimulierende Fiskalpolitik. Eine derartige Forderung seitens der EZB ist sicher zu erwarten, aber die Möglichkeiten scheinen hier aufgrund der Verschuldung der meisten öffentlichen Haushalte begrenzt, ebenso lässt sich zumindest derzeit noch keine wirkliche Bereitschaft internationaler Kooperation erkennen (siehe letztes Treffen der G 20-Finanzminister). Daher werden die Erwartungen an die Geldpolitik, und damit auch an die EZB, in der nahen Zukunft hoch bleiben. Wer glaubt, den ganzen Instrumentenkasten schon zu kennen, ist vermutlich im Irrtum: von einer Verlängerung der “Forward Guidance” über den direkten Kauf von Bankkrediten bis hin zu jüngst diskutiertem “Helicopter-Money” scheint vieles heute zwar unmöglich, aber das galt auch für einige der uns heute bestens bekannten Programme.Die Folgen für den Kurs des Euro sind indes schwer zu bestimmen: Während die FX Strategy Group der Citi analysiert, dass im Markt eine moderate Euro-Short-Position vorherrscht, verdeutlichen die Beispiele USA und Japan, dass die Folgeschritte einer quantitativen Lockerung weitaus weniger Dynamik auf den Wechselkurs entfalten als die Premiere. In Verbindung mit seit Jahresbeginn eher zurückfallenden Erwartungen für das Tempo der amerikanischen Zinspolitik ist ein in moderatem Umfange fallender Euro gegenüber dem Dollar das wahrscheinlichste Szenario für die kommenden Wochen.—-*) Holger Achnitz ist Leiter des Devisenhandels bei Citi Deutschland