Hohe Volatilität von Immobilienaktien ein Mythos
Aktien börsennotierter Immobilienunternehmen sind eine fungible, liquide und einfach zugängliche Möglichkeit, breit diversifiziert in Immobilien zu investieren und an der starken Entwicklung dieser Assetklasse zu partizipieren. Durch den Aufstieg von Vonovia und Deutsche Wohnen in den Dax ist diese Anlagemöglichkeit auch in der Öffentlichkeit stärker präsent. Manche Investoren jedoch sehen in der „Immobilienaktie“ hauptsächlich die Aktie und weniger die Immobilie. Sie fürchten deshalb die hohe Volatilität der Aktienmärkte. Doch das ist ein weit verbreiteter Irrglaube.
Mit Immobilienaktien sind an dieser Stelle börsennotierte Unternehmen gemeint, deren primäres Unternehmensziel die Unterhaltung eines diversifizierten Immobilienportfolios ist und deren Erträge sich hauptsächlich aus der Bewirtschaftung dieser Immobilien ergeben. Viele dieser Akteure genießen den Status eines „Real Estate Investment Trust“ (Reit), wenn sie einen Großteil ihrer Erträge als Dividenden ausschütten. Weltweit gibt es mehr als dreitausend solcher börsennotierter Immobilienaktiengesellschaften mit einer kumulierten Marktkapitalisierung von mehr als 3 Bill. Euro, was etwa 11% des gesamten Immobilienvermögens der Welt entspricht. Es handelt sich also keineswegs um eine Randerscheinung.
Diesen Immobilienaktien eilt nun der Ruf voraus, dass die Volatilität ihrer Gesamtperformance – also Wertentwicklung einschließlich Dividenden – an den Kapitalmärkten eher der von einschlägigen Aktienindizes entspricht und somit hauptsächlich mit den Aktien von Unternehmen anderer Branchen vergleichbar ist. Kurzum: Private wie institutionelle Investoren betrachten eine Immobilienaktie eben als Aktieninvestment. Die als wesentlich solider geltenden „reinen“ Immobilien, ob direkt oder über Fonds, werden jedoch oftmals genau in der Absicht getätigt, die hohe Volatilität an den Aktienmärkten zu meiden. Diese Schlussfolgerung ist bei mittel- bis langfristiger Betrachtung ein Trugschluss. Natürlich sind Immobilienaktien zunächst einmal Aktien, kurzfristige Wertschwankungen daher nicht ausgeschlossen. Doch wer in Immobilien investiert, beobachtet diese auch nicht tagesaktuell, sondern über eine mehrjährige Haltedauer hinweg. Bei Immobilienaktien zeigt sich bereits über einen mittel- bis längerfristigen Anlagehorizont, dass schon nach mehr als zwei Jahren die Korrelation der Volatilität von Immobilienaktien zu den Immobilienmärkten höher ist als zu den sonstigen Aktienmärkten. Dieser Effekt verstärkt sich im Laufe der Zeit: Die Korrelation zu den Immobilienmärkten nimmt bei längerer Haltedauer immer weiter zu, die zu den Aktienmärkten hingegen ab. Dies haben unter anderem die renommierten Forscher Martin Hoesli und Elias Oikarinen in ihrem 2019 bei der European Real Estate Society (ERES) erschienen Beitrag („Does listed real estate behave like direct real estate?“) gezeigt.
Dieser Effekt ist empirisch nachweisbar, aber er lässt sich auch logisch erklären: Die Gewinne gelisteter Immobilienunternehmen stammen praktisch ausschließlich aus den Erträgen von in der Regel langfristig vermieteten Immobilien abzüglich Verwaltungs- und Fremdkapitalkosten. Da nun bei Immobilienaktien ein großer Teil dieser Mietüberschüsse über die Dividenden an die Anteilseigner ausgeschüttet wird, ist diese Performance-Komponente zumeist stabiler als bei Aktiengesellschaften anderer Branchen. Je länger die Haltedauer, desto stärker schlägt sich die Dividendenrendite und damit das spezifische Renditeprofil der Immobilie auf die Gesamtperformance durch und hebt sich von den temporären Schwankungen des Aktienmarktes ab. Zudem führen steigende und inflationsangepasste Mieten mittel- bis langfristig auch zu steigenden Immobilienwerten.
Sippenhaft durch ETFs
Hinzu kommt ein weiterer Aspekt: Immobilienaktien mögen bei Erschütterungen der Aktienmärkte wie zum Beispiel zu Beginn der Corona-Pandemie kurzfristig in Sippenhaft genommen werden. Das liegt nicht zuletzt daran, dass gerade in den größeren Indizes passiv gemanagte Fonds (ETFs) eine immer größere Rolle spielen. Professionelle Investoren mit einer aktiven Strategie verfolgen jedoch einen anderen Ansatz. Sie bewerten die Unternehmen nach Fundamentaldaten wie Gewinnerwartungen, Buchwerten und anderen Bilanzkennzahlen, woraus sie in schwachen Marktphasen unterbewertete Opportunitäten identifizieren.
Bei Immobilienaktien besteht eine besondere Chance darin, direkt den Immobilienbestand zu analysieren und auf Basis von Vergleichswerten, Marktmieten und Kaufpreisfaktoren Objekt für Objekt zu bewerten. Wenn sich der auf diese Weise ermittelte innere Vermögenswert (NAV) des Immobilienportfolios deutlich vom aktuellen Aktienkurs abhebt, dann ergeben sich attraktive Kaufgelegenheiten.
Je länger also der Anlagehorizont, desto größer die Entzauberung des Mythos von der hohen Volatilität von Immobilienaktien. Wenn man so will, kehren sich „Immobilienaktien“ mit fortschreitender Haltedauer zu so etwas wie „Aktienimmobilien“ um – weniger kapitalmarktaffine Anleger sprechen ja auch von „Zinshäusern“. Natürlich funktioniert dieser Mechanismus nur bei einer hinreichenden Streuung über mehrere Immobilien-AGs, denn einzelne Ausschläge lassen sich nie vermeiden. Jedoch das gilt für andere Formen des Immobilieninvestments ja genauso. Ein aktiver Investmentansatz hat sogar das Potenzial, die erwähnten Arbitrage-Potenziale frühzeitig zu erkennen und davon zu profitieren.